Deutsch-französischer Zweikampf im Bröhan-Museum Berlin – Stilduell
Rücken an Rücken steht sich das ungleiche Paar am Anfang der Ausstellung gegenüber. Zwei Möbel als Metapher zweier Nationen. Bereit, sich dem Duell der Stile zu stellen. Klar und sachlich das eine, edel und elegant das andere. Das Duell der beiden Nationen wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur auf den Schlachtfeldern ausgetragen. Auch in Stilfragen, den Lebensentwürfen, in Kunst und Kultur bekämpften und befruchteten sich beide Länder mit aller Leidenschaft. Diesem Stilduell ist die Ausstellung "Deutschland gegen Frankreich – Der Kampf um den Stil" im Charlottenburger Bröhan-Museum gewidmet.
Seit der Kunsthistoriker Tobias Hoffmann die Leitung des Bröhan-Museums 2013 übernommen hat, entwickelt er mit seinem Team Ausstellungskonzeptionen konsequent über den klassischen Jugendstil hinaus. Der junge Direktor weitet den Blick in das gesamte 20. Jahrhundert. Mit vorangegangenen Schauen wie etwa "Jugendstil meets Punk" oder "Schrill Bizarr Brachial. Das Neue Deutsche Design der 80er Jahre" hat er dem zuvor etwas angestaubten Landesmuseum auch über die Berliner Grenzen hinaus Gehör verschafft. Vorbei sind die Zeiten, in denen grelle Wandfarben den Exponaten die Show stahlen und sich wertvolle Werke dicht drängten. Heute wirkt das Haus luftig und leicht, nimmt sich zurück und gibt der außergewöhnlichen Sammlung ausreichend Raum. Immerhin verfügt das Museum mit rund 15.000 Objekten über eine der weltweit umfangreichsten Sammlungen seiner Art. Zu den Schwerpunkten zählen Arbeiten des französischen und belgischen Art nouveau, des deutschen und skandinavischen Jugendstils sowie Ensembles des französischen Art déco. Karl-Heinz Bröhan legte mit seiner Privatsammlung in den 1960er Jahren den Grundstock für die einzigartige Sammlung. Sie beschränkt sich ausdrücklich auf die Zeit zwischen 1889 und 1939.
Jetzt also "Deutschland gegen Frankreich". Die derzeitige Ausstellung vereint lange archivierte Stücke aus der museumseigenen Sammlung mit Neuerwerbungen, Schenkungen und Leihgaben. In dieser konzentrierten Komposition wird erst fassbar, wie unglaublich produktiv und kraftvoll das Schaffen dieser Periode war. Dreißig Jahre, in denen sich beide Nationen kritisch, manchmal despektierlich oder auch staunend betrachteten, treten in dieser wunderbaren Ausstellung in ein lehrreiches Stilduell.
Plakativ unterstreichen sie den bissigen und spöttischen Wettstreit der beiden Nationen.
Gleich zu Beginn entführt die "École de Nancy" in die Vielfalt der heimischen Pflanzenwelt. Da funkelt es rot und gelb. Fließt es in kühlem Blau und sprießt es in knackigem Grün. Ein gläsernes Blumenmeer ergießt sich in den Raum. Fast glaube ich, den Duft der zarten Blüten riechen zu können. Auch die Möbel sind floral durchdrungen. Überall rankt, schlingt und blüht es. Einige Stücke mussten eigens für die Ausstellung aufwendig aufgearbeitet werden. "Manche standen verdeckt und fast vergessen zwischen Bücherstapeln und Hausrat. Schicht für Schicht mussten die feinen Details wieder freigelegt werden", erfahre ich von Katleen Arthen. Als Szenografin ist sie seit einigen Jahren für das anspruchsvolle Ausstellungsdesign des Hauses verantwortlich. Auf Nancy folgt Paris mit Guimards geschwungenen Metro-Brüstungsgittern und eines seiner fabelhaften Möbel. Das Buffet im Stil des Art nouveau scheint beinahe lebendig in den Himmel zu streben. Äste treiben asymmetrisch aus dem Holz. Dem gegenüber der deutsche "klassische" Funktionalismus, die ästhetisch überhöhten Werke der Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe und der deutsche Jugendstil. Einer seiner wichtigsten Vertreter war der Berliner August Endell, dem gleich ein ganzer Raum gewidmet ist. Endell war unter anderem bei der Gestaltung der Hackeschen Höfe in Mitte beteiligt. Als sein Hauptwerk zählt die ornamentale Fassade des Fotoateliers Elvira in München, die bereits im Rahmen der mörderischen Kunstpolitik der Nationalsozialisten zerstört wurde. Die Schau zeigt erstmals eine großformatige, kolorierte Fotoreproduktion der Hausansicht. An den Wänden finden sich immer wieder Poster mit Zitaten. Plakativ unterstreichen sie den bissigen und spöttischen Wettstreit der beiden Nationen untereinander.
