Architekturüberraschungen an der Weichsel –  Skyline mit Stachel

Horizonterweiterungen in der polnischen Hauptstadt..

Skyline mit Stachel

Polen | 

Kaum eine Ecke der Stadt, von der aus er nicht zu sehen wäre. Der Kulturpalast, nach wie vor Polens höchstes Gebäude, stemmt seine Baumasse auf über 230 Meter Höhe. Als "Stalins Stachel" empfanden viele Warschauer in den vier Jahrzehnten kommunistischer Herrschaft das kolossale Gebäude, das die Sowjets in einer Rekordzeit von drei Jahren bis 1955 errichten ließen. Sie setzten damit ihr Zeichen in einer zu über achtzig Prozent durch die Nazis zerstörten Metropole, in der die Polen selbst zuvor ihre Altstadt wieder errichtet hatten.
Inzwischen ist der Umgang mit diesem Hauptwerk des Sozialistischen Klassizismus gelassener. Mehr als dreitausend Räume haben hier Platz: Kongresshallen, Kinos, Theater und Museen, die selbst schon wieder museal wirken, Büros für etablierte Firmen und junge Kreative, Restaurants, ein Schwimmbad, ein Jugendzentrum und ein Kasino. Das alles prachtvoll verziert und ausgeleuchtet.
Das Beste aber ist der Rundumblick im dreißigsten Stock. Was immer in Warschau gebaut wurde oder gerade entsteht, lässt sich von hier erfassen: der Boom an Hochhäusern in unmittelbarer Nähe des Kulturpalastes, der Riegel sozialistischer Bauten entlang der zentralen Achse der Marszalkowska-Straße, die Altstadt an der Weichsel oder ein Juwel wie die neue Universitätsbibliothek mit ihrem einladenden Dachgarten.

Nach dem Abgang der Kommunisten gab es viele, die den Abriss forderten, aber seit 2007 ist der Kulturpalast staatlich geschützt. Schon dreißig Jahre zuvor gaben die Stones hier ihr einziges Konzert im Ostblock, und inzwischen erfreut er sich bei den Jüngeren wachsender Beliebtheit.

Nationales Kulturerbe

Nach dem Abgang der Kommunisten gab es viele, die den Abriss forderten, aber seit 2007 ist der Kulturpalast staatlich geschützt. Schon dreißig Jahre zuvor gaben die Stones hier ihr einziges Konzert im Ostblock, und inzwischen erfreut er sich bei den Jüngeren wachsender Beliebtheit.

Bild vergrößern (Nationales Kulturerbe)(Abbildung © Ludwig Moos)
Das Areal, auf dem sich der Kulturpalast erhebt, war Teil des jüdischen Ghettos, in dem die Deutschen bis zu 380 000 Menschen vor dem Abtransport in die Vernichtungslager zusammen pferchten. Im April 1943 wagten einige den Aufstand, danach wurde der Stadtteil dem Erdboden gleich gemacht.

Erinnerungsträchtiger Boden

Das Areal, auf dem sich der Kulturpalast erhebt, war Teil des jüdischen Ghettos, in dem die Deutschen bis zu 380 000 Menschen vor dem Abtransport in die Vernichtungslager zusammen pferchten. Im April 1943 wagten einige den Aufstand, danach wurde der Stadtteil dem Erdboden gleich gemacht.

Bild vergrößern (Erinnerungsträchtiger Boden)(Abbildung © Ludwig Moos)
Für Meetings, Events und Aufführungen, für alle Spielarten von Kunst und Kommerz hält der Kulturpalast in vierzig Räumen rund neuntausend Plätze bereit, ein knappes Drittel allein im Kongresszentrum, das die Parteitage der Kommunisten ebenso gesehen hat wie Marlene Dietrich oder die Auslosung für die Fußball-Europameisterschaft 2012.

Räume für alle.

Für Meetings, Events und Aufführungen, für alle Spielarten von Kunst und Kommerz hält der Kulturpalast in vierzig Räumen rund neuntausend Plätze bereit, ein knappes Drittel allein im Kongresszentrum, das die Parteitage der Kommunisten ebenso gesehen hat wie Marlene Dietrich oder die Auslosung für die Fußball-Europameisterschaft 2012.

