Antwerpen Centraal:
einer der schönsten Bahnhöfe der Welt – Contemporary Central
Am besten man fährt unten ein, Gleis 21 oder 22. Dann kommt dieser Ausblick nach dem Ausstieg. Pure Perspektivendramatik. Dieser Bahnhof spielt mit Blickrichtungen, Achsen und Durchsichten, mit Schluchten, Zwischenebenen und Effekten. Und er lässt Historie und Zeitgenössisches nicht aufeinanderprallen, sondern gibt beiden Raum und fügt sie zusammen, ohne eine angestrengte Melange herbeizuführen. Beide Bereiche, der eklektizistische Bombast mit der pompösen Bahnhofshalle aus dem Jahre 1905 und die Erweiterung von 2009, sind symbiotisch. Die Geschichte kann nicht ohne die Gegenwart und umgekehrt. Der Erhalt des berühmten Bahnhofs war ebenso essentiell wie die Anbindung an das Hochgeschwindigkeitsnetz. Die Lösung des Genter Architekten Jacques Voncke: ein Kopfbahnhof mit Tunneldurchfahrt. Die Planungen und die anschließende Umsetzung für die Modernisierung und Erweiterung dauerten ein Jahrzehnt und kosteten 775 Millionen Euro. Sie gaben dem Bahnhof in den Ebenen -2 und -1 insgesamt acht weitere Gleise. Doch selbst im „Tal“ gewährt die Schlucht den Reisenden Tageslicht. Denn das 46 Meter hohe Glasdach der Gleishalle überspannt auch dieses Atrium mit der 20 Meter-Tiefe und lenkt den Blick gen historische Empfangshalle. Diese Bezüge passen insofern, als das Voncke es nicht mit der Formsprache des 20. Jahrhunderts aufnehmen wollte. Im Gegenteil, seine Antworten sind zeitgenössisch: Beton, Backstein, Industrielook, Lichtinszenierung. Es sind Materialien, Kontraste, Effekte und damit Aussagen, die den alten, ehrwürdigen Hauptbahnhof von Antwerpen zum Contemporary Central machen.
Jacques Voncke
Belgischer Architekt, der an der Universität Gent Architektur studiert hat. Zu seinen wichtigsten Projekten zählen der Umbau von Antwerpen Centraal und die Erweiterungen des Bahnhofkomplexes Gent-Sint-Pieters.
Antwerpen Centraal
Koordinaten: ♁51° 13' 2,1" N, 4° 25' 15,6" O, Adresse: Koningin Astridplein, 2018 Antwerpen.
THE LINK Tipp
Den Weg durch die Ebenen – von der historischen Bahnhofshalle bis zur Moderne der Ebenen -1 und -2 und umgekehrt, als Gang durch die (Architektur)Epochen verstehen – und als Spiel der Perspektiven. Zeit einplanen, schließlich gibt es mehrere gute Aus- und Einblicke.