Berlin. Deutschland. Die Ausstellung "Otto Bartning (1883–1959). Architekt einer sozialen Moderne" in der Akademie der Künste am Hanseatenweg würdigt einen vielseitigen Kreativen, der die Baukultur und vor allem den Kirchenbau des 20. Jahrhunderts mit geprägt hat.
Er ist wichtig. So wird Otto Bartning aktuell propagiert. Es klingt nach einer Wiedergutmachung und nach Aus-der-Versenkung-holen. Bei der Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung von "Otto Bartning (1883–1959). Architekt einer sozialen Moderne" wurde oft von Bartnings Bedeutung und seiner vielschichtigen Persönlichkeit gesprochen. Zu recht. Da ist zunächst sein Werk als Architekt. Auf diesem Gebiet verbindet er Neue Sachlichkeit mit Expressionismus wie beispielsweise die Gustav-Adolf-Kirche in Berlin-Charlottenburg. Sie gilt mit der Stahlbeton-Rahmenkonstruktion, dem Klinkermauerwerk und den Glasflächen an den Seiten als die bedeutendste Bartningkirche, wegweisend und modern. Überhaupt, seine Kirchenbauten. Sein expressionistischer Entwurf der Sternkirche von 1922 revolutionierte den protestantischen Sakralbau, auch Siedlungsbauten und Krankenhäuser prägten sein Werk in den 1920er-Jahren. Während des Dritten Reichs war er kein Mitläufer oder gar Naziarchitekt, sondern hielt sich im Hintergrund. Er war den Faschisten zu fortschrittlich. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er einer der Vorreiter eines schlichten und soliden Wiederaufbaus in der Bundesrepublik Deutschland – eine Funktion, die er in wichtigen beratenden Gremien, in der Akademie der Künste sowie als Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten vorantrieb. Im Rahmen des Notkirchenprogramms, das er ab 1945 mitentwickelte, wurden in 43 deutschen Städten Typenkirchen aus vorfabrizierten Elementen errichtet. Die Internationale Bauausstellung "Interbau 1957" in Berlin bildete einen weiteren Höhepunkt seines Lebenswerks. Unter Bartnings Leitung entstand der Bebauungsplan für das Hansaviertel, dessen 60-jähriges Jubiläum dieses Jahr gefeiert wird; die das Viertel durchziehende Bartningallee ist nach ihm benannt. In der Tat, er ist wichtig. Und nicht nur, weil eine Straße seinen Namen trägt. Zum sechzigsten Jubiläum der Interbau kommt die Würdigung in Form der umfassenden und zugleich konzentriert gestalteten Ausstellung und das Aus-der-Versenkung-holen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Zumal das Hansaviertel 2017 nicht nur den Interbau-Jahrestag feiert, sondern sich zudem um die Anerkennung als Weltkulturerbestätte beworben hat – gemeinsam mit der Karl-Marx-Allee.
"Der Kirchenbau soll sich auf seine uralte Aufgabe besinnen, die, in jedem Material und jeder Technik, so auch in der modernen Materialtechnik schlummernde Geistigkeit in den Dienst der Religion zu stellen, die Materie zur Form zu erlösen."
Otto Bartning, Ansprache zur Einweihung der Stahlkirche am 31. Mai 1928
"Die Entdeckung des bisher kaum bekannten Lebenswerks von Otto Bartning ... führt in eine Zeitreise durch vier Epochen deutscher Geschichte, in denen er als Architekt und Theoretiker der Moderne, als Inspirator und Kritiker, Schriftsteller und Berater die Baukultur des 20. Jahrhunderts nachhaltig geprägt hat. Nicht nur seine Bauten, auch seine Reden und Schriften setzten den Maßstab für die gesellschaftliche Verantwortung von Architekten, denen die soziale Dimension ihrer Bauten ... mindestens ebenso wichtig war wie der künstlerische Anspruch ..."
Vorwort Ausstellungskatalog "Otto Bartning (1883–1959). Architekt einer sozialen Moderne"