Prora Solitaire Apartments & Spa – Ein Urlaubskoloss wird humanisiert
Übernachten:
Die mächtige Anlage bei Binz auf Rügen hat eine düstere Geschichte. Von den Nazis als Erholungsort mit 20.000 Betten geplant, diente Prora als Unterkunft für ausgebombte Hamburger, Quartier der sowjetischen Besatzer und Kaserne der Nationalen Volksarmee. Nach der Wende stand der Abriss zur Debatte, bis sich der Bund als Besitzer 1994 für den Denkmalschutz entschied. Zwölf Jahre später begann mit dem Einstieg privater Investoren der Wandel zum neuen Feriendomizil. Ein wenig auf der Strecke blieb das Erinnern an die beiden Diktaturen, deren Schauplatz Prora einst war.
Gewaltigstes Baurelikt der Nazizeit
Beim Blick von oben lassen sich die Ausmaße des gewaltigsten Baurelikts abschätzen, das aus der Nazizeit überkommen ist. YouTube hält dafür ein paar anschauliche Drohnenfilme bereit. Entlang der Prorer Wiek, einer Ostseebucht zwischen Binz und der Halbinsel Jasmund, wuchsen seit 1936 auf fast fünf Kilometern acht Blocks aus dem Sand, die Platz für 20.000 Feriengäste bieten sollten. Bauherr war die NS-Organisation "Kraft durch Freude", die als Teil der Deutschen Arbeitsfront für Erholung und Ertüchtigung der Volksgenossen zuständig war und sich zum größten Reiseveranstalter weltweit auswuchs.
Mit dem Überfall auf Polen Anfang September 1939 stoppten die Arbeiten. In den Rohbauten quartierten sich während des Weltkriegs Flüchtlinge, ein Lazarett und ein berüchtigtes Polizeibataillon ein, das auch am Transport der Juden in die Vernichtungslager beteiligt war. Das sowjetische Militär besetzte die Anlage bis 1956, riss einen der Blocks ab und zerschoss zwei weitere übungshalber zu Ruinen. Danach nutzte die Nationale Volksarmee die Gebäude als größte Kaserne der DDR. Auch Wehrdienstverweigerer waren hier untergebracht, die als Bausoldaten Zwangsarbeit im nahen Fährhafen Mukran leisteten. Nach der Vereinigung der beiden Deutschland gab die Bundeswehr ein kurzes Gastspiel, dann rottete Prora zwölf weitere Jahre vor sich hin, bis die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben nach privaten Geldgebern suchte.

Blick von oben
In einem leichten Bogen von Süden nach Norden entlang der Prorer Wiek reihen sich die fünf erhaltenen Blocks mit einer Länge von jeweils fünfhundert Metern. Die ehemaligen Bettenhäuser des geplanten KdF-Seebades haben nur sieben Meter Tiefe, Meerblick garantiert. Die kammartig nach Westen ausgerichteten Treppenhäuser enthalten heute neben den Lifts und Aufgängen Serviceräume oder Apartments, manche durchgängig von der See- zur Landseite.
Leidenschaft für die Neuentwicklung von Block 2
Einer der ersten, die sich für einen Neuanfang engagierten, war der Investor Ulrich Busch. Der gebürtige Berliner begann in den Neunzigerjahren, Immobilien in dem seit der Kaiserzeit noblen Seebad Binz zu entwickeln, radelte häufig nach Prora und hatte bald eine Vision. Block 2, den er 2006 für bescheidene 220.000 Euro erwarb, ist inzwischen nahezu komplett saniert und lieferte das Modell, nach dem die meisten Investoren in den anderen Blöcken verfahren: eine Mischung aus Eigentumswohnungen, Ferienapartments und Hotel. Rund 350 Wohnungen hat Ulrich Busch dem alten KdF-Bettenhaus abgewonnen und verkauft, hundert davon hat er für sein Aparthotel "Prora Solitaire" von den Eignern gepachtet.
Bis zum Baubeginn 2011 war manche Nuss zu knacken. Die Auflagen des Denkmalschutzes waren zu lockern, eine Vielzahl von Behörden musste von dem neuen Nutzungskonzept überzeugt werden. Der Widerstand der Binzer Hoteliers gegen die Konkurrenz vier Kilometer weiter nördlich machte das nicht leichter. Wieviel der Ausbau genau gekostet hat, will Ulrich Busch nicht sagen. Der mit Ziegelsteinen ausgefachte Stahlbetonklotz sei erstaunlich robust über die Jahre gekommen, sein Herrichten dennoch teurer als ein Neubau gewesen. Schätzungen belaufen sich auf rund sechzig Millionen Euro. Fünf Jahre dauerte es, bis "Prora Solitaire" öffnen konnte.
Ein solches Projekt braucht Mut zum Risiko. Die Investoren von Block 1 haben sich verhoben und Insolvenz angemeldet. Ulrich Busch ist sicher ein gewiefter Unternehmer, doch wenn er seine Geschichte mit Prora erzählt oder durch das Haus führt, merkt man ihm auch die Leidenschaft für das bauliche Entwickeln an. Das geht bis zum Streicheln mit den Fingerspitzen über den körnigen Leichtdämmputz der Außenwände.

