Armed Forces Officers Club & Hotel – Der Betonfalke
Expressiv, ornamental, geradlinig oder fließend
Ein Lichtregen von Jean Nouvel (Louvre), ein Schimmerwesen von Asymptote (Yas Viceroy Hotel), ein Bienenwabenturm von AHR Global (Al Bahr Towers): Abu Dhabi hat im vergangenen Jahrzehnt architektonisch neue Maßstäbe gesetzt. Es lohnt aber auch ein Blick in die etwas ältere noch junge Architekturgeschichte der emiratischen Hauptstadt, geprägt durch expressive, ornamentale, geradlinige oder fließende Formen. Besondere Betonbauten prägen das Bild der Wüstenstadt. Am südlichen Rand der Insel unweit der weiß strahlenden Sheikh Zayed Moschee von Yousef Abdelki und Halcrow entwarf der Pariser Architekt Roger Taillibert 1997 den legendären Armed Forces Officers Club & Hotel. Inspirieren ließ er sich von den leichten Zeltstrukturen der Beduinenkultur und schuf damit eines der prägnantesten Bauwerke der Hauptstadt. Wie die Schwingen eines Falken, dem Wappentier des Landes, spannen drei gewaltige Betonschalen über den zentralen Baukörper der Anlage. Die eigentlich mit Polyurethan beschichteten Dachflächen erhielten 2006 ein goldschimmerndes Metall-Upgrade inklusive Dämmung. Unter den Schalen stapeln sich streng symmetrisch Lobbybereiche, Restaurants und Cafés, Fitnesscenter (übrigens das größte der Stadt), Wellnessbereiche, Schwimmbad, Theater, Bankett- und Konferenzflächen. Manche Bereiche fließen frei ineinander und geben dem Betonhimmel reichlich Raum. Immer wieder stößt man auf kleine Nischen, Terrassen und Inseln für informelle Gespräche. Alles scheint im Fluss. Edler Carrara-Marmor kontrastiert mit warmen Textilien, knallgrünen Pflanzen und Wasserspielen, die den traditionellen Falaj (Bewässerungssysteme) nachempfunden sind. Den wertvollen Naturstein soll der ehemalige Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Berlin, Jumaa Mubarak Al Junaibi, als damals Projektverantwortlicher noch höchstpersönlich in den apuanischen Alpen ausgewählt haben.
Ein goldschimmernder Flügelschlag
Zwei geschwungene Seitenflügel, die gemeinsam einen aufgesprengten Kreis bilden, schließen beidseitig an den Schalenbau an. Sie formen einen kreisrunden, teils begrünten Innenhof, der sich im Süden zum Wasser hin öffnet. Wenn es die Jahreszeit erlaubt, finden hier wechselnde Veranstaltungen statt. Besonders bemerkenswert sind aber die inneren Achsen der gebogenen Gebäudeteile. Helle Laubengänge führen beidseitig zu den 600 Gästezimmern und Suiten. 142 Pflanzenarten, verwandeln die hoch aufragenden Lobbys in einen saftig grünen, innenliegenden Garten. Kein Wunder, das die Fünfsterne-Anlage von der "British Association of Landscape Industries" 2002 mit dem "BALI Landscape Award" ausgezeichnet wurde. Im wunderbaren Kontrast dazu stehen hier die schweren Holz- und Ledermöbel, die mit gemustertem Textil bespannten Wände und verschiedenfarbige Marmi. In den kommenden Jahren sollen das etwas in die Jahre gekommene Mobiliar ersetzt und die Räumlichkeiten aufwendig erneuert werden. Auch der Außenraum erhält ein Facelift. Noch mehr Grün, Erweiterungsbauten und endlich einen eigenen Strand. Aber gerade das Zusammenspiel der zeitlosen Architektur mit seiner flachen, weitläufigen Umgebung, den etwas aus der Zeit gefallenen Möbel und Oberflächen verleihen der Anlage den unvergleichlichen "Wüste meets Eero Saarinen-Charme". Wer den noch unverfälscht erleben will, sollte sich beeilen. Mit etwas Glück erhält man sogar eine Führung durch die schwungvollen Hallen des Betonfalken.
Wüste trifft Saarinen
Armed Forces Officers Club & Hotel
Khor Al Maqta, Al Khaleej Al Arabi Road, Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate
Roger Taillibert
*21.1.1926 in Châtres-sur-Cher, †3.10.2019 in Paris. Der französische Architekt entwickelte sich in den 1960er-Jahren zu einem der Protagonisten der Membranbauweise. Er wirkte von von 1962–1966 an der Technischen Hochschule Stuttgart. Frei Otto hatte hier 1964 das "Institut für Leichte Flächentragwerke (IL)" gegründet. Schwerpunkte seiner Arbeit waren die Entwicklung und Erforschung kleiner und mobiler Konstruktionen. Tailliberts wegweisende Membranstrukturen wurden mehrfach patentiert. 1963 gründete er sein eigenes Architekturstudio in Paris. Bekannt wurde er vor allem durch seine Sportbauten. Dazu zählt der Neubau des "Parc de Prince" in Paris (1972), sowie Stadion, Velodrom, Schwimmhalle und Wohnanlagen für die Olympiade im kanadischen Montréal 1976. Im selben Jahr wurde er unter anderem mit dem renommierten französischen Architekturpreis "Grand prix national de l’architecture" ausgezeichnet. Taillibert wurde 1983 gewähltes Mitglied der Abteilung Architektur und 2010 Präsident der "Académie des Beaux-Arts".
Schalenkonstruktionen
... sind stützenlose, flächige Raumkonstruktionen, deren Lasten sowohl senkrecht als auch in der Fläche abgetragen werden können. Die Lasten werden durch Biegung und Längskräfte aufgenommen. Die Dicke der Schale ist im Verhältnis zu ihrem Ausmaß sehr gering. Die Spannweiten von Schalenkonstruktionen können bis zu 150 m betragen. Die Schalenbauweise ermöglicht eine Vielzahl geometrischer freier Formen von der Kuppel bis zu hyperbolischen Paraboloiden, in sich gedrehte und gebogene Flächen. Dünne Schalen sind hochleistungsfähige und hochempfindliche Tragwerke. Wegen ihrer komplizierten Anforderung an Statik, Geometrie und Material ist die Realisierung sehr kostenintensiv und planerisch aufwendig. Durch die Erfindung und Forschung neuer Materialien wurden dem Schalenbau nach 1945 neue Impulse gegeben. Bekannte Vertreter des modernen Schalenbaus sind Ulrich Müther, Eero Saarinen, Frei Otto und Santiago Calatrava (aus www.baunetzwissen.de).