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5 Fragen an das … M:AI – Nomadenbauten
Interview: So muss es in der ehemaligen Telefonzentrale der Zeche Rheinelbe jahrelang geklungen haben, bevor Zentrale und Trafohaus 1989 von den Architekten Heinrich Böll und Hans Krabel zur Hauptverwaltung und zum Gästehaus der IBA Emscher-Park umgebaut wurde. Wie passend, dass sich hier die Geschäftsstelle des „M:AI – Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW“ befindet und wir die Verantwortlichen treffen, deren Anliegen die Verbindung und Vermittlung, die Kommunikation und Kooperation ist. Seit 2005 thematisiert das M:AI baukulturelle Themen: von bezahlbarem Wohnungsbau über „Die Entwicklung der Städte am Rhein 1910–2010+“ bis hin zu Stadtlandschaften und die Kunst von Dachkonstruktionen – pointiert, erklärend, kritisch. Der Clou: das Museum gibt es gar nicht. Es gibt keine Sammlung und kein Haus, zu dem Architektur-Aficionados hinpilgern könnten, um klug und schwarzgekleidet in der Bau-Filterblase zu debattieren. In der Geschäftsstelle gibt es Modelle, Plakate und Ausstellungskataloge, aber vor allem wird hier an Konzepten getüftelt, organisiert und koordiniert. Als mobiles Forum finden die Ausstellungen in Bauwerken statt, die einen inhaltlichen Bezug zum jeweiligen Thema haben. Die M:AI-Macher gehen immer wieder auf Wanderschaft und erfinden sich für die neue Ausstellung neu. Neues Thema, neue Location, neues Präsentationsdesign, neue Herausforderungen. Im Gespräch mit Dr. Ursula Kleefisch-Jobst, der geschäftsführenden Generalkuratorin, dem langjährigen Projektleiter Peter Köddermann und Timo Klippstein (Kommunikation) wird deutlich, dass das oft schwierig und manchmal überraschend ist, aber nie langweilig. Wir haben die Kernpunkte zu fünf wichtigsten Fragen gebündelt und stellen fest, dass Nomadentum gut für Architektur und Ingenieurkunst ist.
1. Was ist das M:AI?
Das Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW wurde 2005 gegründet und thematisiert aktuelle Entwicklungen in der Architektur, der Ingenieurkunst und der Stadt- und Landschaftsgestaltung. Es setzt diese als Ausstellungen um und ist immer dort anzutreffen, wo Architektur und Ingenieurkunst zum Thema werden: weil ein Gebäude besonders beispielhaft ist und sich Menschen darin wohl fühlen, weil Architekten, Ingenieure und Stadtplaner einen wichtigen Beitrag zu unserer gebauten Umwelt geschaffen haben. Oder weil Bau- und Kulturdenkmäler vom Abriss bedroht sind und dies heftig diskutiert wird.
2. Kann man das M:AI besuchen?
Zwar hat das M:AI selbst keine Ausstellungsfläche oder eine Galerie. Doch als mobiles Museum auf Wanderschaft ist es „immer vor Ort, aber am selben“, so die Eigenbeschreibung. Architektur und Ingenieurskunst im musealen Raum kann über Fotos, Filme, Zeichnungen, Modelle und Pläne gezeigt werden, aber es ist selten physisch erlebbar.
„Uns interessiert, wie man Architektur erfahrbar machen kann“, erklärt Köddermann. „Wir sind mit unserem Konzept weltweit einzigartig.“
Daher begibt sich das M:AI zu Gebäuden und Orten, die mit ihren Themen zusammenhängen und wo das jeweilige Thema eine wichtige Rolle spielt. Wenn der Mensch nicht zur Ausstellung kommt, bewegt sich die Ausstellung zum Menschen. Bauwerk und Raum werden zum Exponat. Diese Ausstellungen kann man definitiv besuchen.
3. Wer geht zu einem mobilen Museum?
Museen befinden sich in einer Umbruchsphase. Sind neue Medien wichtig? Braucht ein Ausstellungshaus eher ein Instagram-Kanal als eine Website? Wie erreiche ich ein anderes Zielpublikum, als die üblichen Kultur- und Kunstbeflissenen? Überlegungen und Fragen, die auch die M:AI-Leute wiederholt beschäftigen. Je nach Thema und Ausstellungsort könnten sie ein Brimborium veranstalten, doch genau das lehnen sie ab.
