Berlin. Deutschland. Die große Monografie über einen großen Bauingenieur aus Indien: „The Structure – Works of Mahendra Raj“ zeigt in beeindruckender Weise ein ebenso eindrückliches Schaffen eines Ausnahmekonstrukteurs von den 1950er-Jahren bis heute.
"Outstanding contributions in giving architecture in India a new aesthetic dimension through innovative structural systems."
Architect of the Year Awards, 1995
Wie erfasst man ein Werk, das in fünf Jahrzehnten entstanden ist und die gesellschaftspolitischen Umbrüche eines riesigen Landes spiegelt? Ist es möglich das Schaffen einer Ingenieurslegende aus Indien in Buchform zu pressen? Ja, ist es. Das Ergebnis ist eine wuchtige und zugleich kompakte Monografie, die vieles schafft. Sie erklärt, zeigt, beleuchtet. Dazu später mehr. Denn ebenso spannend wie das Buch "The Structure" ist es, den Meister selbst zu erleben. So wie an diesem herbstlichen Abend in jenem Teil des Berliner Westens, der wie für eine andere Zeit steht: hochherrschaftliche Repräsentanzbauten mit Patina. Eher zeitlose Eleganz, denn opportunistische Trendkost. Irgendwie passt das zu dem Mann, um den sich der Abend dreht: Mahendra Raj, Tragwerksspezialist, Ingenieurslegende und Strukturalist aus Indien, geboren 1924. Im Rahmen der Buchvorstellung im Architekten- und Ingenieur-Verein Berlin (AIV) präsentieren die Autoren und Architekten Rohit Raj Mehndiratta und Vandini Metha zunächst einen Teil des Gesamtwerks, das spätestens mit den Erklärungen und Bildern des Schweizer Architekturfotografen Ariel Huber und dritter Autor der Monografie eine Dimension bekommt, die so ist wie Indien: gewaltig. Nachdem er sein Studium als Bauingenieur in Lahore 1946 erfolgreich abschließt, beginnt Raj seine Laufbahn im Punjab Public Works Department zunächst an Straßenbau-Projekten. Ab 1951 lernt er sein Handwerk als Hochbauingenieur an zwei zentralen Gebäuden von Le Corbusier in Chandigarh: dem High Court und dem Secretariat. Diese anspruchsvollen Strukturen motivieren Raj ab 1956 das Masters-Studium an der University of Minnesota zu absolvieren und danach im Ingenieur-Büro Ammann & Whitney in New York zu arbeiten, das an innovativen Beton-Falt- und Schalentragwerken wie Saarinen’s TWA-Terminal arbeitet. 1960 kehrt Raj nach Indien zurück und gründet sein eigenes Büro in Bombay (heute Mumbai), das er 1970 nach Delhi verlegt und bis heute leitet. Viele seiner Projekte entstehen in Zusammenarbeit mit namhaften Architekten: Minoru Yamasaki, Louis Kahn, Achyut Kanvinde, Charles Correa, B.V. Doshi, Joseph Allen Stein und Raj Rewal. Mit seinen experimentellen Strukturen betritt Raj immer wieder Neuland. Einzigartig an seinem Werk ist wie er komplexe Tragsysteme in der indischen Realität umsetzte: manuell, in Abwesenheit der modernen Maschinerie, auf die man zu der Zeit im Westen zurückgreifen konnte und unter äußerst ökonomischer Verwendung von Materialien. Wie detailliert dieser Mann auch mehrere Jahrzehnte später Zahlen, Formeln und Fakten in seine Erzählungen einzuweben weiß, ist so beeindruckend wie die Entstehungsweise der Bauten. "Klarheit durch Geometrie" und "robuste Rauten", so beschreibt die Architektin und Co-Autorin Vandini Metha die Arbeits- und Denkweise des Ingenieurs. Klar ist der so Beschriebene in seiner freundlich-bestimmten Art nach wie vor. Das große, schwarze Brillengestell des heute über 90-jährigen, sein Lächeln und die Lebendigkeit seiner Erklärungen: all das zeigt einen Mann, der sich trotz seiner Bedeutung für Indiens Baugeschichte, eine Leichtigkeit bewahrt hat, die sich auch in seinen Projekten finden lässt. Denn trotz Robustheit, großer Genauigkeit und ökonomischer Korrektheit: seine Beton-Bauten sind fein, fragil, elegant und offenbaren die großen Gestaltungsmöglichkeiten eines Baustoffs. Die Monografie gibt diesem Können viel Raum und verknüpft es mit zahlreichen Plänen und Zeichnungen zu profunder Detailschärfe. Fakten und gut gesetzte Fotos runden den Gesamteindruck ab. Von Gebäuden mit Patina, von zeitlosen Strukturen mit Stolz, von Konstruktionen aus der hohen Welt der Geometrie und Mathematik und doch mit der indischen Realität verwoben.
"Putting together a book on Mahendra Raj has been an intimidating and monumental task. We must confess right at the outset that even though this book is a bit of a family production, working on a book on one’s father/-in-law from the beginning was a place of pride. Pride in the sheer enormity of this achievements through the iconic works of engineering he has envisioned over last half century."