
Heute empfängt Wittenberg ihre Besucher leicht und luftig. Das historische, ziemlich verwahrloste Empfangsgebäude mit seinen romanischen Rundbögen, entworfen vom Berliner Baumeister Franz Schwechten, musste dafür zuvor weichen. Eine schneeweiße Membran spannt über die frisch gefliesten Ausgänge. Daneben steht ein nüchterner Bahnhofsbau. Der zweite "Grüne Bahnhof" des Landes wurde fast vollständig aus natürlichen Baustoffen errichtet. Die Versorgung erfolgt energieautark und klimaneutral mit Sonnenenergie und Geothermie. Gesammeltes Regenwasser spült die WC-Anlagen. Eine noch zart begrünte Promenade führt von hier vorbei an Cranachs geflügelter Schlange und Luthers knorriger Eiche in den schmucken Stadtkern.
"Anstrengungen machen gesund und stark."
Martin Luther
Wittenbergs historische Innenstadt hatte den Krieg zwar beinahe unbeschadet überstanden. In den Folgejahren ließ die Ignoranz der DDR-Verantwortlichen das wertvolle Bauerbe allerdings langsam und stetig vor sich hinbröckeln. Nur die starke Bürgerinitiative der Wittenberger stoppte im Herbst 1989 schließlich lautstark und erfolgreich den Verfall. In den folgenden Jahren wurde mit Förderung des Landes, des Bundes und der Europäischen Union ein kluges Stadtentwicklungskonzept erarbeitet, dass unter Einbindung der Bürger*innen bis heute immer wieder angepasst und fortgeschrieben wurde. Egal ob Augusteum oder Schloss, seit 2013 wird mit dem Beteiligungsformat "Stadtgespräche Baukultur" konsequent über den Umgang mit dem wertvollen Bauerbe öffentlich diskutiert. Toleranz und Diskurs prägten schon immer die Atmosphäre an der Elbe. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Eine strahlende Stadt, in der es sich vermutlich richtig gut leben lässt.








Die Neuerfindung
Auch architektonisch setzt Wittenberg Impulse. Entscheidend dabei ist der besonders feinfühlige Umgang mit der historischen Bausubstanz. So sind in den letzten Jahren eine ganze Reihe leiser Architekturen entstanden, die die Wunden der Stadt geschlossen und vergessene Schichten wieder sichtbar gemacht haben. Vieles wurde anlässlich des Lutherjahres angestossen. Die Neuerfindung der historisch bedeutsamen hin zu einer modernen menschenfreundlichen Stadt ist auch der konsequenten Bürgerbeteiligung und einer bedachten Stadtplanung zu verdanken. Getreu dem Motto der aktuellen Weltausstellung: Reformation heißt Zukunft gestalten.














"Denn es ist besser mit eigenen Augen zu sehen als mit fremden."
Martin Luther