Edvard Ravnikar – Der Diagonalist

Edvard Ravnikar gilt als zentrale Figur der Nachkriegsarchitektur Sloweniens. Unter seiner Führung bildete sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine neue Generation slowenischer Architekten heraus, die in der Folge entscheidend zur infrastrukturellen Entwicklung ganz Jugoslawiens beigetragen haben. Ravnikar arbeitete einige Zeit bei Le Corbusier in Paris, und er war einer der besten Schüler und Mitarbeiter des bis heute bedeutendsten Architekten Sloweniens, Jože Plečnik (mehr über die beiden Großmeister in unseren Beiträgen Le Meister und Plečnik Power anlässlich des Jubiläumjahres 2017). Aber ausgerechnet an seinem ersten Projekt zerbrach die Beziehung der beiden, erklärt Dr. Bogo Zupančič, Kurator der Ausstellung „Plečnik, Ravnikar and the Modern Gallery“, die im Frühjahr dieses Jahres in der Kapelle des Fužine Schlosses, Museum für Architektur und Design (MAO), zu sehen war. Ravnikar war Plečniks Zeichner, als der Kunsthistoriker Prof. Dr. Izidor Cankar, Auftraggeber und Initiator der neuen Galerie der Moderne, ein Auge auf das Können des noch sehr jungen Mitarbeiters warf. 1936 überzeugte er schließlich Plečnik, Ravnikar als Entwurfsarchitekten ins Planungsteam der neuen Kunsthalle zu holen. Selbstverständlich übernahm der Altmeister zunächst höchstpersönlich die Leitung des Projekts. In den folgenden Jahren entstanden eine ganze Reihe Ideenskizzen, sowohl von Plečnik selbst, als auch von seinem jungen Mitarbeiter. Schließlich setzte sich die in Augen Cankars klarste, funktionalste und günstigste Variante durch. Aber nicht Plečniks Idee kam zur Ausführung – Cankar war ganz und gar nicht von seinem wenig progressiven Konzept überzeugt – sondern die seines ehemaligen Schülers. Der Meister schäumte, der Bruch war perfekt. Ravnikar hatte seinen ersten Auftrag. Infolge des Zweiten Weltkrieges kam die Galerie der Moderne erst in den frühen 1950ern zur Ausführung. Heute zählt sie zu den wichtigsten Bauwerken des Landes.

Museum für Moderne Kunst
Der Bau ist Ravnikars erstes bedeutendes Werk in Ljubljana und das erste modernistische Gebäude des Landes. Das Museum hat ein einfaches geometrisches Design. Die verschieden großen Ausstellungsräume befinden sich ausschließlich im Erdgeschoß entlang einer streng symmetrisch angeordneten Achse. Verwaltung, Bibliothek und Archive befinden sich im oberen Geschoss, die Werkstätten im Untergeschoss.

Museum für Moderne Kunst
Die kompositorische Achse des Gebäudes fließt bis in den Außenraum an die sogenannte Plečnik Promenade zum Tivoli Park.

Museum für Moderne Kunst
Der starke Einfluss seines Lehrers Plečnik ist besonders an der Fassadengestaltung zu erkennen. Die freie und asymmetrische Komposition der Steinfassade zeigt bereits klare Zeichen der aufkommenden Moderne.

Museum für Moderne Kunst
Das Gebäude wurde 2009 vom slowenischen international hoch geschätzten Studio bevk perović arhitekti renoviert.

Museum für Moderne Kunst
Seitdem befindet sich auch eine Cafeteria im Untergeschoß des Hauses.
Mit der Galerie der Moderne begann Ravnikars Aufstieg zu einem der wichtigsten Baumeister und Lehrer des Landes. Neben vieler Ehrungen und Auszeichnungen wurde er zügig Mitglied der Akademie der Wissenschaften Jugoslawiens. Über Jahrzehnte prägten er und seine Schüler eine höchst eigenständige Form der modernen jugoslawischen Baukunst. Plečnik hingegen geriet immer mehr in den Hintergrund. Sein Werk jedoch wirkte weit in die neue Bewegung hinein. So ist Ravnikars Architektur eine ungewöhnliche Verschmelzung aus Plečniks modernem Klassizismus und Le Corbusiers konsequentem Brutalismus, aber auch landschaftsspezifischer Bauweisen. Hinzu kamen andere europäische Einflüsse, insbesondere schweizerisch-nüchterne und skandinavisch-organische Elemente. Besonders der Finne Alvar Aalto hatte es ihm angetan. Die von Ravnikar angeführte Ästhetik war in den 1960er-Jahren durch den Versuch charakterisiert, eine Synthese menschlicher Bedürfnisse, natürlicher Formen und architektonischer Techniken zu erschaffen. So wird die modernistische Architektur dieser Zeit auch als "Architektur der Diagonalen" beschrieben - geometrische Visionen, die aus der lokalen Landschaft inspiriert waren.

Der Alt-Meister und sein Schüler
Das sogenannte Kanarienvogel-Haus steht direkt neben Plečniks Bügeleisen.

