Lyon. Frankreich. Eine Jury unter Vorsitz des Pritzker Preisträgers und Architekten Wang Shu hat zum ersten Mal die Terra Awards für zeitgenössische Lehmarchitektur verliehen. Sie vergaben neun Preise und 20 Anerkennungen. Wir stellen die Preisträger vor, darunter auch Ziegert Roswag Seiler Architekten Ingenieure mit der Umnutzung des Jahili Forts in Al Ain über die wir auch in unserem Architekturführer Vereinigte Arabische Emirate berichten.
"Terra Award – A message to future builders. A new way to think about contemporary architecture. A showcase of professional expertise. A lesson in simplicity and humility. A praise for earthen building practices. A vision of the future for our Earth."
Patrice Doat, Architekt, Forscher und Mitbegründer von CRAterre
Er ziert die 50 Dirham-Note der Vereinigten Arabischen Emirate und wurde beim Bau späterer Gebäude oft zitiert: der dreifach abgestufte Wach- und Aussichtsturm der Festung Al Jahili. Das nationale Monument wurde im frühen 19. Jahrhundert gebaut, das Ensemble zählt zu den größten Bauten der Militärarchitektur des Landes. Um die Anlage zu sichern, folgten in den 1980er-Jahren erste Restaurierungsarbeiten. Schließlich beauftragte die Abu Dhabi Authority for Culture and Heritage das Berliner Büro Roswag & Jankowski (heute Ziegert Roswag Seiler Architekten Ingenieure) mit dem Umbau der Anlage. Die Architekten setzten die Vorgaben behutsam um und bedienten sich lokal-regionaler Baustoffe. Im Inneren wurde ausschließlich mit historischen Materialien gearbeitet: Lehm, Palmstämme und Palmblätter. Für diese Arbeit wurde das Büro nun mit dem Terra Award ausgezeichnet.
"Lehm ist einer der wichtigsten Baustoffe der uns bei der Überwindung des Dilemmas der fossilen Konsumgesellschaft helfen kann. Immerhin lebt die Hälfte der Menschheit in Lehmhäusern, wenngleich dies in den meisten Fällen einfache Hütten in schlechtem Zustand in den Ländern des globalen Südens sind. Von daher ist der Terra Award eine sehr wichtige Auszeichnung, die Bauherren und Architekten motivieren wird, sich mit dem Material auseinander zu setzen. Wir sind natürlich sehr glücklich mit Jahili Fort zum Kreis der Preisträger zu gehören."
Eike Roswag-Klinge, Architekt und Geschäftsführer bei Ziegert Roswag Seiler Architekten Ingenieure im Interview mit THE LINK.
Als Baustoff wird Lehm in Architekturkreisen kaum beachtet. Dabei war er bis vor etwa 100 Jahren ein gängiges Baumaterial und wird heute in vielen armen Ländern verwendet. Doch das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Denn wer nachhaltiges Bauen als wichtiges Element von Architektur sieht, kommt um Naturbaustoffe nicht herum. Das hat auch mit den Projekten von Francis Kéré und Ziegert Roswag Seiler Architekten Ingenieure aus Berlin zu tun. Ersterer ist bekannt geworden durch den Bau einer Grundschule in seinem Geburtsland Burkino Faso für den er 2004 den Aga Khan Award for Architecture erhielt und den Entwurf für das Operndorf des verstorbenen Regisseurs Christoph Schlingensief. Das Berliner Architektur- und Ingenieurbüro Ziegert Roswag Seiler ist im Lehmbau eine Kompetenz. Für die "School in Rudrapur" erhielt das Büro 2007 ebenfalls den renommierten Aga Khan Award for Architecture.
Dem Aufruf zum Terra Award folgten über 350 Architekten, Designer und Kreative aus fast 70 Ländern – koordiniert von der Kuratorin und Architektin Dominique Gauzin-Müller und ihrem Team. Im Januar 2016 nahm ein Komitee 40 Gebäude aus 27 Ländern in die Vorauswahl. Daraus bestimmte die Jury unter der Leitung des chinesischen Lehmbaupioniers und Pritzker Preisträger 2012 Wang Shu neun Gewinner. Die Preisverleihung fand im vergangenen Juli auf dem Terra-Weltkongress in Lyon, Frankreich statt. Leitsatz der Jury und des Kongresses ist "Earth, a material of the future": Die Erde als Material der Zukunft. Damit honorierte der Kongress nicht nur die Leistungen der Kreativen, sondern erkennt auch die immer wichtiger werdende Rolle des Baustoffs Lehm. Die erdige Zukunft hat begonnen. In wenigen Jahren soll der zweite Terra Award verliehen werden. Zeit, sich die Hände schmutzig zu machen.
Earth, a material of the future. Earth is becoming increasingly popular in contemporary architecture and hundreds of projects of high aesthetic and technical quality are emerging all over the world. This material, which has low embodied energy, is readily available and appropriate for participative building sites. This innovative approach could help enable ecological and economical housing.