Stadt des Funktionalismus –  Der Flow des Funktionalen

Auf Reisen / Reportage:

Villa Tugendhat und andere Prachtbauten.

Der Flow des Funktionalen

Bauhaus / Neues Bauen — Tschechien | 

»The Tugendhat Villa in Brno is one of the most original projects completed by Mies van der Rohe. He was able to fully implement his design in accordance with his intentions due to the ideal cooperation with the highly cultured Tugendhat family. The furniture was designed by the architect and some pieces were intended for specific locations. There is no other similar architectural work of the European production by Mies van der Rohe that has been preserved with such integrity.«

UNESCO World Heritage, 2001

Berühmte Häuser zu besuchen, kann ernüchternd oder einschüchternd sein. Im Fall der Villa Tugendhat ist es eher einladend, was auch an Petr Dvořák liegt. Mit dem Sprecher der Villa Tugendhat sitze ich auf der Terrasse mit Blick auf den weitläufigen Garten, die Silhouette von Brno (dt. Brünn) und auf das Haus. Dvořák arbeitet seit 2006 in der Villa und hat seitdem erlebt wie es immer populärer wurde für Touristen, Kultur- und Städtereisenden. So sehr, dass die Haustouren auf Monate ausgelastet seien. Zwar können Interessierte ohne Buchung in den Garten, aber wer in Brünn ist, sollte definitiv eine Hausführung einplanen und drei bis vier Monate im Voraus reservieren. Wie reagieren die Gäste auf das Gebäude? Laut Dvořák ist das Publikum sehr vielfältig und komme aus Übersee, Asien und allen Teilen Europas, natürlich auch viele Architekten, Designer und Kunsthistoriker. Aber es gebe auch Leute, die mit Skepsis ins Innere treten und mit Begeisterung herauskommen. "Viele sind überrascht wie modern das Haus ist", so der Sprecher.
Als ich mich später einer Führung anschließe, weiß ich was er mit der Verschiedenheit der Gäste meint: alt und jung, Tschechen und Nicht-Tschechen, offensichtliche Architekturfans und Innendesignkenner. Was die heutige fünfzehnköpfige Gruppe eint, ist der Wow-Effekt, vor allem im knapp 240 Quadratmeter großen Wohn- und Leseraum. Hier erklärt der Tourguide die Raffinesse und Pracht der lichtdurchfluteten Beletage. Da sind die ineinanderfließenden Funktionsbereiche, die Einrichtung aus Makassar-Ebenholz aus dem indonesischen Sulawesi, die berühmte Onyxwand, die Samt-Vorhänge, die Barcelona und Brno Sessel, die Freischwinger und die elektrischen Fensterheber. Das Hebesystem ermöglicht die versenkbaren Glaswände. Als die Fenster herunterfahren und der Raum und der weitläufige Garten eins werden, wird klar, was Greta Tugendhat meinte, als sie das Haus 1969 zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg besuchte:

»Vom ersten Moment an haben wir das Haus innig geliebt. Wenn wir alleine waren, saßen wir in der Bibliothek, während wir den Abend mit Freunden lieber direkt vor den Fenstern verbrachten. Wir haben das Haus sogar mehr im Frühling und Sommer genossen. Als die Kinder klein waren, waren wir sehr häufig auf der Terrasse … wo sie die gesamte Fläche als Spielplatz genutzt haben.«

Das Haus des jüdischen Unternehmerpaares Greta und Fritz Tugendhat, entwarf der Architekt Ludwig Mies van der Rohe zwischen 1928 und 1929. Die Pläne entstanden in Zusammenarbeit mit seiner Partnerin und Kollegin Lilly Reich (1885–1947) wie die zeitgleich erbauten Direktorenvillen Lange und Esthers in Krefeld.

