THE LINK to #urbanana:
Rheinstädte und ihre neuen Häfen, Teil 1 – Vom Brotkorb zum Neo-Port
Reportage: Wir haben drei Häfen erkundet, die so verschieden sind wie ihre Städte. Alle drei stehen für eine grundsätzliche Neuorientierung und für eine Neubewertung des Rheins. Der große Fluss eint und trennt, versorgt und umschmeichelt, beherrscht und lenkt das Leben in den drei #urbanana-Städten Köln, Düsseldorf und Duisburg. Aber Fluss ist nicht gleich Fluss. Industrien ändern sich, Globalisierungsströme wechseln ihre Läufe und Häfen werden in ihrer Bedeutung als "nachrangig" eingestuft, so geschehen beim Rheinauhafen in Köln, dem Wirtschaftshafen von Düsseldorf und dem Duisburger Innenhafen. Wie aus ausrangierten, unrentablen Ankerplätzen hochmoderne Wohn-Büro-Gastro-Ports werden können, beweisen die gelungenen Umwandlungen. Allen Unterschieden zum Trotz haben die drei Neu-Häfen eine Gemeinsamkeit: sie sind groß und zentral gelegen.
Der größte Hype wurde um den Medienhafen von Düsseldorf veranstaltet, was vor allem an Frank O. Gehry und seinem Neuen Zollhof lag. Der 1999 fertiggestellte Wackel- und Wellen-Komplex machte das etwa 10 Hektar große Areal schlagartig berühmt. Das lag auch an der Produktivität des kanadisch-amerikanischen Architekten. Um die Jahrtausendwende kam man an seinen Bauten nicht vorbei: "Tanzendes Haus" in Prag (1996 mit Vlado Milunić), Guggenheim-Museum in Bilbao (1997), DZ Bank in Berlin (2001), Walt Disney Concert Hall in Los Angeles (2003). Der auffällige und ungewöhnliche Neue Zollhof passt zur Düsseldorfer Herangehensweise. Anders als in Köln oder Duisburg betrieb die Landeshauptstadt von NRW keine Flächensanierung, sondern behandelte jedes Grundstück individuell und für künftige Nutzer angepasst. Statt einem städtebaulich-architektonischem Gesamtkonzept trugen renommierte Architekturbüros zum Gesamtbild des Medienhafens bei, darunter David Chipperfield, Joe Coenen, Steven Holl und Claude Vasconi.
Für den Rheinauhafen entwickelte die Betreibergesellschaft Häfen- und Güterverkehr Köln AG zusammen mit der Stadt Köln das 21 Hektar große Areal und gab dem einst modernen Industriehafen ein stimmiges, in Teilen sehr cleanes Aussehen und Gefüge. Was Gehry für Düsseldorf, war Foster für Duisburg. Der 1991 aus einem Wettbewerb als Sieger hervorgegangene Masterplan von Foster + Partners sah eine Kombination aus Arbeit und Wohnen, Kultur und Freizeit vor. Anschließend wurden auf dem 90 Hektar großen Areal im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA Emscher Park mehrere Bauvorhaben realisiert: das „Hafenforum“ von Foster, das Museum Küppersmühle und der Land Art-Künstler Dani Karavan schuf mit dem Garten der Erinnerung eine Landschaftsarchitektur, dessen Gebäudereste und Betonmauern mit den Betonarmen des Jüdischen Gemeindezentrums korrespondiert.
Als Besucher spürt man die 100jährige Geschichte des Hafen- und Handelsplatzes. Hier war das Zentrum des deutschen Getreidehandels. Bis vor 50 Jahren wurde an dieser Stelle Getreide gemahlen: der Duisburger Innenhafen hieß daher "Brotkorb des Reviers". Dann verlor er an Bedeutung. Ein großflächiger Abriss drohte. Heute ist von Getreide und Hafenarbeit nichts zu sehen und aus den Speichern sind Museen, Büros und Restaurants geworden. Die aufgeräumte, strukturierte Weite des neuen Innenhafens will nicht so recht passen zum Bild einer Krisenstadt mit 13 Prozent Arbeitslosigkeit und Problemvierteln. Stattdessen strahlen die hoch aufragenden Mühlen- und Speichergebäude selbstbewusst und klinkerrot. Wenn man um sie herumgeht, sind die Ein- und Umbauten zunächst kaum zu erkennen, wie z. B. bei der von Herzog & de Meuron umgestalteten und 1999 fertiggestellten Küppersmühle MKM Museum Duisburg. Zurückhaltung ist bei den Sanierungen der alten Häuser das größte Pluspunkt und auch so von LEG, THS, Kaiser Bautechnik und Foster + Partners, den Gewinnern des internationalen Masterplan-Wettbewerbs gewollt wie die Erweiterung mit moderner, multifunktionaler Architektur. Das wichtigste Ergebnis ist, dass die Menschen den neuen Wohn-Büro-Kultur-Hafen annehmen. Sie kommen mit ihren Kindern zum Spielplatz in der Nähe des Kultur- und Stadthistorischen Museums, halten mit ihren Liebsten Händchen, wenn sie durch den Altstadtpark flanieren und nutzen die verschiedenen Gastronomieangebote. Einige der Restaurants in der Werhahnmühle punkten mit dem historischen Ambiente, das nicht wegsaniert wurde. Überhaupt lohnt der Blick hinter die Kulissen. Einige der Neubauten, von denen der aus Duisburg stammende Architekt Jürgen Bahl verantwortlich ist, wie z. B. die Bürobauten Looper, Hitachi und Five Boats, zeigen sich in ihrer Glas-Stahl-Fassade allzu sauber, abweisend und modular. Umkreist man sie, überraschen sie mit Ein- und Ausblicken und ihrem Bezug zum Wasser. So zeigt sich das einem Katamaran nachempfundene H2-Office an der Schifferstraße von Bothe Richter Teherani futuristisch-offen. Wer eh hier ist, sollte in Richtung Autobahnbrücke der A59 gehen. Von hier hat man das gesamte Hafengelände im Blick. Hier fügen sich die alt-neuen Backsteinburgen und die glänzend-gläsernen Linear-Kästen zu einem harmonisch-ruhigen Gesamtbild.
