Fundação Calouste Gulbenkian –  Daheim bei Mr. 5 %

Ein Gebäudeensemble mit ineinander fließenden Räumen als internationales Aushängeschild portugiesischer Architektur..

Daheim bei Mr. 5 %

Portugal | 

Im Kreise seiner Familie anlässlich seines 60. Hochzeitstages 1952.

Calouste Gulbenkian

Im Kreise seiner Familie anlässlich seines 60. Hochzeitstages 1952.

Bild vergrößern (Calouste Gulbenkian)(Abbildung © Fundacao Calouste Gulbenkian)

Claire Zachanassian heißt die zentrale Figur in Friedrich Dürrenmatts Tragikomödie "Besuch der alten Dame". Der Name der etwas zweifelhaften, armenischen Öl-Milliardärin setzt sich aus drei bekannten Persönlichkeiten zusammen, die prägend waren für den Beginn des 20. Jahrhunderts: den griechischen Unternehmer und Waffenhändler Basil Zaharoff, den griechischen Reeder Aristoteles Onassis und den armenischen Geschäftsmann und Öl-Lobbyisten Calouste Gulbenkian. Da er bei all seinen Geschäften einen Fünf-Prozent-Anteil anstrebte, und diesen als Vermittler der Interessen internationaler Ölkonzerne später auch an den Gesellschaften Exxon, BP und Shell durchsetzte, nannte man ihn auch "Mister Five Percent". Sein beachtliches Vermögen legte der Kunstliebhaber in einer umfangreichen Kunstsammlung an, für die 1970 schließlich ein angemessenes Domizil errichtet wurde. Neben der Kunst galt Gulbenkians Leidenschaft der Natur. So verbrachte er am liebsten seine Freizeit im Garten seines Anwesens "Les Enclos" bei Bénerville sur Mer in der französischen Normandie.

»Les Enclos is now at an incomparable height of romanticism. The trees I planted have flourished beyond my wildest dreams. (...) The place is enchanting, enveloped in a hemicycle of great planes, around which blue hortensias bloom.
«

Calouste Gulbenkian

Gulbenkian galt als Philanthrop. Als jemand, der sich besonders auch um diejenigen kümmerte, die sonst keine Unterstützung erfuhren. Er selbst mied die Öffentlichkeit. Nach seinem Tod verkündete der britische Daily Telegraph feierlich, dass Gulbenkian seiner letzten Heimatstadt Lissabon ein Haus für seine Sammlung vermacht hatte. Bald darauf wurde ein Wettbewerb ausgelobt. Die Bandbreite der Einreichungen reichte mit insgesamt drei Teams vom sachlichen International Style bis hin zur eher humanistischen, organischen Architektur. Es bewarben sich junge portugiesische Architekten ebenso wie Vertreter des alten portugiesischen Post-Rationalismus.
Die Entscheidung fiel schließlich zugunsten des Fortschritts. Ganz im Geiste Gulbenkians entwarfen die noch jungen Architekten Alberto Pessoa, Pedro Cid und Ruy d'Athouguia ein Raumprogramm, das mit sich und der Natur verschmolz. Die Besucher sollten buchstäblich durch die verschiedenen Räume fließen können. Das Gebäudeensemble war weltweit eines der ersten, das Sammlung, Bibliothek, Hörsäle, Stiftungsaufgaben und kulturelles Leben miteinander verband. Die verschiedenen Funktionsbereiche der Anlage sind dabei nicht klar voneinander getrennt angelegt, sondern fließen gleichsam ineinander. Das Gulbenkian Museum und seine Parkanlagen wurden schnell zu dem internationalen Aushängeschild zeitgenössischer, portugiesischer Architektur und sie sind es bis heute.

Ansicht Haupteingang, späte 1970er

Gulbenkian Museum

Ansicht Haupteingang, späte 1970er

Bild vergrößern (Gulbenkian Museum)
Ansicht Haupteingang, späte 1970er

Gulbenkian Museum

Ansicht Haupteingang, späte 1970er

Bild vergrößern (Gulbenkian Museum)(Abbildung © Fundacao Calouste Gulbenkian Mario de Oliveira)
Gartenansicht, späte 1970er

Gulbenkian Museum

Gartenansicht, späte 1970er

Bild vergrößern (Gulbenkian Museum)(Abbildung © Fundacao Calouste Gulbenkian Mario de Oliveira)
Gartenansicht, späte 1970er

Gulbenkian Museum

Gartenansicht, späte 1970er

Bild vergrößern (Gulbenkian Museum)(Abbildung © Fundacao Calouste Gulbenkian Mario de Oliveira)

