Bairro dos Museus – Revolutionsarchitektur an der Riviera
Kulturzentrum und Zitadelle von Cascais
Das Bairro dos Museus Cascais umfasst 14 Museen und die zwei Gartenanlagen Parque Marechal Carmona und Parque Palmela. Wir starten den kulturell-musealen Rundgang im Zentrum des Bairro: Centro Cultural de Cascais. Das im Frühjahr 2000 eröffnete und vom Lissabonner Architekten Jorge Silva umgebaute Kulturzentrum ist im ehemaligen Kloster Nossa Senhora da Piedade untergebracht. Das Kloster wurde 1641 fertiggestellt und war bis zum Umbau im abbruchreifen Zustand. Anderthalb Jahrzehnte später hat das rosa-bonbonfarbene Gebäude wenig von seiner Leichtigkeit verloren. Zu sehen sind Wechselausstellungen von alten Meistern der Gemäldekunst und zeitgenössische Werke.
Nur wenige Meter vom Kulturzentrum entfernt, steht die Zitadelle von Cascais, die nicht offizieller Teil des Bairro dos Museus ist. Die Architekten Goncalo Byrne, David Sinclair und Joao Gois planten die Umgestaltung der ehemaligen militärischen Festungsanlage an der Costa de Sol und deren Integration in den Küstenort. Die 400 Jahre alte Festung wird heute als Hotel genutzt und war einst eine der wichtigsten Anlagen zur Verteidigung des Umlands von Lissabon. In die Bestandsstruktur fügten die Architekten mit einem länglichen Gebäude mit Cortenstahl-Verkleidung den einzigen Neubau in die Anlage. Hotel, Neubau, Kunstbereich und das kleine Präsidentenmuseum bilden als Stadt-in-der-Stadt-Ensemble eine Einheit, die die Historie gut in die Moderne übertragen hat.
Leuchtturm-Museum Santa Marta und das Haus Santa Marta
Stichwort Transformation: den Umbau des Leuchtturms Santa Marta in Cascais verantworteten die Brüder Francisco und Manuel Aires Mateus aus Lissabon. Die bestehende kleinteilige Struktur wurde im Zuge der Sanierung auf das Essentielle konzentriert. Weiße Keramikfliesen zieren Dach und Außenwände des größten Baukörpers. Trotz der überhellen Präsenz der kleinen Gebäudeteile und des Erweiterungsbaus fügen sie sich in das Ensemble ein. Das Areal auf der kleinen Landzunge hat eine Cascais-typische Sprache: Tradition trifft auf die Hochmoderne. Beide können unabhängig voneinander bestehen, beide formen eine Einheit. Wenige Jahre nach dem 1868 in Betrieb genommenen Leuchtturm wurde das Haus Santa Marta 1902 in unmittelbarer Nähe fertiggestellt. Die Sommerresidenz des irischen Adeligen Jorge O’Neill wurde von Raul Lino geplant, einem der einflussreichsten Architekten Portugals in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Von Lino stammen viele weitere Häuser in Cascais und Sintra, insgesamt war er für über 700 Projekte verantwortlich, viele davon entwarf er im neo-mediterran-traditionellen Stil (Estilo Português Suave). Das Haus nimmt den eklektizistischen Schwung im Innenraum auf eine überbordende Art auf: Hufeisenbögen, bemalte Holzdecken und ein Überfluss an Kachelkunst.
Museumsbibliothek und Palast der Grafen von Castro Guimarães und das Meeresmuseum
Apropos: Eklektizismus-Ekstase. Die Anlage wurde ebenfalls von Jorge O’Neill in Auftrag gegeben, entworfen wurde es von Luigi Manini, einem renommierten Opern-Bühnenbildner und Architekt aus dem norditalienischen Crema. Auf Maninis Pläne gehen auch einige wichtige Bauten in Sintra zurück, z. B. die Anlage Quinta da Regaleira. Das Museum ist wie eine Zeitreise in die Ära der Adelshäuser um 1900 und beherbergt Gemälde, archäologische Funde, eine Bibliothek mit 25.000 Büchern und Mobiliar im indisch-portugiesischen Stil. Auf dem Weg zum nächsten Museum sollte man sich unbedingt Zeit im Park Marechal Carmona mit seinen künstlich angelegten Teichen mit Schildkröten, Fischen und Enten sowie Kapellen und Pavillons lassen.
