Leuphana Zentralgebäude: Geometrien gegen Gleichförmigkeit – Architektur in Lüneburg
Lüneburg. Deutschland. Gegen Gleichförmigkeit und "marschierende Raster" konzipierte Daniel Libeskind den spitzwinklig-asymmetrischen Zentralbau der Leuphana Universität, den unser Gastautor Ludwig Moos mehrmals besucht hat, auch zu den Niedersächsischen Musiktagen. In seiner Fotoreportage zeigt er, warum Libeskind erneut mit einem Zackenhaus punktet.
"Die Welt ändert sich allerdings permanent, und diese Veränderung der Welt, diesen Aspekt muss man mit in die Arbeit aufnehmen. Man darf beim Bauen kein Märchen erzählen. Man muss die Welt widerspiegeln, wie sie ist, und die Realität der Welt ist nun einmal radikal. Und das Gebäude muss diese Wahrheit widerspiegeln."
Daniel Libeskind, Architekt, im Deutschlandfunk Kultur am 27.4.2012
Symbolträchtiger hätte der Bau kaum ausfallen können. Spitzwinklig, mit schrägen Wänden und asymmetrischen Fensterflächen in den glänzenden Fassaden aus Titanblech stellt sich das neue Zentralgebäude der Leuphana am östlichen Rand des Campus quer zu den Backsteinblocks der ehemaligen Scharnhorst-Kaserne, die der Universität in Lüneburg seit 1994 als Unterkunft dienen. Einen besseren Kontrast als die Altbauten von 1935 hätte Daniel Libeskind sich für sein provokantes Gebäude nicht wünschen können. Drei Jahre bevor er seinen ersten Entwurf skizzierte, klagte er in seiner Autobiografie "Breaking Ground" von 2004 über ... :
"Die Tyrannei des Rasters! Ständig kämpfe ich dagegen an: Gebäude, die wie ein Schachbrett entworfen sind, mit sich wiederholenden Baukörpern, die alle in die gleiche Richtung marschieren. Aber im Leben geht es nicht um marschierende Raster."
Daniel Libeskind
Der Protest war zu erwarten. Schon vor der Grundsteinlegung am 8. Mai 2011, dem bewusst gewählten Jahrestag der deutschen Kapitulation, gab es reichlich Kritik. Vor allem die Grünen und Linken im niedersächsischen Landtag sowie der ASta der Uni Lüneburg nannten die geplanten 58 Millionen Euro für das Projekt eine Fehlinvestition. Prunkbau oder Denkmal der Extravaganz waren noch die milderen Spottwörter, die öffentliche Häme nahm vor allem nach den Verzögerungen im Bau und dem Anwachsen der Kosten auf über 100 Millionen deutlich zu. Im März 2017 mit drei Jahren Verspätung eröffnet, nimmt der Bau mit dem Wintersemester den Betrieb auf. Nun muss sich zeigen, wie er sich im Alltag bewährt. Der Anspruch ist hoch. Die Leuphana hat für ihre 9.000 Studenten ein besonderes Studienmodell mit interdisziplinärem Profil ersonnen. In ihren vier Fakultäten für Bildung, Kultur, Wirtschaft und Nachhaltigkeit setzt sie stark auf sozioökonomische Verantwortung und die Verzahnung von Wissenschaft und Praxis. Ästhetisch herausfordernd und ökologisch bedachtsam, mit einer Vielzahl wechselnder Perspektiven und offen für Begegnungen, soll die Architektur des Zentralgebäudes die Neugier auf Wissen und die Lust am Austausch stärken helfen. Zur ersten Orientierung empfiehlt es sich, das komplexe Gebilde zu umwandern. Meter um Meter verschieben sich die vier Baukörper gegeneinander, verändert sich die perspektivische Tiefe, überrascht der Variantenreichtum geometrischer Formen. Nicht minder erstaunlich ist das Erleben der Räume im Innern, ihr stimulierendes Design und die Vielfalt ihrer Funktionen.
"Für das neue Zentralgebäude der Leuphana habe ich mich vom Geist dieser Universität inspirieren lassen. Die Leuphana erlebe ich als einen Brutkasten für neue Ideen, Innovation, Forschung und Entdeckung. Von diesen Elementen ist auch das neue Haus durchdrungen."