Der chronologische Rundgang führt im Erdgeschoss weiter über die industrielle Gestaltung und Künstlerkolonien in Deutschland bis hin zu den Ausstellungen "München 1908" und dem "Salon d'automne" (Herbstsalon) 1910 in Paris, bei denen der Wettstreit beider Nationen vorerst kulminierte. Vor Ausbruch des 1. Weltkriegs standen sich beide Nationen auch in Stilfragen unversöhnlich gegenüber.
Frankreich stand in den Zwanzigerjahren im Zeichen des Art déco. Der verschwenderische Luxus zeigt sich auch in den ausgestellten Exponaten. Da ist schon mal ein Möbel in Rochenhaut gehüllt. Aus den Kolonien kamen Elfenbein und Edelhölzer. In Deutschland ging es gleichzeitig etwas bescheidener, sachlich und funktional zur Sache. Stahlrohr- und Sperrholz wurden in Serie produziert und sollte für alle erschwinglich sein. Das Neue Frankfurt und das Bauhaus setzten damit andere Schwerpunkte, fanden mit Le Corbusier zwar einen späteren Schüler, stießen in Frankreich aber größtenteils auf Unverständnis. Erst mit der Gründung der Union des Artistes Modernes (UAM) unter der Leitung von Robert Mallet-Stevens entwickelte sich ab 1929 eine eigenständige, französisch geprägte Moderne.
Bröhan Museum
Das Bröhan-Museum ist ein international ausgerichtetes Spezial- und Epochenmuseum für Jugendstil, Art déco und Funktionalismus (1889–1939). Es präsentiert neben Objekten des Kunsthandwerks auch Werke der Bildenden Kunst. Möbel, Gedecke, Vasen, Bilder, Teppiche und Skulpturen werden in Raumensembles zusammengestellt. So entsteht ein authentischer Eindruck von den Wohnräumen des Jugendstil, Art déco oder Funktionalismus. Sammlungsschwerpunkte des Bröhan-Museums sind Arbeiten des französischen und belgischen Art nouveau, des deutschen und skandinavischen Jugendstils sowie Ensembles des französischen Art déco. Das Museum besitzt eine umfangreiche Porzellansammlung bedeutender Manufakturen sowie Metall- und Glasarbeiten, Keramiken, Silber, Möbel, Teppiche, Graphiken und Bilder wichtiger Künstler dieser Epochen. Mehrmals im Jahr finden Sonderausstellungen zu einzelnen Themen oder Künstlern statt. (Quelle: Visit Berlin)
"Deutschland gegen Frankreich – Der Kampf um den Stil"
Noch bis 11.09.2016. Schlossstr. 1a, 14059 Berlin
Lage
Breite 52.518865°, Länge 13.295343°
THE LINK Tipp
Im Museumsquartier rund ums Charlottenburger Schloss flaniert man französisch. Vorbild für Schloss und Park für Kurfürstin Sophie Charlotte war Versailles. In den vorgelagerten ehemaligen Kasernen der königlichen Garde sind Museen und Kunstsammlungen eingezogen. Neben dem Bröhan-Museum zeigt das Museum Berggruen Werke Paul Klees, französischer und wahl-französischer Künstler wie George Braques, Henri Matisse oder Pablo Picasso. Die Sammlung Scharf –Gerstenberg widmet sich dem Kubismus und Surrealismus. Beide fanden ihren Ausgang in Paris. Darunter Werke von René Magrittes und Max Ernst. Genau richtig für einen Berlin-Ausflug à la français.
Bröhan Museum
Schlossstraße 1a, 14059 Berlin, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10:00 bis 18:00 Uhr, an den Feiertagen geöffnet (außer 24.12., 31.12. und Pfingstmontag), Eintrittspreise: 8 €, ermäßigt 5 €
Museum Berggruen
Schlossstraße 1, 14059 Berlin, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, 10:00 bis 18:00 Uhr, Samstag und Sonntag 11:00 bis 18:00 Uhr, Montag geschlossen, Eintrittspreise: 10 €, ermäßigt 5 €
Sammlung Scharf-Gerstenberg
Schlossstraße 70, 14059 Berlin, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, 10:00 bis 18:00 Uhr, Samstag und Sonntag 11:00 bis 18:00 Uhr, Montag geschlossen, Eintrittspreise: 10 €, ermäßigt 5 €
Schloss Charlottenburg
Spandauer Damm 10, 14059 Berlin, Öffnungszeiten: Januar bis März: Dienstag bis Sonntag 10:00 bis 17:00 Uhr, April bis Oktober: 10:00 bis 18:00 Uhr, Eintrittspreise: 10 €, ermäßigt 7 €