Alfred Schmela zum 100. Geburtstag – Die Kunst (in) der Architektur
Reportage:so beschreibt der Architekt Aldo van Eyck seine Sicht auf Raum, Struktur und Gestaltung und liefert damit auch eine Charakterisierung des Schmela Hauses in der Düsseldorfer Altstadt. Der von ihm entworfene, visionäre Bimsbetonsteinbau in der Mutter-Ey-Straße für den Galeristen Alfred Schmela (1918–1980) sollte Wohnen, Arbeit und Ausstellungen miteinander verbinden und ist verschachtelt, spartanisch und eigensinnig. Es passt zu dem unbeirrbaren Auftraggeber, der als „Wegbereiter der Avantgarde“ bezeichnet wird und ein für den Galeriebetrieb konzipiertes Haus wünschte. Schmela war ein unkonventioneller Galerist, der z. B. das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude und den Bildhauer Robert Morris bei sich übernachten ließ und wenig von der Trennung von Kunst und Leben hielt. Im Gegenteil, in ihrer großen Wohnung am Luegplatz empfingen er und seine Frau Monika, die Buchhalterin, Kommunikationsmanagerin und Archivarin der Galerie zugleich war, bekannte Künstler wie Neuentdeckungen. Auf diese Weise hat Schmela entscheidend dazu beigetragen, dass Düsseldorf sich zu einem wichtigen Zentrum der internationalen Kunstszene entwickelte. In seiner ersten Galerie nur wenige Schritte vom Schmela Haus stellte er ab 1957 Werke aus, deren Erschaffer heute zum Who is Who der modernen Kunst gehören: Yves Klein, Jean Tinguely, die Mitglieder der Gruppe ZERO, Konrad Klapheck und Joseph Beuys. Er brachte mit Roy Lichtenstein und George Segal auch internationale Kunst ins Rheinland. Bei aller Begeisterung für Kunst aus den USA engagierte sich Schmela kontinuierlich für junge Künstler aus Deutschland und Düsseldorf wie Jörg Immendorff, Sigmar Polke und Gerhard Richter.
Wenn nicht, dann nicht
Die Ausstellung zum 100. Geburtstag von Alfred Schmela vereint Architektur und Kunst und erscheint dadurch wie die Definition der über zwei Jahrzehnte währenden Tätigkeit des Galeristen, der sich als Förderer und Freund der modernen Kunst verstand. Auf zwei Ebenen verteilt sind die Werke u. a. von Günther Uecker ("Zwischen Hell und Dunkel", 1983), Kenneth Noland ("Bloom", 1960) und Gerhard Richter ("Portrait Schmela III", 1964) zu sehen. Hinzu kommen Briefe, Notizen, Skizzen und Fotografien, die Lena Brüning, Kuratorin und Enkelin von Schmela zu einer intimen, feinen Schau zusammengestellt hat. Die Kunst ist präsent und zeigt sich bescheiden. So wirkt das Haus selbst wie ein Exponat mit seinen strukturierten Oberflächen, den Nischen und dem Wechsel aus Blickachsen mit dem Glaszylinder im Eingang und verschiedenen Öffnungen und Wandhöhen, z. B. in der Küche in der dritten Etage des vierstöckigen, 380 qm großen Hauses. Für klassische Ausstellungen mag diese Vielgestaltigkeit sperrig und schwierig erscheinen. Als Beschreibung für Schmelas Philosophie, der stets am Besonderen und Individuellen in der Kunst interessiert war, passt es gut. "Wenn es mir nicht gefällt, dann mache ich es nicht", war sein Grundsatz. Klingt wie Architektur, die man im Inneren erfahren sollte.
Alfred Schmela zum 100. Geburtstag
Ausstellung im Schmela Haus: Mutter-Ey-Straße 3, 40213 Düsseldorf. Öffnungszeiten: Di.–Fr. 10–18 Uhr, Sa., So. und feiertags 11–18 Uhr, Mo. geschlossen. 24.11.2018 – 20.1.2019, Eintritt frei.
Ausstellungskatalog "Alfred Schmela zum 100. Geburtstag"
Herausgeberinnen: Susanne Gaensheimer, Doris Krystof, Linda Walther. Vorwort von Susanne Gaensheimer und Texte von Robert Rademacher und Lena Brüning. 80 Seiten, mit farbigen Abbildungen, 24 x 17cm, Deutsch/Englisch, ISBN 978-3-7356-0546-7, erschienen im Kerber Verlag.
