Entspannt, vielfältig, kunstsinnig:
der Stadtteil Gazi – Gazi-Gelassenheit
Am besten man fährt zweimal nach hierhin. Mit der Metrolinie 3 bis zur Station Keramikos sind es vom zentralen Syntagma-Platz etwa 15 Minuten. Zweimal? Ja, denn Gazi hat zwei Gesichter. Mindestens. Tagsüber ist das Areal rund um Keramikos athenische Entspannung pur. Zahlreiche Cafés, Bars und Restaurants gruppieren sich rund um den Metrobahnhof, weitere gibt es in den vom Platz abgehenden Gassen und Straßen. Ebenfalls unmittelbar an der Station sind die auffälligen Bauten von Technopolis, das Gaswerk von Athen von 1862 bis 1984. Nach mehrjährigen Umbauarbeiten wurde die Gasfabrik in das jetzt 30.000 Quadratmeter große Kulturzentrum verwandelt. Seit der Eröffnung 1999 befinden sich auf dem Gelände ein Industriemuseum, Clubs, Bars und Restaurants. Ähnlich wie z. B. die Sanierung und Umwandlung der jetzigen Industriearchitektur-Denkmäler Kulturbrauerei in Berlin oder Zeche Carl in Essen ist Athen hier ebenfalls eine Transformation eines Industrieareals in eine Wissen- und Kulturfabrik des 21. Jahrhunderts gelungen. Gleichzeitig war damit der Transformationwettlauf des Arme Leute-Viertels um die besten Häuser, Bauflächen und Brachen eröffnet.
Ausdruck der Gazi-Verwandlung ist Kultur, Kunst und Architektur. Das sieht man an Gebäuden, die sich der modernen, zeitgenössischen Architektursprache verschreiben, an der Vitalität der Straßenkunstszene und dem Neuen Benaki-Museum an der vielbefahrenen Pireos-Straße Nr. 138 einige Gehminuten von Keramikos entfernt. Das Benaki-Museum in der Villa Benakis unweit des Syntagma-Platzes an der Königin-Sofia-Avenue ist das größte private Museum und das einzige Haus des Landes, das Besucher durch alle Epochen der griechischen Kultur und Geschichte führt. Neben der Villa wurden mehrere Dependancen eröffnet. Das Neue Benaki-Museum ist ein ehemaliges Fabrikgebäude, das nach einem Umbau Sonderausstellungen griechischer und internationaler moderner Kunst zeigt.
Kunst, Stadt- und Subkultur und kreative Energie ist das eingangs erwähnte erste Gesicht Gazis. Hier sind es vor allem die zahlreichen Streetart-Werke wie z. B. die von INO. Der Athener hat Kunst studiert und arbeitet als freiberuflicher Visual Artist im In- und Ausland, oft auch auf Kunstfestivals. Sein Markenzeichen sind großflächige Wandbilder mit doppeldeutigen, auch politisch-kritischen Inhalten. So hat er in diesem Frühjahr ein Wandgemälde im Parlament von Nicosia, Zypern, fertiggestellt, das Solon und Perikles zeigt. Es ist das erste zeitgenössische Bild dieser Art in einer Volksvertretung. Die Augen der griechischen Staatsmänner der Antike hat INO verdeckt, damit diese nicht sehen für welche Form von Demokratie ihre Ideen heutzutage verwendet – oder missbraucht – werden. Je nach Standpunkt des Betrachters.
Das zweite Gazi zeigt sich am Abend und ab Mitternacht. Dann begegnet einem das andere Aussehen: es sind die Ausgeh-Outfits der Partygänger, geschminkt oder alternativ, stylisch oder betont lässig. Musikalisch stampft, poppt und rockt es auf griechisch und englisch. Egal, Hauptsache, es hat dieses bestimmte gelassene Gazi-Gefühl.
LINK-Tipp 1
Gazi (sprich "Gahsi") ist etwa 15 Minuten Metrobahnfahrt vom zentralen Syntagma-Platz entfernt. Wer einen Stadtteil im Wandel mit einer lebendigen Café-, Restaurant-, Club- und Kunstszene erleben möchte, sollte einige Stunden für Gazi einplanen. Definitiv ein anderes Gesicht Athens.
LINK-Tipp 2
Unser Gazi-Gang führte uns von den Lokalen rund um Keramikos entlang der vielbefahrenen Pireos zum Neuen Benaki-Museum. Wem der Rückweg zum Ausgangsbahnhof zu weit ist, kann auch zur Station Petralona und von dort entweder zurück in die Innenstadt oder gleich nach Piräus fahren.