Erstmals nutzte man in einem Privathaus in der damaligen Tschechoslowakei eine Konstruktion aus Stahlträgern mit genietetem Kreuzprofil. Die Stahlskelettstruktur ermöglichte den freien Grundriss. Die Konzentration auf Klarheit und die Reinheit des Materials sind die wichtigsten Merkmale des Hauses. Hinzu kommt der Einbau der damals neuesten technischen Möglichkeiten mit den Fensterhebern, der Klimaanlage und der Warmluftheizung. Das Haus beeindruckt auch mit der Topografie bzw. der Nutzung der Lage. Es steht quer zu einem Abhang und erscheint zur Straße in nordöstlicher Richtung als eingeschossiger, bescheidener, transparenter Pavillon. Zur steil abfallenden Gartenseite und in südwestlicher Richtung jedoch zeigt sich das Gebäude mit seiner großflächigen Glasfront mit einer Geste der einladenden Offenheit. Die Brünner Landschaftsarchitektin Grete Roder-Müller war für die Gestaltung des über 6.500 qm großen Gartens verantwortlicht, der heute in seiner wohldosierten Lebendigkeit das Haus ergänzt ohne sich als Grünzusatz zu verstecken. Im Gegenteil, gerade die Lage, Topografie und das Panorama sind für das Haus wichtige Komponenten für seine lichte Großzügigkeit und selbstbewusste Eleganz, die es erst viele Jahrzehnte später wiedergewinnen sollte.
Denn die Bewohner mussten ihr Land schon wenige Jahre nach Bezug des über 900 qm großen Hauses verlassen und emigrierten erst in die Schweiz und dann nach Venezuela. Danach beschlagnahmte die Gestapo das Gebäude, das während des Zweiten Weltkrieges beschädigt wurde. Die Rote Armee nutzte das Haus ebenso wie ein Kinderkrankenhaus und aus dem 240 qm großen Wohnzimmer wurde eine Turnhalle mit Turngeräten an den Wänden. Viele Jahre wurde die Bedeutung des architektonischen Meisterwerks übersehen, ignoriert, missachtet. Bei der Geschichte des Hauses geht es auch um die fehlende Anerkennung als Kulturdenkmal. Die kam erst ab den 1980er-Jahren, als das Gebäude zum ersten Mal renoviert wurde, allerdings auf die rabiate Achtzigerjahre-Methode: man ersetzte Originalteile, sämtliche Möbel wurden ausgetauscht, Fliesen wurden abgeschlagen, die Einrichtungen in den Bädern landeten auf dem Müll. Seit 1994 ist das Haus als Denkmal der modernen Architektur in Brünn für die Öffentlichkeit zugänglich. Von 2010–2012 wurde die Villa denkmalgerecht saniert. Auf das Ergebnis ist Sprecher Petr Dvořák stolz, da das Haus nun zu einem großen Teil wieder so aussieht wie bei der Fertigstellung 1930. Das liegt auch an der detektivischen Arbeit der Beteiligten, z. B. des Kunsthistorikers Miroslav Ambroz, der die Ebenholzwand des Wohnbereichs in einer Brünner Universitätsmensa fand.

Die Öffnung des Kulturdenkmals

Diese letzte, behutsame Sanierung hat zur Offenheit beigetragen, Haus und Garten wirken einladend und kapseln sich nicht für ein Expertenpublikum ab, im Gegenteil. Die Verantwortlichen haben das Programm des Hauses erweitert. Heute ist es auch Veranstaltungsort und Treffplatz, es gibt Konzerte, Filmvorführungen, Lesungen und Workshops, auch für Jugendliche und Kinder. Diese lernen über das Mies van der Rohe-Prinzip des „Less is more“, erfahren warum für den Architekten „Gott in den Details steckt“ und wie das Zusammenspiel von Architektur und Natur in der Anlage funktioniert. Eine gute Vorgehensweise, um künftigen Baumeistern den Flow der funktionalistischen Ikone näherzubringen.

Entwurf: Ludwig Mies van der Rohe, Lilly Reich. Fertigstellung: 1930

Villa Tugendhat

Entwurf: Ludwig Mies van der Rohe, Lilly Reich. Fertigstellung: 1930

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
Die funktionalistische Architektur der Villa Tugendhat zählt zu den wichtigsten Bauten der Moderne ...

Villa Tugendhat

Die funktionalistische Architektur der Villa Tugendhat zählt zu den wichtigsten Bauten der Moderne ...

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
... zu denen auch u. a. Le Corbusiers Villa Savoye, Frank Lloyds Wrigths Robie House und ...

Villa Tugendhat

... zu denen auch u. a. Le Corbusiers Villa Savoye, Frank Lloyds Wrigths Robie House und ...

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
... das Haus Schminke von Hans Scharoun zählen.

Villa Tugendhat

... das Haus Schminke von Hans Scharoun zählen.

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Auftraggeber war das Unternehmerehepaar Grete und Fritz Tugendhat

Villa Tugendhat

Auftraggeber war das Unternehmerehepaar Grete und Fritz Tugendhat

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Das Haus ist seit 2001 UNESCO Weltkulturerbe. Von 2010–2012 wurde es grundsaniert. Das Haus und der Garten erhielten ihre ursprüngliche Gestalt.

