Das Museum des Zweiten Weltkriegs: Kubus mit Kante – Architektur in Gdańsk
Gdańsk. Polen. Zum Zweiten Weltkrieg ist alles gesagt? Mitnichten, denn dem Architekturbüro Studio Kwadrat und den Kuratoren gelingt mit dem Muzeum II Wojny Światowej in Gdańsk eine umfassende und mitfühlende Sicht auf die Schrecken der Großkatastrophe der Neuzeit. Das passt nicht jedem, vor allem nicht der jetzigen polnischen Regierung. Unser Autor Ludwig Moos hat sich das Areal genau angeschaut und befürchtet, dass sich die National-Konservativen durchsetzen könnten.
"The mission of the Museum of the Second World War is to create a modern institution that will present the history of the war as the greatest cataclysm of the 20th century. Despite the fact that over 70 years have passed since the outbreak of the Second World War, no museum in Europe treats its course and nature comprehensively. This makes our initiative timely."
Muzeum II Wojny Światowej
Knapp sechs Kilometer südlich der Westerplatte, mit deren Beschuss die Deutschen am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg entfesselten, zeichnet ein neues Museum Ursachen, Verlauf und Folgen dieser größten Katastrophe der Neuzeit eindrucksvoll nach. Mehr als alle betroffenen Nationen hat dieser Krieg die Polen geschunden. Jeder sechste verlor sein Leben, insgesamt fast sechs Millionen Menschen, davon gut die Hälfte Juden. Die Opfer waren zu neunzig Prozent Zivilisten. Gründe genug, in Danzig mit einer Investition von 100 Millionen Euro eines der größten Museen zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs zu errichten. Gründungsdirektor Pawel Machcewicz und sein Team haben in acht Jahren über 25.000 Objekte zusammen getragen, zu einem Drittel eingeworben bei Privatleuten. Ein gutes Zehntel ist in der Dauerausstellung zu sehen. Ihr Konzept ist es, den Alltag des Krieges im europäischen Kontext zu zeigen, die Leiden von Kindern, Frauen und Alten, von Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und rassistisch Verfolgten, die Spuren von Terror, Widerstand und Kollaboration. Ausblicke reichen bis China und Japan, doch der Schwerpunkt liegt auf Osteuropa, den "Bloodlands", wie sie Timothy Snyder beschrieben hat, einer der Historiker aus dem internationalen Beraterteam des Museums. Nach einem Wettbewerb mit über hundert Teilnehmern hat im September 2010 eine Jury unter Vorsitz von Daniel Libeskind den Entwurf des Danziger Architekturstudios Kwadrat mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Der Bau am Rande der Altstadt setzt ein starkes Zeichen. Ein mächtiger Kubus, vierzig Meter hoch und stark geneigt, verblüfft mit seinen fliehenden Linien. Zum Stadtzentrum hin öffnet er sich mit einer Glasfassade und zum Himmel mit einem geknickten Glasdach. Ein dreieckiger Platz mit einer scharfen Spitze im Süden, nahe dem Fluß Motlawa, läuft auf den trapezartigen Würfel zu, links flankiert vom Kanal Radunia, rechts von einem langen Flachbau mit schrägem Dach eingefasst. Optisch verbunden sind die Gebäude durch die Zementplatten ihrer Verkleidung, eingefärbt in einem markanten Rot, das an die Ziegelsteine des alten Danzig erinnern soll. Doch der Kern des Museums verbirgt sich bis vierzehn Meter tief unter der Erde: die Ausstellungsfläche auf 5.000 Quadratmetern. Zu seiner Sache gemacht hat das Museum der damalige Ministerpräsident Polens Donald Tusk, heute EU-Ratspräsident. Die derzeitige polnische Regierung hat zur Eröffnung Ende März 2017 niemanden geschickt, denn die PiS-Leute um Parteichef Jarosław Kaczyński vermissen das Nationale, Heroische und Märtyrerhafte. Den Direktor Pawel Machcewicz haben sie schon entlassen, Veränderungen am Konzept bleiben zu befürchten.
"It is not true that historians know all about the Second World War. It is not true that all the questions about that era have been answered. Most people are unaware of historians' ideas... We not only need works of synthesis about the Second World War, we badly need exhibitions, multimedia, ways of expanding knowledge about this cataclysm. And for this reason, this museum project is extremely welcome."
Norman Davies, britisch-polnischer Historiker
"This Museum of the Second World War will become a unique and powerful icon, as well as a public attraction standing for the never-to-be-forgotten history of World War II, a new symbol that will inscribe itself in the hearts of the people of Gdańsk, Poland and Europe."
"This museum is to become a loud statement not only through its content, but also through its architecture. It will be a visible embodiment, the best, powerful and attractive way to disseminate our thoughts and feelings. It is to become a statement of the way we Poles understand our duty towards peace. It is an impressive new step in rebuilding of Gdańsk. Let it be a proof that we have drawn correct conclusions from this war."
Donald Tusk, Politiker, Ministerpräsident von Polen 2007–2014, seit 2014 Präsident des Europäischen Rates.
"We wanted the architecture to be a delicate suggestion rather than strong quotation for the World War II tragedy. That is how the idea of dynamic, expressive form had been brought to live, tearing apart the symbolic and dramatic shell covering the world, created by the war. The design of the form is to be undefined by one literally meaning. It may be discovered in many ways by each and every individual viewer."
Studio Kwadrat, Architekturbüro aus Gdansk und Planer des Muzeum II Wojny Światowej