Das Museum des Zweiten Weltkriegs – Kubus mit Kante
Knapp sechs Kilometer südlich der Westerplatte, mit deren Beschuss die Deutschen am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg entfesselten, zeichnet ein neues Museum Ursachen, Verlauf und Folgen dieser größten Katastrophe der Neuzeit eindrucksvoll nach. Mehr als alle betroffenen Nationen hat dieser Krieg die Polen geschunden. Jeder sechste verlor sein Leben, insgesamt fast sechs Millionen Menschen, davon gut die Hälfte Juden. Die Opfer waren zu neunzig Prozent Zivilisten.
Gründe genug, in Danzig mit einer Investition von 100 Millionen Euro eines der größten Museen zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs zu errichten. Gründungsdirektor Pawel Machcewicz und sein Team haben in acht Jahren über 25.000 Objekte zusammen getragen, zu einem Drittel eingeworben bei Privatleuten. Ein gutes Zehntel ist in der Dauerausstellung zu sehen. Ihr Konzept ist es, den Alltag des Krieges im europäischen Kontext zu zeigen, die Leiden von Kindern, Frauen und Alten, von Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und rassistisch Verfolgten, die Spuren von Terror, Widerstand und Kollaboration. Ausblicke reichen bis China und Japan, doch der Schwerpunkt liegt auf Osteuropa, den "Bloodlands", wie sie Timothy Snyder beschrieben hat, einer der Historiker aus dem internationalen Beraterteam des Museums.
Nach einem Wettbewerb mit über hundert Teilnehmern hat im September 2010 eine Jury unter Vorsitz von Daniel Libeskind den Entwurf des Danziger Architekturstudios Kwadrat mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Der Bau am Rande der Altstadt setzt ein starkes Zeichen. Ein mächtiger Kubus, vierzig Meter hoch und stark geneigt, verblüfft mit seinen fliehenden Linien. Zum Stadtzentrum hin öffnet er sich mit einer Glasfassade und zum Himmel mit einem geknickten Glasdach. Ein dreieckiger Platz mit einer scharfen Spitze im Süden, nahe dem Fluß Motlawa, läuft auf den trapezartigen Würfel zu, links flankiert vom Kanal Radunia, rechts von einem langen Flachbau mit schrägem Dach eingefasst. Optisch verbunden sind die Gebäude durch die Zementplatten ihrer Verkleidung, eingefärbt in einem markanten Rot, das an die Ziegelsteine des alten Danzig erinnern soll. Doch der Kern des Museums verbirgt sich bis vierzehn Meter tief unter der Erde: die Ausstellungsfläche auf 5.000 Quadratmetern.
Zu seiner Sache gemacht hat das Museum der damalige Ministerpräsident Polens Donald Tusk, heute EU-Ratspräsident. Die derzeitige polnische Regierung hat zur Eröffnung Ende März 2017 niemanden geschickt, denn die PiS-Leute um Parteichef Jarosław Kaczyński vermissen das Nationale, Heroische und Märtyrerhafte. Den Direktor Pawel Machcewicz haben sie schon entlassen, Veränderungen am Konzept bleiben zu befürchten.
Museum des Zweiten Weltkrieges
Muzeum II Wojny Światowej. Adresse: PL 80-862 Gdańsk, 1 Władysław Bartoszewski sq. Tel: +48 58 323 75 20. Eröffnet am 23.3.2017. Öffnungszeiten Di.–So.: 10–19 Uhr. Dienstags ist der Eintritt kostenfrei. Regulärer Eintrittspreis: 23 zł, ermäßigt: 16 zł.
Studio Architektoniczne Kwadrat Sp. z o.o.
Das Architekturbüro wurde 1989 von Jerzy Kaczorowski, Jacek Droszcz und Adam Drohomirecki in Gdansk gegründet. Seit 1995 hat das national und international mehrfach prämierte Büro seinen Sitz in Gdynia-Kolibki und wird von Jacek Droszcz und Bazyli Domsta geleitet.
Paweł Mateusz Machcewicz
Geboren 27.4.1966 in Warschau, Polen. Er ist polnischer Historiker und war bis April 2017 Gründungsdirektor des Museums des Zweiten Weltkriegs in Gdańsk. Von 2000–2006 war er Präsident des Biuro Edukacji Publicznej (Büro für Bildung) am Institut für Nationales Gedenken (Instytut Pamięci Narodowej, IPN). Am 1. September 2008 wurde der Historiker einer der wichtigsten Berater des polnischen Premierministers Donald Tusk. Kurz darauf erhielt er seine Berufung als Gründungsdirektor des Danziger Museums. Als Tusk-Vertrauter erhielt er am 24. Januar 2017 seine Kündigung durch die PiS-Regierung, die er auch zeitweilig akzeptierte. Durch die Gerichtsverfahren um die Zusammenlegung des Museums mit dem geplanten Westerplatte-Museum blieb er weiterhin im Amt und konnte am 23. März 2017 das Museum eröffnen. Nach einem Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts in Warschau vom 5. April 2017 wurde Machcewicz am folgenden Tag entlassen. Das Ministerium für Kultur und nationales Erbe teilte die Vereinigung der beiden Museen mit und ernannte den Historiker Karol Nawrocki als Nachfolger.