Villa Tugendhat

Das Haus ist seit 2001 UNESCO Weltkulturerbe. Von 2010–2012 wurde es grundsaniert. Das Haus und der Garten erhielten ihre ursprüngliche Gestalt.

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
Der Eingangsbereich mit der gebogenen Milchglaswand, außen glatt, innen geätzt.

Villa Tugendhat

Der Eingangsbereich mit der gebogenen Milchglaswand, außen glatt, innen geätzt.

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
In den Innenräumen stehen Originalmöbel mit Nachbildungen. Die Türen sind so hoch wie die Raumhöhen von fast drei Metern.

Villa Tugendhat

In den Innenräumen stehen Originalmöbel mit Nachbildungen. Die Türen sind so hoch wie die Raumhöhen von fast drei Metern.

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
Das Elternbad von Fritz und Grete Tugendhat mit Tageslicht. Die ursprüngliche Sanitärausstattung wurde in der ersten Instandsetzung in den 1980ern zerstört.

Villa Tugendhat

Das Elternbad von Fritz und Grete Tugendhat mit Tageslicht. Die ursprüngliche Sanitärausstattung wurde in der ersten Instandsetzung in den 1980ern zerstört.

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
Die halbrunde Wand aus Makassar-Ebenholz im Wohnbereich. Der Kunsthistoriker Miroslav Ambroz fand einen Teil der originalen Wand durch Zufall.

Villa Tugendhat

Die halbrunde Wand aus Makassar-Ebenholz im Wohnbereich. Der Kunsthistoriker Miroslav Ambroz fand einen Teil der originalen Wand durch Zufall.

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
Der Hauptwohnraum des Hauses mit 237 qm Größe ist die Beletage. Links: die Onyxwand, im Vordergrund eine Chaiselongue aus rubinrotem Samt (MR 100).

Villa Tugendhat

Der Hauptwohnraum des Hauses mit 237 qm Größe ist die Beletage. Links: die Onyxwand, im Vordergrund eine Chaiselongue aus rubinrotem Samt (MR 100).

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
Sitzgruppe mit drei Barcelona-Sessel und einem Barcelona-Hocker mit smaragdgrünem Lederpolster. Die drei Tugendhat-Sesseln gegenüber sind aus Rodierstoff.

Villa Tugendhat

Sitzgruppe mit drei Barcelona-Sessel und einem Barcelona-Hocker mit smaragdgrünem Lederpolster. Die drei Tugendhat-Sesseln gegenüber sind aus Rodierstoff.

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
Mehr Glaswand denn Fenster: die Scheiben können vollständig in den Boden versenkt werden. Neben der Architektur spielt der Einbau der damals neuesten Technik eine wichtige Rolle im Haus.

Villa Tugendhat

Mehr Glaswand denn Fenster: die Scheiben können vollständig in den Boden versenkt werden. Neben der Architektur spielt der Einbau der damals neuesten Technik eine wichtige Rolle im Haus.

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
Ein Teil des Kellers wurde zu einem Ausstellungsraum mit kleinem Museumsshop umgebaut. Die Dauerausstellung zeigt Pläne, Skizzen, Fotografien der Architekten und Planer sowie weitere Informationen über die Tugendhats bis 1938. Die Dauerausstellung kann übrigens auch ohne Führung besucht werden.

Villa Tugendhat

Ein Teil des Kellers wurde zu einem Ausstellungsraum mit kleinem Museumsshop umgebaut. Die Dauerausstellung zeigt Pläne, Skizzen, Fotografien der Architekten und Planer sowie weitere Informationen über die Tugendhats bis 1938. Die Dauerausstellung kann übrigens auch ohne Führung besucht werden.

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
Der Entwurf von Mies und Lilly Reich entstand in Zusammenarbeit mit dem Architekten Sergius Ruegenberg (1903–1996), der auch mit Hans Scharoun, Bruno Paul und Karl Schneider gearbeitet hat. Der Eingang an der Straße führt in die dritte Etage des Hauses.

Villa Tugendhat

Der Entwurf von Mies und Lilly Reich entstand in Zusammenarbeit mit dem Architekten Sergius Ruegenberg (1903–1996), der auch mit Hans Scharoun, Bruno Paul und Karl Schneider gearbeitet hat. Der Eingang an der Straße führt in die dritte Etage des Hauses.

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)
Flach und bescheiden: zur Straße in nordöstlicher Richtung erscheint das Haus als eingeschossiger und transparenter Pavillon.