Nach einem fast anderthalb Jahrzehnten währenden Umbau wurde das Haus als Museu do Mar Rei D. Carlos im Sommer 1992 eröffnet. Seitdem hat es mehrere Umbauten und konzeptionelle Neuausrichtungen gegeben. Bestimmend waren zu Beginn die Themen Schifffahrt und Fischerei. Im Laufe der Jahre sind die Abteilungen für Naturgeschichte, Meeresarchäologie und Ethnologie dazugekommen. Das Museum besitzt eine umfangreiche Sammlung an Karten, Fischerutensilien, Bootsmodellen und Schätzen, die von untergegangenen Schiffen vor der Küste und in der Tejomündung geborgen wurden.
Haus der Geschichten Paula Rego
Während das Meeresmuseum im hell getünchten Landhaus zurückhaltend und unauffällig fein wirkt, ist das in Sichtweite gelegene und 2009 eröffnete Haus der Geschichten Paula Rego das Gegenteil. Seine an Pyramiden erinnernden Formen machen das Museum zu dem architektonisch außergewöhnlichsten Bauwerk im Bairro dos Museus. Das Werk der international bekannte Künstlerin Paula Rego, die lange in Estoril gelebt hat, findet hier eine angemessene Stätte. Angemessen ist auch die Wahl ihres Wunscharchitekten: Eduardo Souto de Moura. Er gilt als einer der prominentesten Vertreter der Escola do Porto, einer Stilbewegung der modernen Architektur Portugals, begründet von Fernando Távora an der Fakultät für Architektur der Universität Porto. Souto de Moura hat beim Großmeister der portugiesischen Moderne gelernt: Alvaro Siza. Beide erhielten den wichtigsten Architekturpreis: Siza bekam den Pritzker-Preis 1992, Souto de Moura erhielt ihn 2011.
Das gesamte Gebäude des Hauses der Geschichten Paula Rego gliedert sich in vier Trakte. Sie variieren in Höhe und Form, die Räume gehen ineinander über und sind um einen Zentralraum mit der Hauptausstellung angeordnet. Das Museum verfügt über eine Ausstellungsfläche von 750 Quadratmetern, ein Auditorium mit 200 Sitzplätzen und ein Café, das sich zu einem Garten öffnet. Die Innen- und Farbgestaltung folgt einer unauffälligen Klarheit und ist in zurückhaltenden, neutralen Tönen gehalten. Der Boden ist durchgängig aus einem blau-grauen Marmor aus der Gegend um Cascais. Hier konzentriert sich alles auf die Kunst von Paula Rego. Wenig deutet auf das expressive Formen- und Farbenspiel der Hülle. Wer wieder hinaustritt, sollte auf das Zusammenspiel der beiden Pyramiden mit den umgebenden Bäumen achten. Sie wurden so bemessen, dass sie in der Höhe mit den Pflanzen übereinstimmen. Der mit Bayferrox-Pigmenten eingefärbte Beton, ausdrucksstarke Kontrastpunkte, der auf Harmonie bedachte Ausgleich der Formen: der Bezug des Museums auf regional-historische Bauten und die hiesige Naturlandschaft finden sich in Souto de Mouras Entwurf in einer zeitgenössische Interpretation wieder. Da ist sie wieder, diese besondere Cascais-Küstenarchitektur: abstrakt und archaisch reduziert, aber immer mit dem Blick auf das Ganze und die Geschichte.
Die Architekturrecherche wurde unterstützt von Visit Cascais und TAP Portugal.
Cascais
Der einstige Fischerort liegt an einer sandigen Bucht des Atlantiks, etwa 25 Kilometer westlich von Lissabon. Von dort kann Cascais (ausgesprochen: kasch-kaisch) per Autobahn oder mit der Eisenbahn erreicht werden. Beide Verkehrslinien enden hier. Außerdem verfügt Cascais über einen Yachthafen mit etwa 600 Liegeplätzen. Seitdem das königliche Haus und die Aristokratie Lissabons den Ort Ende des 19. Jahrhunderts für sich entdeckten und danach auch das Bürgertum und Künstler wie Pessoa, hat er sich zu einem kosmopolitischen Küstenort entwickelt, dessen Restaurants, Yachthafen, Designboutiquen in der Altstadt und direkte Lage an einer Bucht viele Menschen anziehen. Die Lisboêtas und mit ihnen viele Touristen schätzen die drei Sandstrände und den Kontrast zur Eiseskälte des Atlantiks; das reichhaltige Kulturangebot mit mehreren Museen; die (Fisch)Kulinarik und vielen Cafés und Bars. Am 29. September 2013 wurden die Gemeinden Cascais und Estoril zur neuen Gemeinde União das Freguesias de Cascais e Estoril zusammengeschlossen. Cascais ist Sitz dieser neu gebildeten Gemeinde mit insgesamt über 206.000 Einwohnern.