Alfred Schmela
1918–1980. Der am 23.11.1918 in Dinslaken geborene und in Düsseldorf verstorbene Galerist hatte ein Examen als Hochbauingenieur gemacht und sich an privaten Malschulen in Düsseldorf und Paris zum Kunstmaler ausbilden lassen. Nachdem er mehrere Jahre als freischaffender Kunstmaler gearbeitet hatte, gründete er 1957 in der Düsseldorfer Altstadt die Galerie Schmela, die er mit der Ausstellung "Propositions Monochromes" von Yves Klein eröffnete. 1966 schließt er die Räume und führt die Galerietätigkeit bis 1971 zusammen mit seiner Frau Monika in der Wohnung am Luegplatz in Düsseldorf-Oberkassel weiter. Umzug der Galerie in das vom niederländischen Architekten Aldo van Eyck gebaute Galeriehaus in der Mutter-Ey-Straße. Schmela wird zum 60. Geburtstag zum Ehrenmitglied der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf ernannt. Er stirbt 61jährig am 20.7.1980. Seine Tochter Ulrike übernimmt die Galerietätigkeit bis 2008 und ist heute als Galeristin in Berlin tätig, Tochter Franziska arbeitet als Fernsehredakteurin. Schmela hatte während seiner über 20 Jahre währenden Tätigkeit als Galerist und Kunsthändler zahlreiche Künstler als Erster gezeigt bzw. besonders gefördert: Yves Klein, die ZERO-Gruppe, Günther Uecker, Christo, Jean Tinguely, Lucio Fontana, Jörg Immendorff, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Joseph Beuys. Schmela gab auch namhaften Künstlern aus den USA eine Plattform, darunter Roy Lichtenstein und Richard Serra.
Aldo van Eyck
1918–1999. Niederländischer Architekt und Mitgründer des Strukturalismus in der Architektur. Studium der Architektur in Den Haag und Zürich. 1951 Gründung seines Büro. 1947–1978 entstanden in Amsterdam über 700 Spielplätze nach seinen Entwürfen. Sein erstes großes Bauwerk wurde 1960 mit dem Städtischen Waisenhaus in Amsterdam fertiggestellt. Er war von 1959–1963 als Redakteur der Architekturzeitschrift Forum tätig und übte großen Einfluss auf die niederländische Architektur aus. Als Mitbegründer des Team Ten spielte er eine wichtige Rolle in der CIAM (Congrès Internationaux d'Architecture Moderne). Auch in Deutschland war er tätig: 1976 schuf er die Galerie Schmela, das erste zu diesem Zweck errichtete Galeriegebäude der Bundesrepublik Deutschland im Stil des Strukturalismus. Seit 1982 arbeitete er in seinem Architekturbüro gemeinsam mit seiner Frau Hannie, und sie führten unter anderem die Entwürfe für Bürogebäude der European Space Agency in Noordwijk (1984–1989) und das Tripolis-Gebäude in Amsterdam aus (1990–1994).
Strukturalismus
Eine Mitte des 20. Jahrhunderts aufgekommene Strömung in Architektur und Städtebau als Reaktion auf den CIAM-Funktionalismus und den damit verbundenen Rationalismus. Unter Strukturalismus im weiteren Sinn wird eine interdisziplinäre Methode des 20. Jahrhunderts verstanden, die an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Fachgebieten entstanden ist. Angewendet wird sie in der Linguistik, der Anthropologie, der Philosophie, der Bildenden Kunst und der Architektur. In Europa wird der Strukturalismus als parallele Strömung zur postmodernen Architektur aus Amerika gesehen. Da mehrere Richtungen bestehen, gibt es auch mehr als nur eine Definition. Eine bekannte und viel zitierte Definition stammt von Herman Hertzberger: „Beim Strukturalismus wird ein Unterschied gemacht zwischen einer Struktur mit langem Lebenszyklus und Einfüllungen mit weniger langem Zyklus.“ Eines der einflussreichsten Manifeste für die strukturalistische Bewegung wurde durch Aldo van Eyck in der Zeitschrift Forum 7/1959 zusammengestellt. Das Manifest enthält viele Statements und Vorbilder für einen humaneren Städtebau. Der Otterlo-Kongress wird oft als Beginn der Architekturströmung Strukturalismus benannt, obwohl schon frühere Projekte und Bauten der neuen Bewegung bestanden. Der Begriff Strukturalismus wird in der Fachliteratur zur Architektur erst seit 1969 verwendet (mit Material von Wikipedia).