Villa Tugendhat

Flach und bescheiden: zur Straße in nordöstlicher Richtung erscheint das Haus als eingeschossiger und transparenter Pavillon.

Bild vergrößern (Villa Tugendhat)(Abbildung © Jan Dimog)

Brünns vier Parade-Villen

Im kompakten Zentrum der zweitgrößten Stadt Tschechiens gibt es zahlreiche, sehr gut erhaltene Gebäude im Stil des Funktionalismus. Vier Stadthäuser spielen in diesem Zusammenhang eine Sonderrolle. Die Villa Tugendhat ist in diesem Quartett sicherlich der bekannteste Bau. Der Besuch der anderen drei lohnt sich, weil sie stellvertretend für eine Ausrichtung der funktionalistischen und der Jugendstil-Architektur, für den damaligen Zeitgeist und für die Umbrüche in Politik, Gesellschaft und Gestaltung stehen.

Villa Löw-Beer, Alexander Neumann, 1903

Der Fabrikant Moritz Fuhrmann war der Auftraggeber der Jugendstil-Villa, die der Textilunternehmer Alfred Löw-Beer 1913 kaufte. Einen Teil des Grundstücks schenkte er seiner Tochter Grete für den Bau ihres Hauses. Mit ihrem Mann beauftragte sie einen der bekanntesten deutschen Architekten der damaligen Zeit: Mies van der Rohe. Dieser entwarf mit Lilly Reich die Villa Tugendhat.

Entwurf: Alexander Neumann, Fertigstellung: 1903. Die Jugendstilvilla ist Teil des Brünner Villen-Quartetts mit den Häusern Tugendhat, Stiassni und Jurkovič.

Villa Löw-Beer

Entwurf: Alexander Neumann, Fertigstellung: 1903. Die Jugendstilvilla ist Teil des Brünner Villen-Quartetts mit den Häusern Tugendhat, Stiassni und Jurkovič.

Bild vergrößern (Villa Löw-Beer)(Abbildung © Jan Dimog)

Villa Stiassni, Ernst Wiesner, 1929

Zusammen mit der Villa Tugendhat ist das Haus Stiassni eines der bedeutendsten Wohnbauten der Zwischenkriegsjahre. Die funktionalistische Villa mit dem drei Hektar großen Garten entwarf der tschechoslowakische Architekt Ernst Wiesner (1890–1971) für die Familie des jüdischen Textilunternehmers Alfred Stiassni. Das Haus mit den Hauptwohnbereichen orientiert sich zum abschüssigen Grundstück, während er den Bereich mit der Küche, den Räumen für die Angestellten usw. in die entgegengesetzte Richtung setzte. Von außen ist das Haus schlicht und linear mit leicht mediterraner Anmutung. In der Innengestaltung jedoch bestand Hermine Stiassni auf eine üppig-schlossartige Ausstattung. Das Paar mit Tochter Susanne bewohnte das Haus neun Jahre und floh 1938 vor der drohenden Okkupation durch die Deutschen nach London. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude als Herberge für Staatsgäste und Politiker genutzt. Es kamen u. a. der Mitbegründer der Tschechoslowakei, Minister- und Staatspräsident Edvar Beneš (1884–1948), der indonesische Präsident Sukarno, der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser oder der kubanische Führer Fidel Castro. 2009 begann die umfassende Renovierung des Hauses mit 560 qm Wohnfläche, die drei Jahre dauerte. Ende 2014 wurde das Kulturdenkmal für die Öffentlichkeit geöffnet. Heute befindet sich hier auch das Methodische Zentrum für moderne Architektur (MCMA). Ziel der Institution ist die Dokumentation und Forschung über Architekturdenkmäler des 20. Jahrhunderts, um ihren Schutz kontinuierlich zu verbessern.

Entwurf. Ernst Wiesner, Fertigstellung: 1929

Villa Stiassni

Entwurf. Ernst Wiesner, Fertigstellung: 1929

Bild vergrößern (Villa Stiassni)(Abbildung © Jan Dimog)
Das Haus des jüdischen Textilunternehmers Alfred Stiassni stellt einen der bedeutendsten Wohnbauten der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg dar.

Villa Stiassni

Das Haus des jüdischen Textilunternehmers Alfred Stiassni stellt einen der bedeutendsten Wohnbauten der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg dar.

Bild vergrößern (Villa Stiassni)(Abbildung © Jan Dimog)
Das später auch als Regierungsvilla bezeichnete Haus wurde 2014 nach mehrjähriger Sanierungszeit wiedereröffnet.