1. Kulturzentrum Cascais (C. Cult. de Cascais)
Avenida Rei Humberto II de Itália, Nº16, 2750-800 Cascais. Täglich von 10–18 Uhr geöffnet, außer montags geschlossen. Tel. +351 214 826 660
2. Zitadelle von Cascais (Cidadela de Cascais)
Av. D. Carlos. Der Kunstbereich ist täglich geöffnet
3. Leuchtturm-Museum Santa Marta (Farol Museu de Sta. Marta Cascais)
Rua do Farol de Santa Marta, 2750-341 Cascais. Täglich von 10–17 Uhr geöffnet, außer montags und an Feiertagen. Tel. +351 214 815 328
4. Das Haus Santa Marta (Casa de Sta. Maria)
Rua do Farol de Santa Marta, 2750-341 Cascais. Täglich von 10–17 Uhr geöffnet, außer montags und an Feiertagen. Tel. +351 214 815 328
5. Museumsbibliothek und Palast der Grafen von Castro Guimarães (Museu-Biblio. dos Condes de Castro Guimarães)
Avenida Rei Humberto II de Itália, Parque Marechal Carmona, 2750-319 Cascais. Täglich von 10–17 Uhr geöffnet, außer montags und an Feiertagen. Tel. +351 214 815 308
6. Meeres-Museum (Museu do Mar Rei D. Carlos)
Rua Júlio Pereira de Mello, 2750-319 Cascais. Täglich von 10–17 Uhr geöffnet, außer montags und an Feiertagen. Tel. +351 214 815 907
7. Haus der Geschichten Paula Rego (Casa das Histórias Paula Rego)
Avenida da República, 300, 2750-475 Cascais. Täglich von 10–18 Uhr geöffnet. Von Oktober bis März: täglich von 10–18 Uhr, montags geschlossen. Tel. +351 214 826 970
Eduardo Souto de Moura (kurz auch: Souto Moura)
Geboren 1952 in Porto, wo er auch Architektur studiert hat. Während seines Architekturstudiums an der Escola Superior de Belas Artes do Porto, einer Abteilung der Fakultät für Architektur der Universität Porto, lernte er bei den bekannten Architekten Fernando Távora und Álvaro Siza Vieira. Bei letzterem hat er von 1974 bis 1979 gearbeitet. Sein eigenes Büro gründete er 1980. Seitdem hat er über 60 Projekte in Portugal, Spanien, Italien, Deutschland, Großbritannien und der Schweiz realisiert. Als Gastprofessor war er in Paris, Boston (Harvard), Dublin, an der ETH Zürich und in Lausanne tätig. Zu seinen bekanntesten Werken zählen das Braga Stadion, das Casa das Histórias Paula Rego in Cascais, das Casa das Artes in Porto und die Trindade Metrostation. 2011 erhielt er den Pritzker Preis. Die Jury betonte in der Begründung, dass er Werke erschaffe, die klar in unserer Zeit verankert sind und es schaffen Architekturtraditionen gleichzeitig zu zitieren.
Pritzker-Preis
Der Pritzker-Preis, auch Pritzker-Architekturpreis (englisch Pritzker Architecture Prize), ist eine weltweit renommierte Auszeichnung für Architektur. Er wurde 1979 von dem US-Amerikaner Jay A. Pritzker (Besitzer u. a. der Hyatt-Hotelkette) und dessen Gattin Cindy gestiftet und wird seit deren Ableben von der Hyatt-Stiftung organisiert. Die jährlich vergebene Auszeichnung ist mit 100.000 US-Dollar dotiert und genießt in Fachkreisen eine hohe Wertschätzung. (Wikipedia)