Die Ostmoderne in der zweitgrößten Stadt Sloweniens –  Comeback-City

Auf Reisen / Reportage:

Die Unbekannte im Nordosten.

Comeback-City

Beton — Slowenien | 

Die Altstadt

Die Brücke Stari most. Architekt Eugen Fassbender, Fertigstellung 1913.

Hoch

Die Brücke Stari most. Architekt Eugen Fassbender, Fertigstellung 1913.

Bild vergrößern (Hoch)(Abbildung © Jan Dimog)
Die "Stara trta" ist mit 400 Jahren der älteste Weinstock der Welt. Der Pflanze ist das Museum "Haus der Alten Rebe" gewidmet, im Bild links.

Alt

Die "Stara trta" ist mit 400 Jahren der älteste Weinstock der Welt. Der Pflanze ist das Museum "Haus der Alten Rebe" gewidmet, im Bild links.

Bild vergrößern (Alt)(Abbildung © Jan Dimog)
Unweit des Hauses der Alten Rebe befindet sich das jüdische Viertel mit der Synagoge, die bereits im frühen 15. Jahrhundert erwähnt wurde.

Jüdisch

Unweit des Hauses der Alten Rebe befindet sich das jüdische Viertel mit der Synagoge, die bereits im frühen 15. Jahrhundert erwähnt wurde.

Bild vergrößern (Jüdisch)(Abbildung © Jan Dimog)

Dass Maribor harte Zeiten hinter sich hat, ist auf den ersten Blick nicht offensichtlich. Augenfällig ist die schöne Lage am Fluss Drau (slowenisch „Drava“), der die Stadt in zwei Hälften teilt und an dieser Stelle einen kleinen, sanften Bogen beschreibt. Von der stählernen Brücke Stari most (Fertigstellung 1913, Architekt Eugen Fassbender) und hoch über dem Fluss wirkt Maribor klar strukturiert und sehr kompakt. Tatsächlich sind die wichtigsten Punkte und Sehenswürdigkeiten fußläufig zu erreichen. Das Zentrum ist von mehrspurigen Zubringern umschlossen, Großbauten und Prestigeprojekte flankieren die dicht bebaute Altstadt. Der breite Fluss spielt nur bedingt eine Rolle für das Stadtbild, im Gegensatz z. B. zum Fluss Ljubljanica in der Hauptstadt, der, obwohl ungleich kleiner und schmaler, im Zentrum präsenter ist und Ljubljana dadurch ein heiter-mediterranes Flair gibt.
Leerstände, Lücken und ein paar windumtoste Ecken im und am Zentrum zeugen von den schwierigen Jahren für Maribor. Wenige Jahre nachdem sich Slowenien von Jugoslawien gelöst und die unabhängige Republik erklärt hatte, verloren hier ab Mitte der 1990er-Jahre viele Menschen ihre Arbeit. Im Schnitt gingen weit über drei Prozent der Menschen pro Jahr weg. Der einst bedeutende Industrieplatz – u. a. Lkws und Busse der Traditionsmarke Tovarna Automobilov in Motorjev (TAM) wurden hier gefertigt – verlor an Bedeutung, viele Betriebe gingen pleite. Während also Sloweniens zweitgrößte Stadt mit sich und der neuen Zeit rang, verwandelte sich die Hauptstadt in eine europäische It-City: Ljubljana war angesagt, jung, schön. Investoren und Touristen kamen scharenweise. Ljubljana boomte, Maribor wurde abgehängt.

Das Freiheitsdenkmal Kodžak am zentralen Platz Trg Svobode stellte der Künstler Slavko Tihec 1975 fertig. Das Denkmal (Spomenik) erinnert an die knapp 700 Gefangenen und Aufständischen, die während des Zweiten Weltkriegs von deutschen Soldaten getötet wurden.

Freiheitlich

Das Freiheitsdenkmal Kodžak am zentralen Platz Trg Svobode stellte der Künstler Slavko Tihec 1975 fertig. Das Denkmal (Spomenik) erinnert an die knapp 700 Gefangenen und Aufständischen, die während des Zweiten Weltkriegs von deutschen Soldaten getötet wurden.

Bild vergrößern (Freiheitlich)(Abbildung © Jan Dimog)
Beim Gang durch die Altstadt auch in die Innenhöfe schauen.

