Alpinarchitektur im Ötztal, Nr. 2:
Nachhaltigkeit & Hotellerie – Pssst!-Hotels
Übernachten: Nachhaltigkeit ist ein strapazierter Begriff, der sich nicht wehren kann. Wenn doch, würde der er vor allem im Tourismus, einem der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige der Welt, auf Inhalt und Authentizität pochen. Und wahrscheinlich diese Häuser loben, eben wegen ihrer echten Ganzheitlichkeit und des klugen, stimmigen Designs.
Naturhotel Waldklause, Längenfeld, Österreich
In Zahlen: Viersterne Superior Hotel, 55 Zimmer. Das Restaurant Waldklause wurde 1994 eröffnet, das Hotel ist 2004 in Betrieb genommen worden.
Konzept und Architektur
"Die Einmaligkeit der Natur mit Natur toppen", die Selbstbeschreibung sagt viel über den Zugang der Familie Auer, die zwar nicht aus der klassischen Hotellerie kommt, aber in Längenfeld viel Erfahrung in der Touristik und Gastronomie hat. Zusammen mit dem Architekten Markus Kastl setzten sie bei dem Hotelbau auf die österreichische Holz 100-Bauweise. Dabei werden stehende und liegende Holzschichten vollmassiv und ohne Zwischenräume zu kompakten Bauelementen geschichtet. Die Schichten werden von staubtrockenen Holzdübeln durchdrungen. Die Dübel nehmen die Restfeuchtigkeit auf und quellen ins Holz ein. Für das Projekt wurden die Zimmer – alle mit eigenen Quellwasser-Brunnen ausgestattet – mit doppelschaligen Wänden mit Holz 100-Sichtoberfläche konstruiert. Die Anlage gruppiert sich um zwei mehrstöckige Erschließungskerne, das Restaurant mit sehr guter, regional-internationaler Küche bildet das weitere Zentrum. Die Innenarchitektur setzt das Ganze mit einem ausgeklügelten Lichtkonzept, der Innengestaltung, mit Hochwertigkeit und Individualität fort. Das kommt besonders beim Personal zu tragen, das hier die gute Balance zwischen freundlicher Ansprache, professionellem Service und Ötztaler Verwurzelung findet. Das Haus wirkt dadurch wie ein entspannter, echter Gegenentwurf zum atemlosen Bauboom in Sölden, dem Ötztaler Ski- und Touristenzentrum.
Fazit
Nachhaltigkeit ist hier so authentisch wie das verbaute Holz. Das fing mit dem Bau des Hotels an und hört mit der Mitarbeiterführung nicht auf. So wird der Betrieb regelmäßig als "ausgezeichneter Tiroler Lehrbetrieb" prämiert. Vielleicht liegt es am Wohlgeruch und an der Wirkung des edlen Zirbelkiefers, ganz sicher jedoch auch an den Menschen, die hier arbeiten bzw. den Betrieb leiten und dafür sorgen, dass die Philosophie mit Leben, Gastfreundlichkeit und Wärme gefüllt wird.
Riad Dar Zelda, Marrakesch, Marokko
In Zahlen: 8 Zimmer, davon 4 Suiten, inmitten der Medina gelegen. Etwa 10 Minuten vom legendären Platz "Djemaa el Fna" entfernt. Seit 2012.