Bild vergrößern (Räume für alle.)(Abbildung © Ludwig Moos)
An Ausstattung wurde im Innern nicht gespart und auch die äußere Hülle aus Sandstein und Keramikplatten, über einem mit vierzig Millionen Ziegelsteinen verfüllten Stahlskelett, ist gut über die Zeiten gekommen.

Stuck, Marmor und schwere Lüster

An Ausstattung wurde im Innern nicht gespart und auch die äußere Hülle aus Sandstein und Keramikplatten, über einem mit vierzig Millionen Ziegelsteinen verfüllten Stahlskelett, ist gut über die Zeiten gekommen.

Bild vergrößern (Stuck, Marmor und schwere Lüster)(Abbildung © Ludwig Moos)
Nirgendwo sonst hat man die Stadt besser im Blick als vom dreißigsten Stock des Kulturpalastes. Schautafeln entlang der Aussichtsplattform machen deutlich, wie sich Warschau nach dem Desaster des Weltkrieges wieder erhebt.

Nach allen Seiten offen.

Nirgendwo sonst hat man die Stadt besser im Blick als vom dreißigsten Stock des Kulturpalastes. Schautafeln entlang der Aussichtsplattform machen deutlich, wie sich Warschau nach dem Desaster des Weltkrieges wieder erhebt.

Bild vergrößern (Nach allen Seiten offen.)(Abbildung © Ludwig Moos)
Westlich des Kulturpalastes, in einem weiten Bogen um den neuen Bahnhof Centralna, türmen sich die Hochhäuser. Das segelförmige Zlota 44 aus der Hand des gebürtigen Polen Daniel Libeskind bringt es mit seinen Apartments für Reiche und Berühmte wie Robert Lewandowsky schon auf 190 Meter. Den Kulturpalast endgültig unter sich lassen wird mit über 300 Metern der Varso Tower, dessen Bau nach dem Entwurf von Norman Foster begonnen hat.

Kapitalistische Skyline

Westlich des Kulturpalastes, in einem weiten Bogen um den neuen Bahnhof Centralna, türmen sich die Hochhäuser. Das segelförmige Zlota 44 aus der Hand des gebürtigen Polen Daniel Libeskind bringt es mit seinen Apartments für Reiche und Berühmte wie Robert Lewandowsky schon auf 190 Meter. Den Kulturpalast endgültig unter sich lassen wird mit über 300 Metern der Varso Tower, dessen Bau nach dem Entwurf von Norman Foster begonnen hat.

Bild vergrößern (Kapitalistische Skyline)(Abbildung © Ludwig Moos)
Richtung Norden wartet am Ufer der Weichsel unter roten Ziegeldächern ein Stück Weltkulturerbe. Polnische Restauratoren und Bauarbeiter haben sich diese Auszeichnung der Unesco durch ihre Sorgfalt beim Wiederaufbau der Altstadt bis 1955 verdient. Rechts davor, neben dem weißen Koloss des Nationaltheaters samt Oper, hat Norman Foster mit dem Metropolitan seinen ersten Beitrag zur Stadtreparatur in Warschau geleistet.

Neue Altstadt

Richtung Norden wartet am Ufer der Weichsel unter roten Ziegeldächern ein Stück Weltkulturerbe. Polnische Restauratoren und Bauarbeiter haben sich diese Auszeichnung der Unesco durch ihre Sorgfalt beim Wiederaufbau der Altstadt bis 1955 verdient. Rechts davor, neben dem weißen Koloss des Nationaltheaters samt Oper, hat Norman Foster mit dem Metropolitan seinen ersten Beitrag zur Stadtreparatur in Warschau geleistet.

Bild vergrößern (Neue Altstadt)(Abbildung © Ludwig Moos)
Entlang der Marszalkowska, die am Plac Defilad, dem Aufmarschplatz vor dem Kulturpalast, vorbei führt, haben die kommunistischen Machthaber ähnlich wie in der Berliner Karl-Marx-Allee ohne Rücksicht auf die Kosten für über 20000 Menschen eine frühe Vision vom Wohnen der Arbeiterklasse verwirklicht.

Sozialistische Achse

Entlang der Marszalkowska, die am Plac Defilad, dem Aufmarschplatz vor dem Kulturpalast, vorbei führt, haben die kommunistischen Machthaber ähnlich wie in der Berliner Karl-Marx-Allee ohne Rücksicht auf die Kosten für über 20000 Menschen eine frühe Vision vom Wohnen der Arbeiterklasse verwirklicht.