Kleinteilig

Beim Gang durch die Altstadt auch in die Innenhöfe schauen.

Bild vergrößern (Kleinteilig)(Abbildung © Hendrik Bohle)

Im neuen Jahrtausend erholte sich Maribor langsam und stetig. Das nahe Österreich erwies sich für das neue EU-Land Slowenien und damit auch für Maribor als Gewinn, das nur eine Autofahrtstunde entfernte Graz wurde zur wirtschaftlichen und kulturellen Partnerstadt. 2000 war Maribor Alpenstadt des Jahres, 2012 Kulturhauptstadt Europas. Das Comeback war gelungen. Die neue Zeit zeigt sich auch im Stadtbild: der mittelalterliche Kern ist saniert und die Fassaden der Altstadt mit Elementen der Gotik, Renaissance und des Barock wiederhergestellt. Hinzu kommen Bauten ab 1900, die stellvertretend für Maribors und damit auch für Sloweniens Geschichte stehen: angefangen von Projekten der Moderne z. B. von den Plečnik-Schülern Saša Dev und Jaroslav Černigoj über die sozialistische Architektur der Ära Jugoslawiens bis hin zur Postmoderne und zur neuen slowenischen Architektur ab 2000.
Beim Rundgang im Zentrum zeigt sich, dass das Kompakte teils wie eine Attrappe wirkt. Der Kern scheint sich an mehreren Stellen aufzulösen. Die Stadt sieht plötzlich zerfasert, nicht zusammenhängend und wie Stückwerk aus. Dann wieder: neue und alte Perlen, wuchtige Brutalismus-Kolosse wie Jemčev Garten von Borut Pečenko und prachtvoll restaurierte Patrizierhäuser am Platz Glavni trg. Maribor – die Miniaturstadt der slowenischen Architekturgeschichte. Und der Beweis, dass die Baukunst noch viel zu erzählen hat. Einiges zeigen wir in unseren Bilderrundgang. Übrigens, die Umgebung von Maribor ist reich an mittelalterlichen Bilderbuchplätzen wie z. B. Ptuj. Aber das ist eine andere (slowenische) Geschichte.

Die (sozialistische) Moderne

Jaroslav Černigoj und Saša Dev, Fertigstellung: 1932. Beide Architekten gehörten zu den Pionieren der Moderne in Maribor, die die hiesige Stadtplanung und Architektur über Jahre geprägt haben.

Wohn- und Geschäftshaus

Jaroslav Černigoj und Saša Dev, Fertigstellung: 1932. Beide Architekten gehörten zu den Pionieren der Moderne in Maribor, die die hiesige Stadtplanung und Architektur über Jahre geprägt haben.

Bild vergrößern (Wohn- und Geschäftshaus)(Abbildung © Jan Dimog)
Wohn- und Geschäftshaus von Saša Dev, Fertigstellung: 1940.

Moderne

Wohn- und Geschäftshaus von Saša Dev, Fertigstellung: 1940.

Bild vergrößern (Moderne)(Abbildung © Jan Dimog)
von Vladimir Šubic, Fertigstellung: 1935.

Kino Udarnik

von Vladimir Šubic, Fertigstellung: 1935.

Bild vergrößern (Kino Udarnik)(Abbildung © Hendrik Bohle)
von Jaroslav Černigoj und Saša Dev. Fertigstellung: 1941.

Wohnblock Gradišče

von Jaroslav Černigoj und Saša Dev. Fertigstellung: 1941.

Bild vergrößern (Wohnblock Gradišče)(Abbildung © Hendrik Bohle)
von Borut Pečenko, Fertigstellung: 1975. Eins der prominentesten Brutalismusbauten der jugoslawischen Ära in Maribor und genau gegenüber des Wohnblock Gradišče platziert.

Jemčev Garten

von Borut Pečenko, Fertigstellung: 1975. Eins der prominentesten Brutalismusbauten der jugoslawischen Ära in Maribor und genau gegenüber des Wohnblock Gradišče platziert.

