Verbandsgebäude türkischer Bauunternehmer (TMB) – Smarte Geometrien
Gastbeitrag von Hakan Dağıstanlı.
2013 realisiert, brachten Avcı Architekten die ausgeklügelten Wünsche der Auslober mit ihrem kubistischen Entwurf zum Ausdruck. Ethik, Ökologie und Ökonomie bildeten die drei Grundpfeiler ihrer ganzheitlichen Vorplanung. Der innere Aufbau des LEED zertifizierten Gebäudes richtet sich hierarchisch – von halböffentlichen Räumen in den unteren Geschoßen hin zu den Verwaltungs- und privaten Seminarräumen in den oberen Stockwerken um eine Galerie, die über ein Glasdach in natürlicher Weise lichtgeflutet ist. Abgehängte hölzerne Lamellen entlang der hohen Decken dienen den Meetingräumen, amorph in Szene gesetzt, dabei als Schallschutz und runden das Raumbild im Stil preußischer Kappendecken ab.
Celebrate the circulation
Betonte Vertikale? Avcı Architekten scheuten keinen Kompromiss: Das offene Treppenhaus mit gläserner Brüstung innerhalb der Galerie könnte alleinstehend ebenso auch als Kunst am Bau wahrgenommen werden. Klassische Büroeinheiten sind dabei mit den Erfordernissen eines Verbandsgebäudes harmonisch in einem interagierenden Raumprogramm untergebracht.
Mehr als nur ein Baukörper
Die aufeinandergestapelten Geometrien setzen sich zu einem kubistischen Konglomerat zusammen und bilden einen in sich verschobenen Baukörper. Die durchlässigen Fassaden ermöglichen besonders in den Abendstunden von außen weitestgehende Einsichten in das Gebäude hinein und symbolisieren die berufliche Transparenz und Lauterkeit des Verbands. Vorgespannte Metallnetze entlang der Ansichten dienen als Sonnenblende ohne dabei Sichtbeziehungen zu beeinträchtigen. Ein schöner Nebeneffekt: Tagsüber scheint das Gebäude aus einem Guss zu sein, störende Fassadenelemente und Fallrohre wird man vergebens suchen.
Alt auf neu gemacht
Altbekannt und dennoch in Vergessenheit geraten stellt das Heiz,- und Kühlsystem des Gebäudes eine Einzigartigkeit in der hiesigen Baukultur dar. An persische Windtürme angelehnt, macht sie sich die regional bedingten hohen Temperaturunterschiede Ankaras zwischen Tag und Nacht mit einem durchdachten System zu Nutze. Dabei wird die kühle Nachtluft in einem labyrinthartigen Kriechkeller unterhalb der Tiefgarage gespeichert und tagsüber vollautomatisch wieder in das Gebäude eingespeist. Poröser Kalkstein und rustizierte Versprünge erhöhen die Oberflächenstruktur der Kellerwände und sorgen für größtmögliche Speicherkapazitäten. Somit dient die gespeicherte Luft in den Sommermonaten zu Kühl,- und im Winter zu Heizzwecken. Weitere Temperaturdifferenzen werden durch Konvektoren mit minimalem Aufwand angeglichen –energieeffizient und ganz ohne Klimaanlagen. Vorbildlich? Ja, und wieder ja.
Adresse
Birlik Mahallesi, Doğukent Bulvarı 447, 06610 Ankara
Lage
39.8737592N, 32.8763509E
Avcı Mimarlık
1989 von Selçuk Avcı und Sanja Jurca Avcı in London gegründet, bilden Nachhaltigkeit und Ergonomie markante Merkmale ihrer ganzheitlichen Entwürfe der Bürobauten mehrheitlich für den privaten Sektor. Neben dem Hauptsitz in London befinden sich ihre Zweigstellen und ortsansässigen Partner in Istanbul und Ljubljana.
Hakan Dağıstanlı
Jahrgang 1981, geboren in Ulm, Architekt B.A. Hat an der Hochschule Biberach studiert. Wohnt und lebt in Berlin. In diesem Jahr erscheint sein "Architekturführer Ankara" (bei DOM publishers).