„Vom Eventcharakter halten wir uns fern“, sagt Kuratorin Kleefisch-Jobst. Projektleiter Köddermann ergänzt: „Es ist wichtiger, Menschen an Themen heranzubringen, die nie in ein Museum gehen würden.“
Natürlich erscheinen auch Fachleute von Behörden, aus der Architektur, dem Ingenieurs- und Planungswesen. Doch wenn junge Leute, Studierende und Interessierte kommen, denen man Architektur und Baukunst näherbringen konnte, ist viel gewonnen. Das zeigt, dass Architektur sich häufiger und offener kommunizieren sollte.
4. Funktioniert Architektur auf Ausflügen?
Bis zu einem gewissen Grad arbeitet das M:AI wie ein „normales“ Museum. Es gibt Ideen, die recherchiert und aus denen Themen werden. Für diese braucht es Partner. Zu denen gehören das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW, die Architektenkammer NRW, der Bund Deutscher Architekten BDA und weitere Institute, Verbände und Vereinigungen.
Nachdem das Ausstellungsthema festgelegt wurde, fängt die Arbeit an, die kein normales Museum hat: die Koordination mit dem jeweiligen Ort und die Klärung vieler Fragen. Gibt es Raum für die Ausstellung? Welche Genehmigungen sind nötig? Wie steht es um die Sicherheit und um die Fluchtwege? Köddermann gibt zu: „Das sind manchmal extreme Herausforderungen.“ Zugleich erinnert Kleefisch-Jobst an eines der M:AI-Mottos: „Architektur dort hinzubringen, wo sie stattfindet.“
5. Welche Ausstellungen hat das M:AI gezeigt?
Das große Portfolio an vergangenen Ausstellungen zeigt, dass das Konzept des mobilen Museums angenommen wird. Die Macher sind über die Grenzen von NRW hinaus aktiv und zeigen Ausstellungen in ganz Deutschland und Europa – dort wo die Themen der Ausstellungen relevant sind. Die Auswahl ist so divers wie die Architektur und Baukunst. Eine Übersicht zeigt das kürzlich gestartete Online-Archiv, das in fünf Bereiche geteilt ist: Architektur, Ingenieurkunst, Stadtlandschaft, Kunst sowie ein Überblick der Jahresprogramme. Ein digitales, bilderreiches Zuhause für die Ausflüge der Architektur und die ideale Ergänzung für die ehemalige Telefonzentrale in Gelsenkirchen.
Alle wollen wohnen. Ausstellung auf dem Clouth-Gelände, Köln
M:AI
Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW. Adresse: Leithestraße 33, 45886 Gelsenkirchen
Planetary Urbanism + Learning City Gelsenkirchen
Ausstellung von 24. Nov.–16. Dez. 2017. In der Ausstellung veranschaulichen 28 prämierte Projekte aus dem Wettbewerb „Planetary Urbanism – Kritik der Gegenwart“ Thesen zur Verstädterung im „information design“ (Aufbereitung und Präsentation von Informationen mittels Grafiken) sowie mit Modellen und Videos. Sechs Themen gliedern die Ausstellung: Lokale Effekte der Globalisierung, Die vernetzte Stadt, Informelle versus verregelte Strukturen, Neoliberale Stadtpolitik, Der städtische Stoffwechsel, Migration. Anhand empirisch belegter Beispiele aus aller Welt analysieren die Beiträge Veränderungen im städtischen Raum, üben Kritik an sozialunverträglicher Stadtpolitik, werfen Fragen nach infrastruktureller Grundversorgung auf und liefern Visionen für nachhaltige Lebensweisen in der Stadt. Adresse: Wissenschaftspark Gelsenkirchen, Mundscheidstraße 14, 45886 Gelsenkirchen.
Visionäre und Alltagshelden. Ingenieure – Bauen – Zukunft.
Ausstellung vom 10. Nov. 2017 – 14. Jan. 2018 im Oskar von Miller Forum. Adresse: Oskar-von-Miller-Ring 25, 80333 München.
Alle wollen wohnen – Gerecht. Sozial. Bezahlbar
Von Ursula Kleefisch-Jobst, Peter Köddermann, Karen Jung. Erschienen bei Jovis in deutscher Sprache. Hardcover 18.5 x 26 cm, 248 Seiten, mit 190 Abbildungen. ISBN 978-3-86859-474-4