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Fragments of Metropolis – Goldwerke
Buchwelten: Jeder kennt den eleganten Schwung des Chilehaus in Hamburg oder die markante Gestalt des Einsteinturms in Potsdam. Der Putz und vor allem ein besonders kunstvoller Umgang mit Klinker zeichnen die Bauwerke des Expressionismus aus. Viele dieser außerordentlichen Bauten blieben bisher jedoch im Hintergrund. Zu unrecht. Die Autoren Christof Rauhut und Niels Lehmann bewiesen bei ihrer mehrjährigen Recherche ein gutes Gespür. Bereits seit 2010 dokumentieren die Architekten Expressionistisches auf dem gesamten europäischen Kontinent, deren Keimzelle wohl in Deutschland zu finden ist. Sie selbst schreiben von "noch vorhandenen Fragmenten einer Avantgarde, die durch das Mittel der Architektur einer neuen Gesellschaft Ausdruck verlieh – die Gebäude sind gebaute Utopie.“ Als fragmentarisch ist auch die Sammlung zu verstehen, erhebt sie doch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr eröffnet sie einen Blick auf die Mannigfaltigkeit dieser kurzen aber kraftvollen Strömung der Architektur, die etwas zeitversetzt zur Literatur und bildenden Kunst erst in den 20er-Jahren so richtig an Fahrt aufnahm. Cover und Titel verweisen unmissverständlich auf Fritz Langs monumentalen Stummfilm-Klassiker von 1926. Ist die Architektur des Expressionismus also auch Kritik an der Zweiklassengesellschaft?
Der erste Band "Fragments of Metropolis – Berlin" verkaufte sich 2015 so erfolgreich, dass bereits 2016 eine zweite überarbeitete Auflage erschien. Die Sammlung zeigt zeitgenössische Fotos und reduziert aufgearbeitete Pläne einer Auswahl von 120 Industriebauten, öffentlichen Bauten, Wohn- und Geschäftshäusern, repräsentativen Villen, Kirchen und Kapellen in Berlin und Brandenburg. Die Hauptstadt war zu jener Zeit das wichtigste Zentrum der Bewegung. Hier flossen Malerei, Literatur, Musik, Bildhauerei und Architektur besonders intensiv zusammen. Das zeigt sich auch in den ausgefallenen Ausformungen und Detaillierungen, an den verschieden angewandten Techniken der einzelnen Bauten. Hans Kollhoff, Architekt und Hochschulprofessor, schreibt dazu im Vorwort:
Der zweite, 2016 erschienene, Band "Fragments of Metropolis – Rhein & Ruhr" dokumentiert 155 Bauten in NRW, u. a. in Bochum, Bottrop, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Münster und Oberhausen. Für das Vorwort konnten die beiden Autoren dieses Mal Paul Kahlfeldt, Architekturprofessor an der Technischen Universität Dortmund, gewinnen. Er stellt die gemeinsame Haltung dieser anspruchsvollen Architekturströmung und die regionalen Besonderheiten an Rhein und Ruhr heraus. Zwar betonen Rauhut und Lehmann in ihrem zweiten Band die Breitenwirkung des architektonischen Expressionismus, verweisen aber auch auf lokale Identitäten und Intentionen der jeweiligen Auftraggeber. So trifft man an Rhein und Ruhr generell besonders häufig auf Wohnhochhäuser als markante Landmarken und Sakralbauten der Reformbewegung, in Bochum im besonderen auf Bauten für die städtischen Nahverkehrsbetriebe, in Oberhausen eher auf öffentliche Bauten. Fügen sich die Berliner Beispiele vielfach in den umgebenden Stadtraum und den preußischen Backstein ein, sind die monumentalen Bauten an Rhein und Ruhr häufig Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins einer ganzen Region.
Die Reihe macht Lust, sich mit dieser Zeit etwas intensiver auseinanderzusetzen und das noch vorhandene expressionistische Erbe an Spree, Rhein und Ruhr zu bereisen. Fünf weitere Nachschlagewerke sind geplant. Ich bin gespannt, wohin die Reise geht.
Fragments of Metropolis Berlin
Niels Lehmann, Christoph Rauhut, 256 Seiten, 140 Abbildungen in Farbe, 55 Planzeichnungen und Kartenmaterial, gebunden, 29,90 Euro, Hirmer Verlag, München 2015, ISBN: 978-3-7774-2290-9
Fragments of Metropolis Rhein & Ruhr
Niels Lehmann, Christoph Rauhut, gebunden, 256 S., 150 Abbildungen in Farbe, 30 Planzeichnungen und Kartenmaterial, gebunden, 29,90 Euro, Hirmer Verlag, München 2016, ISBN: 978-3-7774-2567-2
Dr. Christoph Rauhut
ist Architekt und Referent beim Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK) in Berlin, das anlässlich das Europäischen Kulturerbejahres 2018 die Online-Plattform Sharing Heritage initiiert hat.
Niels Lehmann
Architekt, Fotograf und Autor, in Berlin geboren. Er hat Architektur an der Universität Zürich studiert.