Zukunft Wohnen aus dem jovis Verlag: Goethes Germany – Architektur in Berlin
Berlin. Deutschland. Nach der erfolgreichen Publikation "Refugees Welcome – Konzepte für eine menschenwürdige Architektur" ist nun knapp eineinhalb Jahre später die Fortschreibung beim Berliner Verlag jovis erschienen. In ihrem neuen Buch begreifen die Autoren Migration als Chance zur Bewältigung der wachsenden Wohnungsnot. Es kommt nur darauf an, die Großstädte klug und mit Bedacht umzugestalten. Damit beziehen auch sie klar Stellung zur aktuell geführten Debatte um die sogenannten "Arrival Cities".
"Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter."
Johann Wolfgang von Goethe
Kernig eröffnete der Vorgängerband mit einem Zitat Goethes und Fotografien fader Containerbarracken. Ein starkes Statement. Geht es doch nicht nur darum, Menschen ein Dach über dem Kopf zu gewähren, sondern ein humanes Umfeld zu schaffen, in dem Ankommen, Teilhabe und Aufstieg möglich sind. Bestand "Refugees Welcome" in erster Linie noch aus Vorschlägen und Utopien, die während eines Semsterprojektes Studierender an der Leibniz Universität Hannover am Lehrstuhl von Prof. Jörg Friedrich erarbeitet wurden, antwortet der nachfolgende Band mit dem akademisch etwas knarzigen Titel "Zukunft: Wohnen – Migration als Impuls für die Kooperative Stadt" mit konkreten Maßnahmen und internationalen Projekten. Eines ist klar. Die Flüchtlingsfrage wird uns noch viele Jahre beschäftigen und damit auch der Bedarf nach bezahlbaren, würdevollen Wohnformen, die letzlich viele in der Gesellschaft benötigen.
"Weg von der Stararchitektur für wenige hin zu der Suche nach einer würdevollen, bezahlbaren Wohnarchitektur für viele."
Zukunft: Wohnen
Am Anfang des neuen Titels wird die Leserschaft mit Fakten und Zitaten eingedeckt. Sie machen noch einmal deutlich, wie polarisierend die Positionen sind und wie sehr die Akzeptanz in der Gesellschaft zu schwinden droht. Aber genau dieser Zustand habe im architektonischen Diskurs die notwendigen kreativen Prozesse ausgelöst, so Jörg Friedrich in seiner Einleitung. Es gehe wieder mehr um das Grundbedürfnis des Menschen: das Wohnen. Gerade das einfache, sozial verträgliche, integrative und unbürokratische Bauen rücke so nun erneut in den Fokus der Debatten, so der Autor. In weiteren Beiträgen unter anderem von Philipp Oswalt, dem ehemaligen Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, und Julian Benz, einem ehrenamtlichen Berater für Hausgruppenprojekte, wird diese Diskurs dann auch geführt. Ergänzt werden die Gedanken von einer Sammlung diverser Architekturen, Methoden und Strategien für eine sozial verträgliche Stadt. Zum besseren Verständnis sind die vielschichtigen Vorschläge entsprechend nach Kapiteln sortiert: Temporär, Modular, Verdichtet, Transformiert, Hybrid und Partizipativ wird hier gedacht. Die wachsende Wohnungsnot erfordert auch von Architektur und Stadtplanung einen Beitrag, eine Verpflichtung, die nur mühsam zu bewältigen scheint. So liefert das Buch keine allgemein gültigen Lösungen. Wie auch, gilt es doch, die gesellschaftliche Integration durch räumliche Integration lokal präzise und den jeweiligen Umständen entsprechend zu stärken. Das Buch ist vielmehr als eine Sammlung zu verstehen, die verschiedene Lösungsansätze anbietet. Dabei bleiben die vorgestellten Vorschläge meist nicht nur Gedankenexperimente, sondern werden hinterlegt mit Finanzierungsvorschlägen, baurechtlichen Überlegungen, Zahlen und harten Fakten. Und damit ist diese Publikation ein wichtiger Beitrag zum zwingend zu führenden Diskurs über die Zukunft des Wohnens in unseren Städten. Aber ein wenig Stararchitektur sollte schon auch noch drin sein.