Plaza der Elbphilharmonie – Kraftbolzen mit Wolke
Die Plaza und Außenplaza
Wenn wir Gebäude, Häuser und Architekturen erkunden, dann laufen wir viel. Wir umrunden den Bau, nähern uns an, gehen hinein und lassen uns das Projekt im besten Fall von fachkundigen Menschen erklären. Wir legen die Hand auf Wände, klopfen auf Stützen und Säulen und schauen uns Ecken, Kanten und Vorsprünge genau an. Architektur hat viel mit Materialien und Haptik, mit Besonderheiten und Charakter, mit Emotionen und Gesten zu tun. Insofern ist die Elbphilharmonie ziemlich hamburgisch. Denn das Handauflegen, Klopfen und der röntgenhafte Prüferblick sind das eine. Hier sehe und spüre ich die hochwertige Umsetzung, die um ein sehr warmes Material kreist: Backstein. Die Plaza ist Ziegelland auf 37 Meter Höhe. Im Zusammenspiel mit den schwungvollen Glasfassaden und der festlichen Lichtinstallation macht die Plaza das gesamte achte Stockwerk einladend und elegant. Aber bloß nicht zu viel davon! Hier kommt das andere Hamburgische ins Spiel, dem man auch das Kühle und Distanzierte nachsagt. Vielleicht ist es der Wind, der an einem auf der Außenplaza kräftig zieht. Vielleicht ist es das Kaufmännische. Ich lese in allen Online- und Papiermedien, dass die Plaza frei zugänglich ist. Seltsam. Denn "frei" bedeutet "frei" und nicht, dass der "freie" Eintritt zwei Euro kostet. Womit wir bei der Pfeffersack-Attitüde wären, die ja auch ziemlich HH ist. Viele sind bereit diesen Zugang zu zahlen. Am Eröffnungswochenende Anfang November 2016 sollen 25.000 Plaza-Interessierte gekommen sein. Auch in den Wochen danach ist der Besucherstrom ähnlich hoch geblieben. Angesichts vieler Rückschläge und dem großen Ringen um die Philharmonie ein versöhnlicher Ausgang. Natürlich war der Bau sehr teuer. Natürlich ist vieles aus dem Ruder gelaufen. Natürlich hätte man das alles anders machen können. Hätte. Wäre. Könnte. Nun steht er als kristalliner Trumm da und ist zugleich eine beschwingte Bewegung mit Wellenspitzen.
Nach anderthalb Stunden Plazarundgang und wieder unten angekommen, beherrscht der Sockel, der Kaispeicher A, seine Umgebung. Doch je weiter man sich entfernt, desto lichter und leichter wird der Kraftbolzen. Aus dem Bauch des gläsernen Neubaus leuchtet es wie aus einem amorph-ätherischen Wolken-Etwas. Ein Strahlen, das den Sockel mit erwärmt. Ein Musikkörper, der mit Architektur Lichtklänge erzeugt.
Elbphilharmonie
Adresse: Platz der Deutschen Einheit 1, 20457 Hamburg. Tickets Tel: +49 40 357 666 66, tickets@elbphilharmonie.de. Vermietung Tel: +49 40 357 666 236, vermietung@elbphilharmonie.de. Elbphilharmonie Zentrale Tel: +49 40 357 666 0. Plaza-Tickets kosten 2 Euro. Kinder unter drei Jahren brauchen kein Plaza-Ticket. Die Plaza ist täglich 9–24 Uhr geöffnet. Es können sich 1.200 Personen gleichzeitig auf der Plaza aufhalten, deshalb empfehlen wir die Vorbuchung übers Internet, wo man sich die gewünschte Besuchszeit aussuchen kann, auch um den Andrang an den Kassen für den "freien" Eintritt zu vermeiden.
Der Bau
Eine Philharmonie auf dem historischen Lagergebäude Kaispeicher A, ummantelt von privatwirtschaftlichen Nutzungsflächen und einer "frei" zugänglichen Plaza: der Entwurf des Schweizer Architekturbüros Herzog & De Meuron überzeugte Senat, Bürgerschaft und Öffentlichkeit. Im Mai 2004 wurde die städtische Projekt-Realisierungsgesellschaft ReGe Hamburg als Bauherrin der Elbphilharmonie eingesetzt. Nachdem die Machbarkeit des Projektes geprüft und ein Nutzungskonzept erarbeitet worden war, gewann das aus Hochtief Construction AG, Commerz-Leasing und Immobilien AG bestehende Konsortium Adamanta die europaweite Ausschreibung für den Bau und den 20-jährigen Betrieb des Gebäudes (FacilityManagement). Gemeinsam mit der Quantum AG entwickelte Hochtief zudem als Bauträger in der Skyliving GmbH die über 40 Eigentumswohnungen.