Beim Betreten des Parks, stellt sich unmittelbar eine gewisse Entschleunigung ein. Inmitten des dichten Grüns, auf den verschlungenen Pfaden und in den thematischen Inseln findet sich immer ein Ort der Ruhe. Schon von Beginn an arbeiteten die Planer eng mit António Facco Viana Barreto zusammen. Der Landschaftsarchitekt hatte sich mit seinem Entwurf für die grünen Terrassen des Lissaboner Ritz Hotels zuvor bereits einen Namen gemacht. Trotz der Scharfkantigkeit und Massivität der Baukörper fügen sich alle Bestandteile der Anlage harmonisch zusammen. Die Architekten nutzten den Baumbestand und die natürlichen topografischen Gegebenheiten, um die Kubaturen teilweise darin zu versenken. Die neu definierten künstlichen Erhebungen akzentuieren und stärken die architektonische Neukomposition des Raums. Die strenge Horizontalität und die geschickte Verteilung der Bauvolumina auf dem Areal lassen die Kontinuität der Grünanlagen über das Bauwerk hinweg in alle Richtungen lesbar bleiben. Das Stiftungsensemble Fundação Calouste Gulbenkian ist ein wahres Meisterwerk, in dem Kunst, Musik, Architektur und Natur gekonnt miteinander verbunden sind.

Anstelle des heutigen Museumsparks eröffnete 1884 Lissabons erster Zoologischer Garten. Später befanden sich hier zunächst eine Pferderennbahn und schließlich ein beliebter öffentlicher Park. 1957 wurde ein großer Bereich an die Calouste Gulbenkian Foundation veräußert. Eine Landschaftsschutzzone wurde von Beginn an fest im Park eingeplant.

Der Park

Anstelle des heutigen Museumsparks eröffnete 1884 Lissabons erster Zoologischer Garten. Später befanden sich hier zunächst eine Pferderennbahn und schließlich ein beliebter öffentlicher Park. 1957 wurde ein großer Bereich an die Calouste Gulbenkian Foundation veräußert. Eine Landschaftsschutzzone wurde von Beginn an fest im Park eingeplant.

Bild vergrößern (Der Park)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Bauwerk und Park bilden eine harmonische Einheit.

Das Ensemble

Bauwerk und Park bilden eine harmonische Einheit.

Bild vergrößern (Das Ensemble)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Der unverwechselbare Verwaltungsriegel mit seiner nüchternen, rationalen und deutlich horizontalen Struktur ragt im Norden des Parks hoch hinaus.

Der Stiftungssitz

Der unverwechselbare Verwaltungsriegel mit seiner nüchternen, rationalen und deutlich horizontalen Struktur ragt im Norden des Parks hoch hinaus.

Bild vergrößern (Der Stiftungssitz)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Die modulare Wiederholung, das strenge Design und die harte Materialwahl aus Glas und Beton stehen dabei einerseits im starken Kontrast zur Natur.

Der Stiftungssitz

Die modulare Wiederholung, das strenge Design und die harte Materialwahl aus Glas und Beton stehen dabei einerseits im starken Kontrast zur Natur.

Bild vergrößern (Der Stiftungssitz)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Andererseits spiegelt sich in ihr die Natur wieder, innere und äußere Programme fließen ineinander.

Der Stiftungssitz

Andererseits spiegelt sich in ihr die Natur wieder, innere und äußere Programme fließen ineinander.

Bild vergrößern (Der Stiftungssitz)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Kunst ist überall gegenwärtig. Im Haupteingang der Stiftung hängt seit 1969 die grafische Komposition "Começar" (dt. der Beginn) von Almada Negreiros.

Der Stiftungssitz

Kunst ist überall gegenwärtig. Im Haupteingang der Stiftung hängt seit 1969 die grafische Komposition "Começar" (dt. der Beginn) von Almada Negreiros.

Bild vergrößern (Der Stiftungssitz)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Eine breite Treppe fließt hinunter ins Foyer des Auditoriums.

Der Stiftungssitz und das Auditorium

Eine breite Treppe fließt hinunter ins Foyer des Auditoriums.

Bild vergrößern (Der Stiftungssitz und das Auditorium)(Abbildung © Hendrik Bohle)
An der Wand ist eine bewegte Skulptur aus Stahl, Aluminium und Acrylglas von Artur Rosa installiert.

Der Stiftungssitz und das Auditorium

An der Wand ist eine bewegte Skulptur aus Stahl, Aluminium und Acrylglas von Artur Rosa installiert.