Villa Stiassni

Das später auch als Regierungsvilla bezeichnete Haus wurde 2014 nach mehrjähriger Sanierungszeit wiedereröffnet.

Bild vergrößern (Villa Stiassni)(Abbildung © Jan Dimog)
Bei der linear-ornamentfreien Außengestaltung setzten sich Alfred Stiassni und der Brünner Architekt Wiesner durch. Für die Innengestaltung jedoch wollte Hermine Stiassni Üppigkeit, Zierde und höfische Erlesenheit. Bekam sie auch.

Villa Stiassni

Bei der linear-ornamentfreien Außengestaltung setzten sich Alfred Stiassni und der Brünner Architekt Wiesner durch. Für die Innengestaltung jedoch wollte Hermine Stiassni Üppigkeit, Zierde und höfische Erlesenheit. Bekam sie auch.

Bild vergrößern (Villa Stiassni)(Abbildung © Jan Dimog)
Das Ehepaar mit der Tochter bewohnte das Haus ...

Villa Stiassni

Das Ehepaar mit der Tochter bewohnte das Haus ...

Bild vergrößern (Villa Stiassni)(Abbildung © Jan Dimog)
... nur neun Jahre. 1938 flohen sie aus Angst vor der drohenden Okkupation durch die Nazis nach London.

Villa Stiassni

... nur neun Jahre. 1938 flohen sie aus Angst vor der drohenden Okkupation durch die Nazis nach London.

Bild vergrößern (Villa Stiassni)(Abbildung © Jan Dimog)
Die Gestapo nutzte das Gebäude als Sitz. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente es repräsentativen Zwecken und als Gasthaus für politische Prominenz.

Villa Stiassni

Die Gestapo nutzte das Gebäude als Sitz. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente es repräsentativen Zwecken und als Gasthaus für politische Prominenz.

Bild vergrößern (Villa Stiassni)(Abbildung © Jan Dimog)
Dauerausstellung über die Historie des Hauses im Küchentrakt.

Villa Stiassni

Dauerausstellung über die Historie des Hauses im Küchentrakt.

Bild vergrößern (Villa Stiassni)(Abbildung © Jan Dimog)
Die Verbindung aus Loggia und der Wohnterrasse an der Süd- und Ostfassade des Haues mit Blick auf den drei Hektar großen Garten.

Villa Stiassni

Die Verbindung aus Loggia und der Wohnterrasse an der Süd- und Ostfassade des Haues mit Blick auf den drei Hektar großen Garten.

Bild vergrößern (Villa Stiassni)(Abbildung © Jan Dimog)

Villa Jurkovič, Dušan Jurkovič, 1906

Der eigenwilligste Bau des Villenquartetts steht am Hang oberhalb des Flusses Svratka im Brünner Viertel Žabovřesky. Es unterscheidet sich deutlich von der gläsernen Tugendhat-Kantigkeit, vom üppigen Löw-Beer-Jugendstil und von der mediterranen Eleganz der Villa Stiassni. Der Architekt Dušan Jurkovič (1868–1947) entwarf ein Haus, das für eine Umbruchsphase in der Baukunst des Landes und für den Jugendstil der Brünner Art steht, in ihrer Bedeutung ähnlich wie die Villa Tugendhat für den funktionalistischen Hausbau. Jurkovič war durch die Wiener Moderne und die englische Arts and Crafts Movement inspiriert, einer britischen Bewegung in der Kunst und Architektur, die sich auf das traditionelle Wohnen und das Handwerk besann und die freie und angewandte Kunst verband. Die Grundkonzeption des Hauses geht von der Typologie des Cottage in England aus. Außen fällt der Arkadeneingang mit Terrasse auf. Jurkovič verkleidete die Fachwerkkonstruktion mit Korkplatten. Herz des Hauses ist die zentrale Halle, um den er im ersten Obergeschoss eine Galerie anlegte. Salons für die Damen und die Herren wie später bei den Stiassnis gibt es hier nicht. Stattdessen gruppiert er zwei große Nischen in den großen Raum, der wie eine Halle wirkt, eine für Frauen, die andere für Männer. Trotz der Separierung bleiben sie zumindest visuell in Kontakt. Die Farbenpracht und Formenvielfalt war Jurkovič’ ebenso wichtig wie die Lichtstimmung. Er war vom Ergebnis sehr überzeugt. Der auch als "Dichter des Holzbaus" bezeichnete Architekt, Möbeldesigner und Ethnograph präsentierte das Haus nach Fertigstellung als "Gesamtkunstwerk".