Bild vergrößern (Sozialistische Achse)(Abbildung © Ludwig Moos)
In die großzügig bemessenen Räume in den Erdgeschossen der sozialistischen Wohnblocks rund um den Plac Konstytucij sind längst moderne Läden eingezogen. So das Restaurant Varso Vie mit seinem minimalistischen Design und der zeitgemäßen polnischen Küche.

Wandel im Arbeiterpalast

In die großzügig bemessenen Räume in den Erdgeschossen der sozialistischen Wohnblocks rund um den Plac Konstytucij sind längst moderne Läden eingezogen. So das Restaurant Varso Vie mit seinem minimalistischen Design und der zeitgemäßen polnischen Küche.

Bild vergrößern (Wandel im Arbeiterpalast)(Abbildung © Ludwig Moos)

Vom Kulturpalast zum Wissenschaftszentrum Kopernikus und zur Universitätsbibliothek nach nur zwei U-Bahnstationen.

Zwei Stationen braucht die Linie Zwei der Metro vom Kulturpalast bis zur Weichsel. Oberhalb und unterhalb der Świętokrzyski-Brücke ist über einem Tunnel für den Autoverkehr eine Parklandschaft mit zwei bemerkenswerten Bauten entstanden: dem Wissenschaftszentrum Kopernikus und der Universitätsbibliothek.

Wiederbelebte Uferzone.

Zwei Stationen braucht die Linie Zwei der Metro vom Kulturpalast bis zur Weichsel. Oberhalb und unterhalb der Świętokrzyski-Brücke ist über einem Tunnel für den Autoverkehr eine Parklandschaft mit zwei bemerkenswerten Bauten entstanden: dem Wissenschaftszentrum Kopernikus und der Universitätsbibliothek.

Bild vergrößern (Wiederbelebte Uferzone.)(Abbildung © Ludwig Moos)
Das Centrum Nauki Kopernik bietet seit 2010 mit modernster Museumsdidaktik einen interaktiven Zugang zu den Naturwissenschaften. Der ambitionierte Bau des polnischen Architekten Jan Kubec kostete siebzig Millionen Euro, zu zwei Dritteln finanziert aus EU-Töpfen.

Das Centrum Nauki Kopernik bietet seit 2010 mit modernster Museumsdidaktik einen interaktiven Zugang zu den Naturwissenschaften. Der ambitionierte Bau des polnischen Architekten Jan Kubec kostete siebzig Millionen Euro, zu zwei Dritteln finanziert aus EU-Töpfen.

Bild vergrößern ()(Abbildung © Ludwig Moos)
Eine verglaste Passage mit Läden und Lokalen lädt seit 1999 in Warschaus neue Unibibliothek ein. Der großzügige Bau der Architekten Marek Budzyński und Zbigniew Badowski bietet Platz für drei Millionen Werke, besticht vor allem aber durch seine Einbettung in eine üppige Gartenanlage.

Anziehende Architektur

Eine verglaste Passage mit Läden und Lokalen lädt seit 1999 in Warschaus neue Unibibliothek ein. Der großzügige Bau der Architekten Marek Budzyński und Zbigniew Badowski bietet Platz für drei Millionen Werke, besticht vor allem aber durch seine Einbettung in eine üppige Gartenanlage.

Bild vergrößern (Anziehende Architektur)(Abbildung © Ludwig Moos)
Pflanzen ziehen sich die meisten Außenwände der Universitätsbibliothek hoch.

Grüne Wände

Pflanzen ziehen sich die meisten Außenwände der Universitätsbibliothek hoch.

Bild vergrößern (Grüne Wände)(Abbildung © Ludwig Moos)
Auf 17000 Quadratmetern hat die polnische Landschaftsarchitektin Irena Bajerska einen Park angelegt, davon 2000 Quadratmeter als Dachgarten. Eine Kaskade und ein Wasserlauf verbinden die beiden Ebenen.

Urbane Oase

Auf 17000 Quadratmetern hat die polnische Landschaftsarchitektin Irena Bajerska einen Park angelegt, davon 2000 Quadratmeter als Dachgarten. Eine Kaskade und ein Wasserlauf verbinden die beiden Ebenen.