Verglichen mit den Ausblicken vom Rheinau- und den Medienhafen auf die nahen Innenstädte von Köln und Düsseldorf macht der Innenhafen einen eher hermetischen Eindruck. Umso überraschender ist der Moment, wenn man von der nahen Innenstadt kommt und die luftige Klarheit des Innenhafens sieht, dessen Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Weitere Bauprojekte wie der spektakuläre The Curve sind geplant, die stärkere Anbindung an das Zentrum ist ebenfalls anvisiert. Keine schlechten Perspektiven für eine Stadt, die vom Strukturwandel hart getroffen wurde. Und die mit dem Innenhafen beweist, dass sie sich erfolgreich umorientieren kann.
Innenhafen Duisburg
Landesarchiv NRW Ortner und Ortner Baukunst
MKM Museum Küppersmühle
Garten der Erinnerung, Jüdisches Gemeindezentrum und zahlreiche Neubauten
ferrotel
Duisburg
Großstadt, die an der Mündung der Ruhr in den Rhein liegt. Über 490.000 Einwohner (Stand Ende 2015) und damit fünftgrößte Stadt in Nordrhein-Westfalen (nach Köln, Düsseldorf, Dortmund und Essen). Im 19. Jahrhundert wuchs die Stadt mit seinen Häfen und der Nähe zu den Kohlelagerstätten zu einem bedeutenden Industriestandort. Städtebaulich ist Duisburg durch Industrieanlagen jener Zeit geprägt, so auch der seit den 1990ern umgebaute Innenhafen. Der Hafen im Stadtteil Ruhrort gilt als größter Binnenhafen der Welt, genauso prägend wie die Eisen- und Stahlindustrie. Die erste Silbe des Stadtnamens geht auf das germanische „dheus“ zurück. Duisburg bedeutet „Burg auf dem Hügel“. Die Stadt gehörte einst zu den Kommunen mit den höchsten Pro-Kopf-Steuereinnahmen
MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst
Das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst ist eines der größten deutschen Privatmuseen und liegt im Duisburger Innenhafen. Moderne Baukunst von Herzog & de Meuron trifft hier auf Industriekultur. Das MKM stellt Kunst aus Deutschland von den 1950errn bis heute aus mit Werken von Anselm Kiefer bis Gerhard Richter. Adresse: Innenhafen Duisburg, Philosophenweg 55D, 47051 Duisburg. Öffnungszeiten Mi. 14–18 Uhr, Do.–So. 11–18 Uhr, Feiertage 11–18 Uhr, Mo. und Di. geschlossen. Eintrittspreise: 6 Euro für Wechselausstellungen, 9 Euro für das gesamte Haus. Kinder unter sechs Jahren haben im MKM freien Eintritt.
Land Art
ist die Umwandlung von geographischem Raum in ein Kunstwerk, oftmals ein architektonischer Raum. Sie entstand Ende der 1960er-Jahre in den USA im Rahmen einer Ausstellung in der Galerie von Virginia Dwan in New York und ist eine Kunstströmung der bildenden Kunst. Der 1930 in Tel Aviv geborene Künstler Dani Karavan ist ein international arbeitender, renommierter Bildhauer und Gestalter von großformatigen, begehbaren Kunstwerken, die in Teilen der Land Art zugerechnet werden.
THE LINK Tipp
Wir haben im ferrotel übernachtet, das uns während unseres Rechercheaufenthalts eingeladen hatte. Das im Dellviertel gelegene Haus ist nur wenige Minuten vom Hauptbahnhof, dem wichtigen Lehmbruck Museum und der Innenstadt entfernt. Zum Innenhafen sind es zu Fuß ca. 25 Minuten, mit dem Auto keine 10 Minuten. Das Dreisternehotel kombiniert Inneneinrichtung mit Ausstellungsambiente. Denn Gegenstände aus dem ehemaligen Hochofenwerk Hüttenbetrieb Meiderich-Nord wurden Teil des Hotels. Tafeln, Leuchten, Schaltkästen und andere Geräte sind in die Lobby, den Frühstücksraum, die Flure und Zimmer ein- und aufgebaut worden und betonen den postindustriellen Charakter des 30 Zimmer-Hauses. Der von Planquadrat Architekten GmbH aus Duisburg geplante und in mehreren Bauabschnitten (2000, 2004, 2005, 2009) realisierte Umbau setzte auf Einheitlichkeit und Struktur bei laufendem Betrieb. Aufgrund unterschiedlicher Geschosshöhen und Fenster hat sich das Büro für eine Vorhangfassade mit verschiebbaren Aluminium-Elementen entschieden. Diese geben der Fassade ein einheitliches, aber auch nutzerbestimmtes Erscheinungsbild. Dazu passt die rot-blaue Illumination der Fassade, die eine Reminiszenz an den für die Region typischen Industriecharakter ist. Adresse: Düsseldorfer Straße 122–124, 47051 Duisburg. Tel: 02 03 - 28 08 96 20. E-Mail: ferrotel@sorat-hotels.com.