Baufortschritt
Grundsteinlegung war am 2. April 2007. Das Gebäude wurde komplett entkernt, die Backsteinfassade blieb bestehen. Um die 200.000 Tonnen der Elbphilharmonie tragen zu können, wurden zusätzlich zu den 1.111 Stahlbetonpfählen, auf denen der Kaispeicher A bislang ruhte, weitere 650 Pfähle 15 Meter tief in den Elbschlick gerammt. Mit Erreichen des 26. und damit des letzten Geschosses im Rohbau fand im Mai 2010 das Richtfest der Elbphilharmonie statt. Im November 2011 wurde das Saaldach betoniert. Im November 2013 wurde der Rohbau fertiggestellt. Seit Dezember 2013 wurde die "Weiße Haut" im Großen Konzertsaal montiert; die Außenfassade ist seit Januar 2014 geschlossen, seit August 2014 das Dach der Elbphilharmonie. Am 11. und 12. Januar 2017 wird die Elbphilharmonie eröffnet. Seit dem 5. November 2016 ist die Plaza für die Öffentlichkeit zugänglich.
Probleme
Der Bau der Elbphilharmonie wurde bis Sommer 2013 durch Auseinandersetzungen zwischen der städtischen Elbphilharmonie Bau KG und der Objektgesellschaft Adamanta begleitet. Nachtragsverhandlungen endeten im November 2008 mit einer Einigung (Nachtrag 4). Die Kosten für die Stadt erhöhten sich von 2007 beschlossenen Ursprungskosten von 272 Mio. Euro auf 495 Mio. Euro, als neuer Fertigstellungstermin wurde der 30. November 2011 vereinbart. 2010 setzte die Hamburgische Bürgerschaft einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein, um Ursachen für die Kostenerhöhung zu ermitteln. Im April 2013 unterzeichneten die Projektpartner nach weiteren Problemen auf dem Bau und einem zwischenzeitigem Baustillstand die Verträge für eine Neuordnung des Projekts u. a. mit zusätzlichen Leistungen von Hochtief und Mehrkosten für die Stadt von über 256 Mio. Euro für die Zusatzleitungen von Hochtief und den Architekten. Die Gesamtkosten für die Stadt betragen somit 789 Mio. Euro. Der neue Zeitplan wurde nach der Neuordnung eingehalten.
Werner Kallmorgen
1902 (in Altona) – 1979 (Heimart bei Landau an der Isar). Der Hamburger Architekt hat Theater, öffentliche Gebäude und Wohnsiedlungen entworfen. Studium an der Technischen Hochschule München und an der Technischen Hochschule Dresden. Kallmorgen war maßgeblich am Wiederaufbau der Hamburger Speicherstadt beteiligt.
Kaispeicher A
Ehemaliges Lagerhaus im Hamburger Hafen auf dem Großen Grasbrook, der heutigen HafenCity, entworfen von Werner Kallmorgen und 1966 fertiggestellt. Der Speicher steht auf 1111 Betonpfählen, die Pfähle haben einen durchschnittlichen Durchmesser von 50 Zentimetern und können bis zu je 160 Tonnen Gewicht tragen. Im Kaispeicher wurden vor allem Kakao und Kaffee aus Übersee gelagert.
Herzog & de Meuron
Das Architekturbüro wurde 1978 von den Architekten Jacque Herzog (*19.4.1950, Basel) und Pierre de Meuron (*8.5.1950, Basel) gegründet. Die Senior Partners sind Christine Binswanger, Ascan Mergenthaler und Stefan Marbach. Das Team arbeitet mit 40 "Associates" und fast 400 weiteren Mitarbeitern in Europa, Amerika und Asien. Die Zentrale ist in Basel. Niederlassungen gibt es in Hamburg, London, New York City und Hong Kong. International bekannt wurden Herzog & de Meuron mit dem Projekt für die Tate Modern in London. Die Außenraumgestaltung hat das Büro in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsarchitekten Dieter Kienast – wie auch weitere Projekte – realisiert. Weitere wichtige Projekte: die Stadionbauten St. Jakob-Park (Basel) und Allianz Arena (München), Für die Olympischen Spiele 2008 planten sie das Nationalstadion in Peking. Das Büro wird für Effekthascherei und hohe Kosten kritisiert, sowohl beim Projekt in Peking als auch bei der Umsetzung der Elbphilharmonie. Im Untersuchungsbericht über die Teuerungen und Verzögerungen beim Bau heißt es, dass die Architekten mit mehrfachen Fristüberschreitungen für Kostensteigerungen beigetragen und die Komplexität des von ihnen entwickelten Gebäudes erheblich unterschätzt hätten. Das Büro hat zahlreiche Preise erhalten, z. B. 2001 den Pritzker-Architektur-Preis.