Bild vergrößern (Der Stiftungssitz und das Auditorium)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Das Mobiliar, wie hier im Foyer des Auditoriums, ist im gesamten Gebäude maßgefertigt und noch im Original erhalten.

Das Auditorium

Das Mobiliar, wie hier im Foyer des Auditoriums, ist im gesamten Gebäude maßgefertigt und noch im Original erhalten.

Bild vergrößern (Das Auditorium)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Der Vortragssaal liegt südlich des Stiftungssitzes und ist teils von Wasser umgeben.

Das Auditorium

Der Vortragssaal liegt südlich des Stiftungssitzes und ist teils von Wasser umgeben.

Bild vergrößern (Das Auditorium)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Das eigentliche Museum liegt im Westen des Parks und hat einen eigenen Haupteingang.

Das Museum

Das eigentliche Museum liegt im Westen des Parks und hat einen eigenen Haupteingang.

Bild vergrößern (Das Museum)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Auch seine zweigeschossige Fassade ist streng horizontal gegliedert. Die zurückspringenden Wände sind mit Naturstein verkleidet.

Das Museum

Auch seine zweigeschossige Fassade ist streng horizontal gegliedert. Die zurückspringenden Wände sind mit Naturstein verkleidet.

Bild vergrößern (Das Museum)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Die Einfachheit und Strenge der Architektur zeigt sich auch in der Wahl der Materialien. Die Fassade bestimmen Sichtbeton und Granit. Die Fenster bestehen aus bronziertem Glas mit oxidierten Messingrahmen.

Die Materialien

Die Einfachheit und Strenge der Architektur zeigt sich auch in der Wahl der Materialien. Die Fassade bestimmen Sichtbeton und Granit. Die Fenster bestehen aus bronziertem Glas mit oxidierten Messingrahmen.

Bild vergrößern (Die Materialien)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Im Innenraum kontrastieren Stahlbeton und Naturstein ...

Die Materialien

Im Innenraum kontrastieren Stahlbeton und Naturstein ...

Bild vergrößern (Die Materialien)(Abbildung © Hendrik Bohle)
... mit Teppichen, abgehängten Kiefernholzrasterdecken ...

Die Materialien

... mit Teppichen, abgehängten Kiefernholzrasterdecken ...

Bild vergrößern (Die Materialien)(Abbildung © Hendrik Bohle)
... und anderen Hölzern.

Die Materialien

... und anderen Hölzern.

Bild vergrößern (Die Materialien)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Zehn Jahre nach der Eröffnung der Gulbenkian-Hauptquartiers und des Museums entstand die Idee, innerhalb des Stiftungsareals ein kulturelles Zentrum für darstellende Künste zu schaffen.

Die Erweiterung

Zehn Jahre nach der Eröffnung der Gulbenkian-Hauptquartiers und des Museums entstand die Idee, innerhalb des Stiftungsareals ein kulturelles Zentrum für darstellende Künste zu schaffen.

Bild vergrößern (Die Erweiterung)(Abbildung © Hendrik Bohle)
So entstand zwischen 1977 und 1983 und in Reaktion auf die junge Demokratie Portugals (1974) und in Anlehnung an das Pariser Centre Pompidou (1979) das neue CAM – Centro Arte de Moderna (Museum für zeitgenössische Kunst).

Die Erweiterung

So entstand zwischen 1977 und 1983 und in Reaktion auf die junge Demokratie Portugals (1974) und in Anlehnung an das Pariser Centre Pompidou (1979) das neue CAM – Centro Arte de Moderna (Museum für zeitgenössische Kunst).

Bild vergrößern (Die Erweiterung)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Architekt war der Brite Sir Leslie Martin, der seit Jahren mit der Stiftung zusammenarbeitete.

Die Erweiterung

Architekt war der Brite Sir Leslie Martin, der seit Jahren mit der Stiftung zusammenarbeitete.

Bild vergrößern (Die Erweiterung)(Abbildung © Hendrik Bohle)

Fundação Calouste Gulbenkian

Adresse: Av. de Berna, 45A, 1067-001 Lissabon, Portugal. Lage (Google Earth) Breite 38.7378°, Länge 9.1535°. Öffnungszeiten MI.–SO. 10–18 Uhr (letzter Einlass 17:30 Uhr), DI. geschlossen