Entwurf: Dušan Jurkovič, Fertigstellung: 1906.

Villa Jurkovič

Entwurf: Dušan Jurkovič, Fertigstellung: 1906.

Bild vergrößern (Villa Jurkovič)(Abbildung © Jan Dimog)
Hausmuseum und Jugendstil-Denkmal

Villa Jurkovič

Hausmuseum und Jugendstil-Denkmal

Bild vergrößern (Villa Jurkovič)(Abbildung © Jan Dimog)
Ein Teil der zentralen Halle

Villa Jurkovič

Ein Teil der zentralen Halle

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Farbenpracht der Sitznische in der Halle

Villa Jurkovič

Farbenpracht der Sitznische in der Halle

Bild vergrößern (Villa Jurkovič)(Abbildung © Jan Dimog)
Die temporäre Ausstellung "Being Dušan Jurkovič" von A1 Architekten ist noch bis April 2019 zu sehen.

Villa Jurkovič

Die temporäre Ausstellung "Being Dušan Jurkovič" von A1 Architekten ist noch bis April 2019 zu sehen.

Bild vergrößern (Villa Jurkovič)(Abbildung © Jan Dimog)
Die gelungene Dauerausstellung präsentiert das Leben und Wirken des slowakischen Architekten, Möbelgestalters und Ethnografen.

Villa Jurkovič

Die gelungene Dauerausstellung präsentiert das Leben und Wirken des slowakischen Architekten, Möbelgestalters und Ethnografen.

Bild vergrößern (Villa Jurkovič)(Abbildung © Jan Dimog)
Seit 2006 ist das Haus Jurkovič Teil der Mährischen Galerie. Die Sanierung des Hauses dauerte mehrere Jahre und wurde von Transat architekti verantwortet. Seit April 2011 ist es für die Öffentlichkeit zugänglich.

Villa Jurkovič

Seit 2006 ist das Haus Jurkovič Teil der Mährischen Galerie. Die Sanierung des Hauses dauerte mehrere Jahre und wurde von Transat architekti verantwortet. Seit April 2011 ist es für die Öffentlichkeit zugänglich.

Bild vergrößern (Villa Jurkovič)(Abbildung © Jan Dimog)

Industriemetropole der Moderne

Die Textilindustrie und die funktionalistische Architektur haben einander in Brünns stürmischer Stadtentwicklung nach dem Ersten Weltkrieg bedingt. Denn die Wirtschaft boomte, zahlreiche Fabrikanlagen entstanden, Menschen zogen in die boomende Stadt. Die Verantwortlichen – vom Stadtarchitekten bis zu den Ratsherren – entwickelten einen ehrgeizigen städtebaulichen Plan, der das Ziel hatte dem Bevölkerungswachstum und der Wirtschaftskraft Rechnung zu tragen sowie aus dem Schatten der Hauptstadt Prag zu treten. Man baute kreativ, fortschrittlich und mit großer Geste. Brünn wurde architektonisch zu einer der progressivsten Städte Europas mit Cafés, Lokalen, Einkaufshäusern, Villen und einem Messegelände aus Glas und mit neuartigen Grundrissen und kubisch, klar und konzentriert. Ein fotografischer Streifzug durch Brünns Stadtzentrum.

Entwurf: Bohuslav Fuchs, Fertigstellung: 1927. Eines der schmalsten Hotels Europas. Seit 2017 wird das Hotel rekonstruiert.

Hotel Avion

Entwurf: Bohuslav Fuchs, Fertigstellung: 1927. Eines der schmalsten Hotels Europas. Seit 2017 wird das Hotel rekonstruiert.

Bild vergrößern (Hotel Avion)(Abbildung © Jan Dimog)
Entwurf: Bohuslav Fuchs, Fertigstellung: 1939

Bahnhofspost

Entwurf: Bohuslav Fuchs, Fertigstellung: 1939

Bild vergrößern (Bahnhofspost)(Abbildung © Jan Dimog)
Entwurf: Vladimír Karfík, Fertigtellung: 1931

Bat'a Einkaufszentrum

Entwurf: Vladimír Karfík, Fertigtellung: 1931

Bild vergrößern (Bat'a Einkaufszentrum)(Abbildung © Jan Dimog)
Karfík (1901–1996) zählt zu den wichtigsten Architekten der Tschechoslowakei, der u. a. auch das Hochhaus bzw. Haus Nr. 21 in Zlín entworfen hat.