Konzept und Architektur
Das kleinste Haus in dieser Reihe ist die internationalste Stätte. Geleitet wird es von dem Bretonen Michel Raphalen und seinem Freund aus den USA, unterstützt von marokkanischem Personal und der Superköchin Mouna, die die Essenz der hiesigen Küche auf den Punkt zuzubereiten weiß. Alleine für ihre Kochkunst lohnt ein Besuch. Ein Riad ist ein traditionelles Atriumhaus oder ein Palast mit Innenhof oder einem Hofgarten. Der Begriff kommt vom arabischen Wort für Garten, riyad. Die Gestaltung der Innenhöfe geht auf die lokale Übernahme der Bauweise römischer Villen zurück. Die Kleinteiligkeit und Aufteilung der Räume bietet den Familienangehörigen Schutz und Privatsphäre und wurde mit der Islamisierung Marokkos populär. Bis weit in die 1990er-Jahre verfielen viele Riads in Marrakesch und Essaouria. Ausländer und vor allem Franzosen belebten die Hofhäuser, indem sie diese kauften und den Bautraditionen entsprechend instand setzten. Zum Einsatz kamen lokale Hölzer und Lehm für bestimmte Bereiche der Riads. Wasser spielt bei der Gestaltung ebenfalls eine wichtige Rolle, wie z. B. im Dar Zelda mit dem Wasserbecken im Innenhof und gleichzeitig auch Teil der Begrüßung, sobald die Gäste durch das Portal gelangt sind. Typisch für die Riads: von außen deutet nichts auf die Pracht im Inneren, Fassaden sind schlicht gestaltet. Ein weiteres Kennzeichen: die Abgeschiedenheit trotz zentraler Lage. Dar Zelda ist in einer abgelegenen Sackgasse, so dass unser Gepäck per Holzkarre hierhergeschoben werden musste. In der Gassenenge geht es nur zu Fuß oder per Mofa voran. In einem Riad gelten andere Regeln als in einer typischen Herberge: die Zimmer sind nicht verschlossen und durch die Hoforientierung der Zimmer ist es so hellhörig, dass Gäste unweigerlich leise sprechen. Was gut zu der intimen Atmosphäre passt. Während es unten und in der Galerie der 1. Etage familiär-eng zugeht, öffnet sich auf der Dachterrasse eine wahre Dinierlandschaft. Hier – Frühstücksraum, Café und Restaurant in einem – ist der Himmel Teil des Hauses – wie auch der großartige Blick über die Medina von Marrakesch.
Fazit
Die Verknüpfung aus Tradition und Moderne ist im Dar Zelda auf eine elegante und unaufdringliche Art gelungen. Das liegt an den Besitzern, die ihrem Riad mit Feingefühl und Stil eine marrokanisch-internationale Zeitlosigkeit gaben.
Hotel Forsthaus Heiligenberg, bei Bremen, Deutschland
In Zahlen: 27 Zimmer und 4 Suiten. Seit 1998 im Besitz der Familie Brüning, seit 1999 mit Hotelbetrieb.
Konzept und Architektur
Das zum Teil im Fachwerkstil erbaute Gebäudeensemble mit dem Viersternehotel und Restaurant ist auf einem historisch bedeutsamen Gelände. Hier befand sich eine mehrere Hektar große, ehemalige Wallburg. Das verpflichtet. Hotel Forsthaus Heiligenberg ist daher ein Ort der Familientradition und der Regionalgeschichte gleichermaßen, nahe Bremen und Hannover gelegen. Die Inhaberinnen Adelheid und Juliane Brüning – Mutter und Tochter – haben die Anlage mit großer Verbundenheit zur Natur und Verantwortung gegenüber dem historischen Boden entwickelt und geplant, 1998 erst das Restaurant, ein Jahr später ergänzt mit dem Hotel. Seinen Namen verdankt das Forsthaus dem einstigen Prämonstratenserstift Heiligenberg, das sich im Mittelalter hier befand. Hinter Fachwerk und weißen Sprossenfenstern befinden sich behutsam renovierte Räume, die mit einem guten Auge fürs geschmackvolle Detail eingerichtet wurden. Das Besondere: jedes Zimmer ist exklusiv entworfen, alle im modern-hochwertigen Landhausstil. Das verquicken die Inhaberinnen mit einer Haltung der persönlich-professionellen Ansprache, die die Atmosphäre und den Geist des Hotels spiegelt. Wir waren leider nur eine Nacht hier, würden aber jederzeit wiederkommen und vor allem eins mitbringen: Zeit. Für die Muße und Erholung.
Fazit
"Pssst! Hören Sie die Ruhe?", so begrüßt das Hotel seine Website-Besucher. Tatsächlich kommen zur lauschigen Abgeschiedenheit diese Pluspunkte hinzu: die kreativ-ambitionierte internationale Küche und eine Gastlichkeit, die Moderne, Naturerlebnis und Tradition gekonnt miteinander verbindet.
Unsere Architekturreise ins Ötztal wurde von Ötztal Tourismus, dem Naturhotel Waldklause und der DB unterstützt.
Naturhotel Waldklause
Unterlängenfeld 190, 6444 Längenfeld, Österreich. Tel: +43 (0)5253 5455. Mail: office@waldklause.at
Dar Zelda
7, Derb Laâkar, Kaât Bennahid, El Mokef, Médina, Marrakech, Marokko Tel. +212 5 24 42 91 22, Mail: info@darzelda.com
Forsthaus Heiligenberg
Familie Brüning Restaurant und Hotel GmbH, Heiligenberg 327305 Bruchhausen-Vilsen. Telefon: 04252 932 00, Mail: info@bruening-hotels.de