Der Alt-Meister und sein Schüler
Seinen Namen erhielt der nüchterne Bau offensichtlich durch die knallige Farbe der Fassadenbekleidung.

Der Neu-Meister und sein Schüler
Mit der weit auskragenden Dachkonstruktion einer Tankstelle vereint Ravnikar Schwung und Gerade.

Der Neu-Meister und sein Schüler
Ähnlich machte es sein Schüler Milan Mihelič 1968 ganz in der Nähe.

Ferantov Vrt
Am Konzept der Geschäfts- und Wohnanlage Ferantov Garden zeigt sich, dass Ravnikar nicht nur der sichtbarste und prominenteste Vertreter der slowenischen Moderne war, sondern auch einer ihrer schärfsten Kritiker.

Ferantov Vrt
Das Design ist Ausdruck von Ravnikars Kritik an den Wohnblocks, die das Wachstum und die Modernisierung der Städte in der Mitte des 20. Jahrhunderts prägten und eine Kritik an den Prinzipien der modernen Stadtplanung, die die soziale Bedeutung der offenen Räume, Straßen und Plätze häufig nicht erkannte.

Ferantov Vrt
Auch hier legte er besonderen Wert auf eine differenzierte Fassadengestaltung.

Platz der Republik
Der Platz der Republik ist das Ergebnis von fast zwanzig Jahren Studium des städtischen Raums. Es bildet zusammen mit dem Parlamentsgebäude das politische Zentrum Sloweniens.

Platz der Republik
Ursprünglich sollte es hier um den Entwurf eines Revolutions-Denkmals gehen. Zwei Hochhäuser sind die städtebaulichen Ankerpunkte der Plätze. Ravnikar plante die zwei verschieden hohen Gebäude als Antwort auf die beiden wichtigsten Erhebungen der Stadt, dem Burgberg und dem Tivoli. Die Fassaden sind mit dünnen Granitplatten bedeckt. Sloweniens erstes Kaufhaus Maximarket (Maxi) bildet eine Flanke des Platzes.

Platz der Republik
Alvar Aaltos Einfluss ist unverkennbar.

Platz der Republik
Der Eingang zum Kultur- und Kongresszentrum Cankarjev dom, ebenfalls von Ravnikar.

Platz der Republik
Auch das Parlament der Republik Slowenien steht an diesem zentralen Platz. Entworfen wurde es 1954-1959 von Vinko Glanz, einem weiteren Schüler Plečniks. Besonders auffällig ist das schwere Eingangsportal des Gebäudes.

BS-3
Der serbo-slowenische Architekt Ilija Arnautović machte 1952 seine Master-Abschluss bei Ravnikar. Die expressiv „gebirgige“ Wohnanlage BS-3 am Stadtrand von Ljubljana zählt zu seinen bedeutendsten Werken.

BS-3
Zwei Architekten Generationen an einem Ort vereint: Im Hintergrund die Wohnanlage BS-3 von Ilija Arnautović, im Hintergrund des neue Stadion von Sadar + Vuga.

Im Gespräch
Dr. Bogo Zupančič, Kurator des MAO, führte THE LINK-Mitgründer Hendrik Bohle und die Foto-Künstlerin Bettina Cohnen durch die Ausstellung "Plečnik, Ravnikar and the Modern Gallery".
Unsere redaktionell unabhängige Recherchereise wurde ermöglicht durch Visit Ljubljana und dem Slowenischen Fremdenverkehrsamt.
Edvard Ravnikar
geboren am 4.12.1907 in Novo Mesto, gestorben am 23.8.1993 in Ljubljana. Slowenischer Architekt, Stadtplaner und Intellektueller. Ravnikar studierte Architektur in Wien und in Ljubljana. Nach seinem erfolgreichen Abschluss 1935 arbeitete er zwei Jahre bei seinem Lehrer Joze Plečnik, u.a. an den Entwürfen für die slowenische National- und Universitätsbibliothek. 1939 ging er für kurze Zeit nach Paris zu Le Corbusier. Von 1946 bis 1980 war er Professor an der Fakultät für Architektur der Universität Ljubljana. Ravnikar wurde vielfach ausgezeichnet, darunter mit dem Plečnik-Preis 1975 und 1987, dem Herder-Preis in Wien 1988 sowie einem Ehrendoktorat der TU Graz 1988. Neben seinem Erstlingswerk, dem Museum für Moderne Kunst in Ljubljana (1939-1948), zählen der nicht realisierte Stadtentwicklungsplan für Novi Belgrad (1947), die Nationalbank in Celje und Kranj (1959), die Bauingenieurfakultät (1966) und der Platz der Republik (1960-1980) in Ljubljana und das Hotel Maestral in Przno (1971) zu seinen wichtigsten Werken. Nicht zuletzt durch seine zahlreichen Projekte im slowenischen Nova Gorica legte Ravnikar die “modernistische Basis” für die slowenischen Architektur.
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