Bata Shopping Centre

Karfík (1901–1996) zählt zu den wichtigsten Architekten der Tschechoslowakei, der u. a. auch das Hochhaus bzw. Haus Nr. 21 in Zlín entworfen hat.

Bild vergrößern (Bata Shopping Centre)(Abbildung © Jan Dimog)
Entwurf: Ernst Wiesner, Bohuslav Fuchs, Fertigstellung: 1930. Fuchs (1895–1972) war Architekt und Stadtplaner und einer der prägendsten Baumeister seiner Heimatstadt Brünn.

Mährische Bank

Entwurf: Ernst Wiesner, Bohuslav Fuchs, Fertigstellung: 1930. Fuchs (1895–1972) war Architekt und Stadtplaner und einer der prägendsten Baumeister seiner Heimatstadt Brünn.

Bild vergrößern (Mährische Bank)(Abbildung © Jan Dimog)
Entwurf: Josef Kranz, Fertigstellung: 1929. Die Funktionen im Haus sollten auch an der Fassade ablesbar sein. Das Lokal ist nur wenige Gehminuten von der Villa Tugendhat entfernt.

Café Era

Entwurf: Josef Kranz, Fertigstellung: 1929. Die Funktionen im Haus sollten auch an der Fassade ablesbar sein. Das Lokal ist nur wenige Gehminuten von der Villa Tugendhat entfernt.

Bild vergrößern (Café Era)(Abbildung © Jan Dimog)
Der gebürtige Brünner Franz (1901–1968) war auch im Büro von Bohuslav Fuchs beschäftigt. Für das Café liess sich Kranz von ...

Cafe Era

Der gebürtige Brünner Franz (1901–1968) war auch im Büro von Bohuslav Fuchs beschäftigt. Für das Café liess sich Kranz von ...

Bild vergrößern (Cafe Era)(Abbildung © Jan Dimog)
... der Kunst- und Architekturbewegung De Stijl in den Niederlanden inspirieren. Nach einer aufwendigen Restaurierung ist das Gebäude seit 2011 in Form und Funktion wieder das Ursprungscafé der 1930er-Jahre.

Cafe Era

... der Kunst- und Architekturbewegung De Stijl in den Niederlanden inspirieren. Nach einer aufwendigen Restaurierung ist das Gebäude seit 2011 in Form und Funktion wieder das Ursprungscafé der 1930er-Jahre.

Bild vergrößern (Cafe Era)(Abbildung © Jan Dimog)
Entwurf: Vladimir Fischer, Fertigstellung: 1915. Fischer (1870–1947) wirkte viele Jahre in Brünn, wo er auch als Dekan und Rektor an der Technischen Hochschule arbeitete.

Hotel Grandezza

Entwurf: Vladimir Fischer, Fertigstellung: 1915. Fischer (1870–1947) wirkte viele Jahre in Brünn, wo er auch als Dekan und Rektor an der Technischen Hochschule arbeitete.

Bild vergrößern (Hotel Grandezza)(Abbildung © Jan Dimog)
Das Gebäude war zunächst die Kyrill-und-Methodius-Vorschusskasse, bevor es für mehrere Jahre grundsaniert und als Boutiquehotel eröffnet wurde.

Hotel Grandezza

Das Gebäude war zunächst die Kyrill-und-Methodius-Vorschusskasse, bevor es für mehrere Jahre grundsaniert und als Boutiquehotel eröffnet wurde.

Bild vergrößern (Hotel Grandezza)(Abbildung © Jan Dimog)

Unsere redaktionell unabhängige Recherchereise wurde organisiert und ermöglicht durch die Tschechische Zentrale für Tourismus – CzechTourism und von TIC BRNO.

Brno, dt.: Brünn

Kreisstadt mit 230 Quadratkilometern Fläche in Südmähren und mit knapp 400.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Tschechischen Republik. Zwischen 70.000–80.000 Studierende an sechs Hochschulen. Die Messestadt mit mehreren Dutzend Ausstellungen im Jahr ist ein für das Land wichtiges Zentrum für Wissenschaft, Forschung und Innovationen. Die UNESCO verlieht Brno den Titel UNESCO Stadt der Musik. Die Villa Tugendhat ist das einzige Denkmal moderner Architektur in der Tschechischen Repubik, das in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes eingetragen ist. Zugleich gilt Brno als Stadt des Funkionalismus mit mehreren gut erhaltenen Bauten zwischen den 1920er- und 1950er-Jahren. Anreise: es gibt täglich mehrere Zugverbindungen Prag-Brno sowie Zug- und Busverbindungen Wien-Brno mit Fahrtzeiten zwischen 2 1/2–3 Stunden.

