Schulboulder- und Kletterhalle: Kletterformation – Architektur in Bruneck
Bruneck. Italien. Die gelungene Architektur des Kletterzentrums Bruneck passt zu einer Region, in der in den vergangenen Jahren ambitoniert gebaut wurde. Helmut Stifter vom Büro Stifter + Bachmann hat uns die Schulboulder- und Kletterhalle gezeigt. Zuvor haben wir uns die Altstadt von Bruneck angesehen, die wie ein Postkarten-Motiv mit modernen Elementen wirkt.
Bruneck gilt als das geographische und kulturelle Zentrum des Pustertals. Hier in der Brunecker Weitung münden Ahrtal und Gadertal, hier fließt die Ahr in die Rienz. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Stadt 1256 n.Chr. Der Brixener Bischof Bruno von Kirchberg hatte die Siedlung gegründet. Einige Jahre später verlegte er sein Verwaltungszentrum von Auhofen hierher und ließ Burg Bruneck errichten. Auf einem bewaldeten Hügel überragt das heutige Wahrzeichen Zinnen bewehrt und weithin sichtbar die Altstadt. Ursprünglich bestand diese aus nur zwei Reihen mit neunzig Häusern, die sich an den Schlossberg schmiegten. Am Westende der langen Stadtgasse (Via Centrale) befand sich ein großer Platz. Dieser bis heute gut ablesbare Grundriss war von Anfang an so eingeschrieben. Ihre Blüte erlebte Bruneck im 14. und 15. Jahrhundert. Glücklicherweise lag die Gemeinde auf einer bedeutenden Handelsroute, die Venedig mit Augsburg verband. Der Ort wurde wohlhabend. Von der baulichen Substanz rund um die Via Centrale profitiert das historische Zentrum zwischen seinen mittelalterlichen Mauern und steinernen Stadttoren noch heute. Bruneck verharrte aber nicht in musealer Lethargie, sondern erfand sich auch innerhalb der geschichtsträchtigen Grenzen immer wieder neu. Das zahlte sich aus. 2009 wurde sie als lebenswerteste Kleinstadt Italiens gekürt. Mehr über Südtirols neue Architekturen: hier.
Was in den europäischen Metropolen derzeit angesagt ist, hat in Südtirol schon lange Tradition. In stillgelegten Industrie- und Lagerhallen formieren sich künstliche Bergmassive, gespickt mit bunten Kletterhilfen. Yoga war gestern, heute wird gebouldert. Indoor versteht sich, wetterfest und mit DJ Line-up. Entsprechend ansprechend kommt das Kletterzentrum der Gemeinde Bruneck daher. Das Duo Stifter + Bachmann realisierte hier die nach eigenen Angaben erste Anlage, die neben dem öffentlichen Betrieb ausdrücklich auch den Schulsport integriert. Die Reaktion der Brunecker war zunächst eher zurückhaltend. "Viele hätten sich lieber eine Eissporthalle gewünscht", schmunzelt Helmut Stifter bei unserem gemeinsamen Besuch der Anlage. Mittlerweile ist das Kletterzentrum ein Highlight der Stadt. Das liegt nicht nur an der engen Einbindung schulischer Aktivitäten. Von morgens bis abends werden hier parallel mehrere Schulklassen aufgenommen. Die Kletter- und Boulderanlage hat wegen ihrer Programmatik und der gelungenen Architektur bereits international für Aufsehen gesorgt. Knapp 7 Millionen Euro ließ sich die Autonome Provinz Südtirol ihre neue Landmarke kosten.
Solitär mit introvertiertem Innenhof und gefalteter Halle
In einem räumlich undefinierten Gebiet am Rande des Stadtzentrums zwischen Hotelfachschule und Parkplätzen fällt der markante Solitär sofort ins Auge. Die ansteigend, gefaltete Halle wickelt sich um einen introvertierten Innenhof, der sich als Stadtplatz mit Zuschauerbereich und Tribüne zur Stadt hin öffnet. Hier finden in unregelmäßigen Abständen verschiedene öffentliche Veranstaltungen statt. Schlicht gestaltete Grünflächen umfließen die Bauformation mit ihrer kraftvoll abstrahierten landschaftlichen Bezugnahme. Die äußeren Fassaden sind geschlossen. Die dem Hof zugewandten Ansichten sind großflächig verglast und ermöglichen direkte Blickverbindungen der einzelnen Raumfolgen und Kletterbereiche untereinander. Die Anlage überzeugt besonders durch den verdichteten Umgang mit Details und Materialien. Die massive Hülle des Gebäudes wurde fugenlos in Ortbeton mit natürlichen Zuschlägen aus örtlichem Kalkstein ausgeführt. Die gesamte Oberfläche ließen die Architekten anschließend mit Hammer und Meißel bildhauerisch bearbeiten. Durch das sogenannte Stocken gewinnt der Bau zusätzlich an Plastizität. Das zentral gelegene Foyer mit Kasse und Bar schoben die Architekten ebenerdig in den Baukörper ein. Eine Galerie öffnet sich einerseits dem geschossübergreifenden Kletterbereich, andererseits führt eine Treppe ins obere Geschoß zum Verwaltungsbereich, in einen Vortragsraum und auf eine weitere Galerie. Die Boulder- und Kletterbereiche erstrecken sich bis in die beidseits des Foyers gelegenen Gebäudeflügel und reichen bis ins Untergeschoss hinab.
Panorama des Pustatals
Ganz in Sichtweite des Kletterzentrums nistet eine weitere Landmarke. Am Rande des Kronplatz-Plateaus schimmert das tunnelartige Messner–Mountain-Museum der verstorbenen Zaha Hadid. Die wenigen Öffnungen und Balkone lenken gezielte Blicke auf das Panorama des Pustatals und fordern geradezu zum Klettern auf. Das passt gut zum aktuellen Projekt von Stifter + Bachmann. Auf einer Höhe von etwa 3.020 Meter (über dem Meeresspiegel) realisiert das Duo derzeit den Wiederaufbau der Schwarzensteinhütte. Die alte Schutzhütte muss aus Sicherheitsgründen abgetragen werden. Eine besondere Herausforderung ist der Transport des Baumaterials und die extrem schwankenden Wetterbedingungen. Deshalb wurde eigens eine Seilbahn für die Baustelle errichtet, erklärt uns Helmut Stifter. Schon im kommenden Jahr sollen Kletterer in der schmalen "Zinne" aus Holz, Beton und Kupfer übernachten können. Ich habe meinen Rucksack jedenfalls bereits gepackt.