Bild vergrößern (Urbane Oase)(Abbildung © Ludwig Moos)
Pumpen sorgen für einen steten Kreislauf des Wassers.

Ausgefeilte Technik

Pumpen sorgen für einen steten Kreislauf des Wassers.

Bild vergrößern (Ausgefeilte Technik)(Abbildung © Ludwig Moos)
Der botanische Garten ist einer der größten Dachgärten in Europa und nur über eine Treppenanlage erreichbar.

Großgarten

Der botanische Garten ist einer der größten Dachgärten in Europa und nur über eine Treppenanlage erreichbar.

Bild vergrößern (Großgarten)(Abbildung © Ludwig Moos)
Die obere Ebene bietet mit ihrer Pflanzenfülle lauschige Plätze und erlaubt überdies Einblicke in konstruktive Details.

Blick von oben

Die obere Ebene bietet mit ihrer Pflanzenfülle lauschige Plätze und erlaubt überdies Einblicke in konstruktive Details.

Bild vergrößern (Blick von oben)(Abbildung © Ludwig Moos)
In den vier Sektoren des Dachgartens, verbunden durch Brücken und Stege, herrschen unterschiedliche Farben vor. Und die Wahl des Hintergrundes, hier die Altstadt, wird jedem Anlass gerecht.

Perfektes Setting

In den vier Sektoren des Dachgartens, verbunden durch Brücken und Stege, herrschen unterschiedliche Farben vor. Und die Wahl des Hintergrundes, hier die Altstadt, wird jedem Anlass gerecht.

Bild vergrößern (Perfektes Setting)(Abbildung © Ludwig Moos)
Wie auch immer die Stadt sich noch verändern wird, welche Bauten neben dem Kulturpalast die Skyline bestimmen werden – vom Dachgarten der Unibibliothek lässt es sich gelassen betrachten.

Warschauer Horizonte

Wie auch immer die Stadt sich noch verändern wird, welche Bauten neben dem Kulturpalast die Skyline bestimmen werden – vom Dachgarten der Unibibliothek lässt es sich gelassen betrachten.

Bild vergrößern (Warschauer Horizonte)(Abbildung © Ludwig Moos)

Palast der Kultur und Wissenschaft (Pałac Kultury i Nauki, PKiN)

Geplant von Lew Wladimirowitsch Rudnew, am 22. Juli 1955 eingeweiht. Inklusive der vergoldeten Nadel an der Spitze: 230, 68 Meter Höhe. Die Aussichtsterrasse im 30. Geschoss gehört zum obligatorischen Programm jeder Warschaureise. Die Terrasse ist täglich von 10–20 Uhr geöffnet. Weitere Infos siehe Website.

Universitätsbibliothek Warschau (Biblioteka Uniwersytecka w Warszawie)

Eine Bücher- und Zeitschriftensammlung, 1816 für die Lehrenden und Studierenden der Universität Warschau gegründet. Nach einer Gebäudenutzung auf dem Universitätscampus erhielt die Einrichtung einen Neubau, der im Stadtteil Powiśle nach Plänen von Architekten Marek Budzyński und Zbigniew Badowski errichtet und 1999 eingeweiht wurde. Das Gebäude besteht aus einem vierstöckigen Hauptblock und einem niedrigen Frontgebäude mit einer dazwischenliegenden Passage. Auf dem Dach wurde nach Plänen der Landschaftsarchitektin Irena Bajerska ein botanischer Garten mit einer Fläche von 1,5 ha angelegt und am 12. Juni 2002 eröffnet. Es ist einer der größten Dachgärten in Europa.

Kopernikus Wissenschaftszentrum (Centrum Nauki Kopernik)

Ein nach Nikolaus Kopernikus benannter Gebäudekomplex am westlichen Weichselufer und der Förderung des Wissens gewidmet. 2010 eröffnet und nach den Plänen des Architektenteams „RAr-2 Laboratorium Architektury“ Gilner + Kubec gebaut. Die Besucher können selbständig Experimente durchführen, die die Grundgesetze der Naturwissenschaften erklären. Das Zentrum ist ein gemeinschaftliches Vorhaben der Hauptstadt Warschau, des Ministeriums für Wissenschaft und Hochschulwesen sowie des Ministeriums für Nationales Schulwesen. Öffnungszeiten: siehe Website.