Funktionalismus

"Form follows function": die Form eines Gebäudes oder eines Gegenstandes leitet sich von seiner Funktion ab. Der amerikanische Architekt Louis Sullivan (1856–1924) prägte den Ausspruch wonach ästhetische Gestaltungsprinzipien in der Architektur und im Design hinter den Zweck des Gebäudes oder des Gerätes zurücktreten. Die Theorie des Funktionalismus reicht bis ins 19. Jahrhundert und wird mit der Gründung des Deutschen Werkbundes als Gestaltungsweise unter den Begriffen Neues Bauen, Bauhaus und Neue Sachlichkeit wichtig und bestimmend. Merkmale sind Flachdächer, klare Linien, lichtdurchflutete Innenbereiche und die Einbindung neuester technischer Errungenschaften. Anschaulichstes Beispiel in Brünn ist die Villa Tugendhat, entworfen von Mies van der Rohe und Lilly Reich. Das Gebäude ist seit 2001 UNESCO Weltkulturerbe. Ende des 19. Jahrhunderts gehörte Brünn zu den bedeutendsten Industriezentren der Habsburger Monarchie. Ab Ende des 19. Jahrhunderts bis 1916 wurde vor allem Brünns Zentrum umfassend neu gestaltet in dessen Folge mehrere hundert Häuser abgerissen wurden. Funktionalistische Architektur gibt es vor allem im Zentrum mit mehreren sehr gut erhaltenen bzw. restaurierten Bauten wie das Zeman Café und das Avion Hotel von Bohuslav Fuchs, einem der wichtigsten Baumeister der Tschechoslowakei, das Café Era (Josef Kranz, ein Bohuslav Fuchs-Mitarbeiter), die Mährische Bank (Fuchs und Ernst Wiesner, der Planer der Villa Stiassni), das Bat’a Einkaufszentrum von Vladimir Karfík (einem der Architekten der Bat’a-Bauten in Zlín) und weiteren. Die 1928 fertiggestellten Messebauten von Josef Kalous und J. Valenta wurden nach Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut.

VIlla Tugendhat

Černopolní 45, 61300 Brno. März–Dezember Di.–So. 10–18 Uhr, Januar-Februar Mi.–So. 9–17 Uhr. Aufgrund des großen Interesses sind Führungen durch das Haus nicht spontan möglich und sollten 3–4 Monate im Voraus gebucht werden. Es gibt zwei Führungen: die Basis-Tour dauert 60 Minuten (Villa und Garten), in der ausgedehnten Tour mit 90 Minuten werden zusätzlich noch die Technikräume besucht. Der kostenpflichtige Zugang zum Garten erfolgt ohne Führung und gilt als Tagesticket.

Villa Stiassni

Hroznová 14, 603 00 Brno-Pisárky. Das Haus ist von Fr.–So. von 10–17 Uhr geöffnet mit Sonderöffnungen, siehe Website der Villa. Wir empfehlen die Buchung einer Führung mehrere Monate vorab zu buchen.

Villa Löw-Beer

Drobného 22, 602 00 Brno. Dauerausstellung: Di.–So. von 10–16 Uhr. Der Zugang zum Garten ist kostenlos und tägl. von 10–18 Uhr, von November–März von 10–16 Uhr geöffnet.

Villa Jurkovič

Jana Nečase 2, 616 00 Brno-Žabovřesky. Die Kernöffnungszeiten sind in der Regel Di.–So. 10–12 und 12.30–16 Uhr mit kürzeren Zeiten im Winter, siehe Website der Villa. Eine Führung durch das Haus wird empfohlen und sollte mindestens eine Woche vorab angefragt werden.

Café Era

Zemědělská 1686/30, 613 00 Brno. Täglich geöffnet von 10–21 Uhr

Hotel Grandezza

Zelný trh 314/2, 602 00 Brno-střed. Das Nobelhotel am Krautmarkt ist eines der Vorzeigehotels der Stadt und zudem an einem der schönsten Plätze gelegen. THE LINK-Redakteur Jan Dimog hat hier während seines Aufenthaltes übernachtet und empfiehlt Brünnbesuchern das Gleiche zu machen.

Weitere Informationen zu den im Text besprochenen Häusern: https://www.gotobrno.cz/de/