Calouste Sarkis Gulbenkian

*23.03.1869 in Scutari, Konstantinopel (heute Üsküdar, Istanbul); † 20.07.1955 in Lissabon, Geschäftsmann, Ingenieur, Ölforscher, Kunstsammler und Gründer der Stiftung Fundação Calouste Gulbenkian. Er wurde in einer berühmten armenischen Familie geboren, deren Ursprünge bis ins 4. Jahrhundert zurückreichen. Sein Vater diente dem Sultan und war wohlhabender Petroleumhändler. Calouste Gulbenkian gilt als Pionier der Ölforschung im Nahen Osten. Nach seinem Studium in Marseilles und am King’s College in London bereiste er Transkaukasien und die Ölfelder von Baku. Seine Erlebnisse fasste er in einem Reisebericht zusammen. Woraufhin ihn der osmanische Palast mit der Verfassung eines umfassenden Berichtes über die Ölfelder Mesopotamiens beauftragte. Während der Massaker an der armenischen Bevölkerung musste die Familie 1896 aus Konstantinopel fliehen. Über mehrere Stationen gelangte Gulbenkian schließlich nach London. Dort wirkte er weiterhin als einflussreicher Verhandlungspartner der Ölindustrie und nahm 1902 die britische Staatsangehörigkeit an. 1912/14 war er Mitbegründer der Turkish Petroleum Company (TPC), der späteren Iraq Petroleum Company (IPC). Gulbenkian erwirtschaftete im Laufe seines Lebens ein beträchtliches Vermögen, das der Kunstliebhaber u. a. in einer großen Sammlung von Gemälden, Skulpturen und Kunsthandwerk anlegte. Als Folge des Zweiten Weltkriegs flüchtete er mitsamt seiner Kunstsammlung 1942 ins neutrale Portugal, wo er bis zum Ende seines Lebens blieb.

Stiftung Fundação Calouste Gulbenkian

Der größte Teil des sehr beachtlichen, durch die Vermittlung vielseitiger Kontakte, kluge Verhandlungsstrategien und gezielte Investitionen erworbenen Vermögens Gulbenkians floss, einer testamentarischen Verfügung entsprechend, in die von ihm gegründete Stiftung Fundação Calouste Gulbenkian, der auch seine Privatsammlung übereignet wurde. Diese nahm ihre Arbeit mit einem Startkapital von 67 Millionen Dollar auf und hatte bereits 20 Jahre später 433 Millionen Dollar zur Verfügung. Mit den Geldern wurden und werden künstlerische, karitative und wissenschaftliche Projekte, Museen, Musiktheater, Bibliotheken, Forschungsinstitute, Bildungsstätten und diverse Stipendiaten unterstützt. (Wikipedia)

Ruy Jervis d'Athouguia

*1.1.1917 in Macau; † 21.07.2006 in Lissabon. Der portugiesische Architekt studierte an der renommierten Escola Superior de Belas-Artes de Porto (ESBAP). Dort beendete er 1948 sein Studium. D’Athouguia zählte zu einer Generation von Architekten, die sich von den nationalistischen Tendenzen dieser Zeit klar distanzierten und war einer der Pioniere Portugals, die sich ganz im Geiste der Charta von Athen den Prinzipien der Moderne verschrieben hatten. Museum und Sitz der Stiftung Fundação Calouste Gulbenkian, das er zusammen mit Pedro Cid und Albert Passoa errichtet hatte, zählt zu seinen wichtigsten Bauwerken. 1975 wurden sie gemeinsam mit dem Prémio Valmor ausgezeichnet, dem wichtigsten Architekturpreis Portugals.

Pedro Cid

1925–1983. Der portugiesische Architekt studierte an der renommierten Escola Superior de Belas-Artes de Lisboa (EBAL), an der er 1952 sein Studium beendete. Später arbeitete er für das Innenministerium, wo er maßgeblich für die die Errichtung der zentralen Stelle für Technischen Support (GAT) verantwortlich war. 1978 wurde er Direktor des GAT in Montemor-o-Novo. Seine Architektur war klar, geradlinig und diskret. Dabei legte er besonderen Wert auf eine ökonomische Materialwahl.

Alberto Passoa

*15.4.1919 in Figuera da Foz; † 1985 in Lissabon. Der portugiesische Architekt studierte an der Faculdade de Belas-Artes der Universität Lissabon, wo er 1943 sein Studium beendete. Später leitete er als Berater der Baukommission der Universität Coimbra den Umbau der Zentralbibliothek der Philosophischen Fakultät. Für ein Wohnhaus in Restelo erhielt er 1950 erstmals den Prémio Valmor. Später lehrte er als Dozent an der Universität Lissabon. Er war Mitglied des Architektenkollektivs Iniciativas Culturais Arte e Técnica (ICAT) und einer der Direktoren des Magazins Arquitectura.