Bild vergrößern (Jemčev Garten)(Abbildung © Jan Dimog)
von Milan Černigoj und Milan Pogorevc. Fertigstellung: 1964

Stanovanjski Blok

von Milan Černigoj und Milan Pogorevc. Fertigstellung: 1964

Bild vergrößern (Stanovanjski Blok)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Der Komplex hat seinen Ursprung in einem von Adam Wiesinger und Gustav Lahn geplanten Bau von 1848, der von Janez Nusshold umgesetzt wurde. In den 1960er-Jahren wurde das Theater umfassend renoviert (Entwurf: Maks Hlad, Jože Požauk. Ein Jahrzehnt später wurde das Theater ab 1979 erweitert (siehe Bild). Die Planungen dazu kamen von Branko Kovmut.

Slowenisches Nationaltheater

Der Komplex hat seinen Ursprung in einem von Adam Wiesinger und Gustav Lahn geplanten Bau von 1848, der von Janez Nusshold umgesetzt wurde. In den 1960er-Jahren wurde das Theater umfassend renoviert (Entwurf: Maks Hlad, Jože Požauk. Ein Jahrzehnt später wurde das Theater ab 1979 erweitert (siehe Bild). Die Planungen dazu kamen von Branko Kovmut.

Bild vergrößern (Slowenisches Nationaltheater)(Abbildung © Jan Dimog)
von Borut Pečenko, Fertigstellung: 1969.

Handelshaus Kvik

von Borut Pečenko, Fertigstellung: 1969.

Bild vergrößern (Handelshaus Kvik)(Abbildung © Jan Dimog)
von Borut Pečenko und Ivo Goropevšek.

Autobusbahnhof

von Borut Pečenko und Ivo Goropevšek.

Bild vergrößern (Autobusbahnhof)(Abbildung © Jan Dimog)
von Borut Pečenko und Ivo Goropevšek.

Autobusbahnhof

von Borut Pečenko und Ivo Goropevšek.

Bild vergrößern (Autobusbahnhof)(Abbildung © Jan Dimog)
von Borut Pečenko und Ivo Goropevšek.

Autobusbahnhof

von Borut Pečenko und Ivo Goropevšek.

Bild vergrößern (Autobusbahnhof)(Abbildung © Jan Dimog)
von Borut Pečenko und Ivo Goropevšek.

Autobusbahnhof

von Borut Pečenko und Ivo Goropevšek.

Bild vergrößern (Autobusbahnhof)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Fertigstellung: 1984.

Tabor Halle

Fertigstellung: 1984.

Bild vergrößern (Tabor Halle)(Abbildung © Jan Dimog)
Die Sport- und Multifunktionshalle "Dvorana Tabor" ...

Tabor Halle

Die Sport- und Multifunktionshalle "Dvorana Tabor" ...

Bild vergrößern (Tabor Halle)(Abbildung © Jan Dimog)
... steht südlich des Zentrums unweit des Bahnhofs Tabor.

Tabor Halle

... steht südlich des Zentrums unweit des Bahnhofs Tabor.

Bild vergrößern (Tabor Halle)(Abbildung © Jan Dimog)

Das Maribor-Feature entstand im Rahmen unserer redaktionell unabhängigen Recherchereise und für die Arbeiten zu unserem Architekturführer Slowenien, erhältlich im Buchhandel seit 2018 (erschienen bei DOM publishers). Das slowenische Fremdenverkehrsamt hat uns bei der Recherche unterstützt.

Maribor

Mit über 110.000 Einwohnern (Stand 2016) die zweitgrößte Stadt Sloweniens. Das nahe Pohorje-Gebirge, Weinberge und der Fluss Drau (slowenisch: Drava) sind für den Ort, der erstmals im 13. Jahrhundert als Stadt genannt wird, ebenso prägend wie eine behutsame Modernisierung. 2000 war Maribor die Alpenstadt des Jahres, 2012 Kulturhauptstadt Europas. Eine der ältesten Synagogen Europas aus dem frühen 15. Jahrhundert befindet sich am Ufer der Drau. Bemerkenswerte Bauten des 20. Jahrhunderts innerhalb und außerhalb des Zentrums stehen repräsentativ für die Geschichte der Stadt und der Region der vergangenen 100 Jahre. Saša Dev und Jaroslav Černigoj stehen für diese Bauhistorie und gelten als Pioniere der modernen Architektur Maribors. Beide studierten bei Jože Plečnik in Ljubljana. Graz ist ca. 60 km entfernt, die slowenische Hauptstadt knapp 130 km.