High-Rise und drei andere Hochhaus-Filme –  Ultimative Ungetürme

Zum deutschen Filmstart der Hochhaus-Groteske High-Rise haben wir uns drei andere Turmtragödien in Erinnerung gerufen..

Ultimative Ungetürme

Deutschland | 

Filmplakat High-Rise

Bild vergrößern (Filmplakat High-Rise)(Abbildung © DCM)
Sagt Charlotte (Sienna Miller) zu Dr. Laing als sie diesen kennenlernt. Und so beginnt das Drama.

"Prachtexemplar"

Sagt Charlotte (Sienna Miller) zu Dr. Laing als sie diesen kennenlernt. Und so beginnt das Drama.

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Thront natürlich ganz oben und hat sich in die textile Antithese der Architektenkluft geworfen. Die ist ja bekanntlich schwarz.

Anthony Royal

Thront natürlich ganz oben und hat sich in die textile Antithese der Architektenkluft geworfen. Die ist ja bekanntlich schwarz.

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Frau Dekadenzia gleitet vorbei.

Der Aufgalopp

Frau Dekadenzia gleitet vorbei.

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Wohnt du schon oder brutalisierst du noch?

High-Rise

Wohnt du schon oder brutalisierst du noch?

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High-Rise von Ben Wheatley (Regie), Drehbuch: Amy Jump

Die Story

1975. Dr. Robert Laing (Tom Hiddleston) bezieht auf der Suche nach Anonymität sein neues Apartment in einem 40 Stockwerke-Wohnhaus. Dort trifft er auf Mitbewohner, die ihn in das komplexe soziale Gefüge hineinziehen. Während er seine Probleme damit hat, seinen Platz in dieser Gesellschaft zu finden, bekommen Laings gute Manieren und sein Verstand ebenso deutliche Risse wie das Gebäude selbst. Der Strom fällt aus, die Ordnung im Hochhaus kollabiert und damit schwindet auch jeglicher menschlicher Anstand.

Die Ästhetik

Siebzigerjahre-Plüsch und Flokatibarock trifft auf Science Fiction-Ästhetik des Disco-Zeitalters. Garniert mit kräftigem Brutalismus.

Die Architektur

Wie eine sich öffnende Hand wurden die fünf Wohnhochhäuser als Finger vom Architekten Anthony Royal (Jeremy Irons) konzipiert. Die westlich von London gelegene Hochhausstadt, in die Dr. Laing zieht, hat alles: Supermärkte, eine Schwimmhalle, Sportstätten mit Squashplätzen und auf dem Dach gedeiht eine Parkanlage mit der exzentrischen Architektenfrau, die sich unbedingt ein Pferd halten muss. Die Wohnung von Dr. Laing: groß, hohe Decken, großzügiger Balkon. Die Wohnungen der anderen Bewohner unterscheiden sich je nach Etage und Einkommen. Das Chaos der Menschen überträgt sich auf das Gebäude. Brände, Kämpfe und der Hass verstärken das Grobe und Abweisende. Die Finger-Türme scheinen sich zu einer brutalistischen Faust zu ballen, die die Menschen in ihrem Irrsinn gefangen hält.

THE LINK Fazit

Eine Filmorgie, die brachial irrlichtert und halluziniert und in der zweiten Hälfte komplett in Assoziationen, Wiederholungen, Metaphern abgleitet. Zugegeben, der Soundtrack-Wohlklang von Clint Mansell (Komponist der Filmmusik zu Moon, Requiem for a dream) und Portishead entschädigt.

Dredd von Pete Travis (Regie), Drehbuch: Alex Garland. 2012

Die Story

Mega City One – eine gigantische Metropole voller Gewalt, Chaos und Verbrechen inmitten des düsteren und zerfallenen Amerikas. Die Bewohner sind der neuen Droge Slo-Mo verfallen die sie die Realität in extremer Zeitlupe erleben lässt. Einzig und allein die "Judges" können gegen die Verbrechen in ihrer Stadt ankämpfen, nur sie haben die Macht als Richter und Vollstrecker für Recht und Ordnung zu sorgen. Dredd (Karl Urban), als oberster "Judge" gefürchtet, will die Stadt von ihren Plagen befreien. Zusammen mit seiner neuen Rekrutin, Cassandra Anderson (Olivia Thirlby), nimmt er den Kampf gegen Ma-Ma (Lena Headey, die hier mindestens so abscheulich ist wie in ihrer Rolle als Cersei Lannister in Game Of Thrones) auf, eine Drogenbaronin, die eiskalt über den größten Slum der Stadt herrscht. Als Dredd und Anderson einen Handlanger aus ihrem skrupellosen Clan zu fassen kriegen, entfacht Ma-Ma einen erbitterten Krieg, in dem sie vor nichts zurückschreckt, um ihr Imperium zu schützen.

