Grindelhochhäuser – Höhenflug der Fünfziger
Reportage:Domizil in Adresslage, so nennen die Makler gern ihre Objekte in Eppendorf und Harvestehude, zwei der begehrtesten Viertel Hamburgs. Mit ihren stattlichen bis pompösen Villen und Etagenhäusern aus der Gründerzeit haben sie den Bombenkrieg nahezu unbeschadet überstanden. Nur an ihrem Rand, auf dem Grindelberg und entlang der Klosterallee, hatte die Operation Gomorrha im Sommer 1943 eine große Schneise geschlagen. Auf ihr planten die englischen Besatzer für ihre Offiziere ein Wohnquartier im Geist der Moderne. Ihre Suche nach politisch unbelasteten Architekten brachte eine Gruppe zusammen, deren Mitglieder Bernhard Hermkes, Rudolf Jäger, Rudolf Lodders, Albrecht Sander, Ferdinand Streb, Fritz Trautwein und Hermann Zess in der Nazizeit meist mit Bauten für Industrie und Gewerbe überdauert hatten. Sie alle waren als Studenten oder in ihren ersten Berufsjahren auch von den hochstrebenden Utopien der Avantgarde um Le Corbusier beeinflusst.
Unter enormem Druck skizzierten die Architekten innerhalb weniger Wochen ihre Pläne für sechs Hochhäuser mit fünfzehn Geschossen und sechs weitere Bauten, die fünf bis sechs Stockwerke darunter blieben. Die Militärs sorgten ab dem Sommer 1946 für Material und 15.000 Arbeiter. Doch kaum waren zum Jahresende die Fundamente gelegt, taten sich die Briten mit den Amerikanern in der Bizone (der Teil Deutschlands, der nach dem Zweiten Weltkrieg der amerikanischen und der britischen Besatzungsmacht unterstellt war) zusammen und stellten die Arbeiten weitgehend ein. Erst zwei Jahre später, nach dem endgültigen Rückzug der Engländer von ihrem Projekt, nach erbitterten Debatten im Senat und der Bürgerschaft Hamburgs über Sinn oder Unsinn einer Hochhaussiedlung mitten in der Stadt, wuchsen an der Oberstraße die ersten beiden Blocks in die Höhe.
Sieben weitere Jahre sollte es dauern, bis das erste Hochhausquartier der Bundesrepublik nach den ursprünglichen Plänen vollendet war. Eines der Hochhäuser ging an das Bezirksamt Eimsbüttel, ein weiteres übernahm die Post, die darin neben Büros Einzimmerwohnungen für ledige weibliche Angestellte unterhielt, ein zu diesen Zeiten äußerst fortschrittliches Angebot. In die übrigen zehn Gebäude, bewirtschaftet von der gemeinnützigen Saga, zogen Beamte und besser Verdienende, die sich die Mieterdarlehen leisten konnten. Obwohl meist klein, waren die Wohnungen mit ihren Bädern und Einbauküchen, mit Fernheizung, warmem Wasser, Kühlschrank und Müllschlucker sehr begehrt. Auch Künstler kamen in hoch gelegenen Ateliers unter, Arbeiter und Handwerker blieben mit zwei Prozent in der Minderheit.
Schon bald als Zeichen des neuen Hamburg gefeiert, genießen die Grindelhochhäuser seit 1979 Denkmalschutz. Bis 2006 hat die Saga ihren Bestand mit einem hohen Aufwand an Zeit und Geld renoviert. Selbst für Neumieter sind die Quadratmeterpreise verträglich geblieben, und so leben in den 1900 Wohnungen rund 3000 Menschen in einer bunten Mischung aus Alten und Jungen, Geringverdienern und Saturierten – ein guter Puffer in einem Wohnumfeld, das zunehmend Spitzenverdiener unter sich aufteilen.
Chronik
- 1946: beginnt die britische Militärregierung mit dem Bau der Grindelhochhäuser im feinen Harvestehude
- 1949: wird das Projekt von der SAGA übernommen und die Wohnungen werden zu Sozialwohnungen umgeplant.
- 1956: sind die zwölf Hochhausscheiben fertig gestellt.
- 1979: wird die gesamte Anlage in die Denkmalliste eingetragen.
- 1995–2006: wird ein Teil der Grindelhochhäuser renoviert.
Grindelhochhäuser
12 denkmalgeschützte Hochhäuser im Hamburger Bezirk Eimsbüttel, die zwischen dem Grindelberg, der Hallerstraße, Brahmsallee und Oberstraße errichtet wurden. Die Bauten in Stahlskelett- bzw. Stahlbetonbauweise stehen in Nord-Süd-Richtung in fünf Reihen und nehmen Bezug auf die Architekturvisionen von Le Corbusier. Die Häuser wurden nach den Plänen der "Gruppe der Grindelberg-Architekten" gebaut: Bernhard Hermkes, Bernhard Hopp, Carl Karpinski, Rudolf Lodders, Rudolf Jäger, Albrecht Sander, Ferdinand Streb, Fritz Trautwein und Hermann Zess.