Die Ästhetik

Klarer Fall von dystopischem Dreddismus. Gewalt und Action, Gefühle und Tod werden hier mittels Zeitlupenästhetik, Militaria-Minimalismus und harter, unmenschlicher Schwärze inszeniert. Aus diesem XXL-Alptraum-Turm mit seinen 200 Stockwerken gibt es kein Entrinnen.

Die Architektur

Nie passte Hightech-Brutalismus besser zu einer Inferno-Welt wie diese filmische Torre de David-Mutation. Dredds kernige Gesichtslosigkeit fügt sich gut in die futuristische Slum-Fiction.

THE LINK Fazit

Die aggressivsten Antagonisten, der erbarmungsloseste Enforcer, der ultimative Unturm: allein um zu bestaunen, dass sich das nicht in einer lächerlichen Fremdschäm-Pose verliert, lohnt die konzentrierten 95 Minuten.

The Raid, Regie und Drehbuch von Gareth Huw Evans. 2011

Die Story

Als neues Mitglied eines verdeckt operierenden Sondereinsatzkommandos soll Rama (Iko Uwais) einen Drogenbaron in dessen fünfzehnstöckigen Apartmentblock stellen. Doch die Führung der Eliteeinheit verfolgt ihre eigenen Ziele mit dem Einsatz, während der Kopf des Kartells, Tama (Ray Sahepaty), sich längst auf die Angreifer eingestellt hat. Die Operation der Cops fliegt auf, Chaos bricht in dem Gebäude aus. Die Jäger werden zu Gejagten, als Tama jedem Killer und Gangster lebenslange Unterkunft in dem Gebäude im Austausch für den Tod der Elitepolizisten verspricht. In brutalen Stellungskämpfen wird Ramas Truppe zunehmend dezimiert, bis nur noch wenige seiner Polizisten einer gegnerischen Übermacht gegenüberstehen. Er muss all seine kämpferischen Fähigkeiten einsetzen, um sich Etage für Etage, Raum um Raum zu kämpfen und um die Mission zu beenden.

Die Ästhetik

Ist so schmutzig und heruntergekommen, dass einem die drückende Luftfeuchtigkeit entgegenzuwabern scheint.

Die Architektur

Es gibt keine, höchstens als Turmheimsuchung. "30 Stockwerke Hölle" lautet der Werbeslogan. Mal abgesehen davon, dass im Film nur 15 Stockwerke gezeigt werden, ist in diesem Actionknochenbrecher eh alles multipliziert: die Verkommenheit und Klaustrophobie eines Wohnturms, das in der Tat eher eine Wohnhölle ist.

THE LINK Fazit

Sperre gute und böse Jungs in ein Gebäude und lass sie gegeneinander kämpfen. Ein Plot, den es in der Filmgeschichte oft gab. Selten jedoch wurde das so heftig, brutal und "knackig" (ein Hoch auf die Sounddesigner, die die menschlichen Knochen so kraftvoll bersten lassen) umgesetzt wie hier.

American Psycho von Mary Harron (Regie), Drehbuch: Mary Harron und Guinevere Turner. 2000

Die Story

Patrick Bateman (Christian Bale) ist Investmentbanker in New York der Achtzigerjahre. Ein Markenfetischist, der Äußerlichkeiten, Anzüge und Visitenkarten liebt. Weil seine Karte im Vergleich zu einem Kollegen vermeintlich schlechter ist, bringt er diesen um. Danach folgen Gewaltexzesse und eine Mordserie, in der er wahllos Obdachlose und Prostituierte tötet. Auch die Untersuchungen von Detective Donald Kimbal (Willem Dafoe) können ihn nicht stoppen. Als er schließlich ein Geständnis ablegt, endet das Ganze in einer frisch renovierten Wohnung, in der er zuvor Menschen massakriert hat. Eine Katharsis für Batemann bleibt aus.

Die Ästhetik

So glasklar, glockenhell und aseptisch wie Batemans Monolog über Whitney Houston und seine anderen Heldinnen jener Bontempi-Epoche. Zwischendurch spritzt es Blut.

Die Architektur

  • Hill House Stuhl von Charles Rennie Mackinthosh (1903)
  • Barcelona Stuhl von Ludwig Mies van der Rohe (1929)
  • Alanda Tisch von Paolo Piva für BB Italia (1981)
  • „Men in the Cities“ von Robert Longo (1979)

THE LINK Fazit

Spielt nicht immer in Batemans Penthouse des Wohnhochhauses in Manhattan. Aber wenn, ist das klinisch Weiße mindestens so erschreckend wie die Düstertürme der anderen 3 hier erwähnten Hochhausdramen.