Im Zeichen der Welle
Hundert Apartments von 30 bis 120 Quadratmetern hat das Hotel Prora Solitaire für Feriengäste im Angebot, gepachtet von den Eigentümern, die so ihren Erwerb refinanzieren können. Sie profitieren zudem vom Steuervorteil einer denkmalgeschützten Immobilie.

Neue Halle
An das Entree mit seinen symmetrischen Hälften schließen sich das Restaurant und die Bar an. Der Bau der großzügigen Hülle für all diese Bereiche, der das Maß der früheren Vorbauten sprengt, musste den Denkmalschützern abgerungen werden.

Offener Empfang
Die halb geöffneten Flügeltüren in der Lobby sind der Zugang zu den Apartments. Das Display dahinter fächert das Angebot des Aparthotels auf.

Vertikaler Garten
Das üppige Grün an der Stirnwand der Lobby unterstreicht das Bemühen um nachhaltiges Bauen, von der Fußbodenheizung bis zur Dreifachverglasung.

Speisesaal
Rund siebzig Gäste können sich hier bewirten lassen.

Clubatmosphäre
Das Konzept für die Bar ist eine Mischung aus Drinks und Snacks mit Events wie Life-Musik oder Sport und Kino auf der Großleinwand.

Architektonisches Zitat
Teile der alten Baupläne sind erst jüngst wieder aufgetaucht. Der Entwickler von Prora Solitaire behalf sich mit intensivem Studium der Baurelikte und Fotos, die der Kölner Hugo Schmölz bis 1938 gemacht hat. Eines der Ergebnisse ist das innen wie außen wieder verwendete Bullauge.

Aufgang zu den Apartments
Einst sollten die quer gestellten Treppenhäuser auch die Gemeinschaftsbäder aufnehmen. Inzwischen verschaffen sie einen komfortablen Zugang zu den Wohnungen. Die Lichtleiste unter den Decken ist eines der verbindenden Merkmale aller Räume.

Altes Raster
Das Standardmaß für die 10.000 Zimmer, in denen die Volksgenossen einst Kraft durch Freude finden sollten, belief sich auf 2,5 mal 5 Meter. Platz für zwei Betten, eine Sitznische und ein Waschbecken. Die neuen Apartments legen zwei oder mehr Räume zusammen und rücken ein wenig in die alten Flure vor. Die tragende Struktur des Altbaus bleibt zur Freude der Denkmalschützer soweit wie möglich sichtbar, selbst die Spuren der Schalung im Beton sind mit dem Sandstrahler wieder frei gelegt.

Meerblick im Freien
Einer der kniffligsten Streitpunkt mit dem Denkmalschutz betraf die Balkone. Sie hatte es früher nicht gegeben, doch ohne sie ist eine Ferienwohnung heute kaum zu vermarkten. Fünf Jahre dauerte es bis zur Klärung, dann erst konnte der Umbau beginnen.

Feines Detail
Bei geöffneter Jalousie geht der Blick vom Duschbad bis zum Ostsee.

Wertiges Wohnen
Bad, Küche und die Qualität der Betten waren vorgegeben, beim Mobiliar konnten die Eigner sich beraten lassen und selbst entscheiden.

Badefreuden
Vor dem Spa, das mit Gym, Wellness, Sauna und Schwimmbad tausend Quadratmeter belegt, wartet in den Sommermonaten ein beheizter Außenpool. Zur Ostsee sind es nur zweihundert Schritte. Bei garstigem Wetter lassen sich drinnen lange Bahnen ziehen.

Baugeschichte
Die sächsischen Sandsteinwerke in Pirna, die einst Material für die KdF-Bettenhäuser geliefert haben, waren bei Prora Solitaire für Pilaster und Faschen, die Rahmen um die Öffnungen der Fenster und Türen, wieder gefragt.
»Für mich ist die Transformation Proras das größte architektonische Entnazifizierungsprogramm Deutschlands. Hier kann jeder nach seiner Façon leben; hier gibt es keine Uniformität im Denken – das Gegenteil dessen, was die Nazis mit diesem Monumentalprojekt bezweckten.«
Investor Ulrich Busch im Interview mit den Badischen Neuesten Nachrichten, 8. September 2018

Weißes Band
Vom Strand aus filtert ein Streifen der ausgedehnten Kiefernwälder, in die Prora eingebettet ist, den Blick auf den mit rund drei Kilometern immer noch längsten Gebäudekomplex der Welt.

Ladenzeilen
Entlang der privaten Zufahrtsstraße füllen sich allmählich die Läden für den täglichen Bedarf und die Freizeitartikel.

Wohlfühlnischen
Nichts deutet bislang auf Massentourismus hin, aber das neue Prora steckt noch in den Anfängen. Bis 2022, wenn alle fünf Blocks saniert sein sollen, rechnet die Gemeinde Binz mit 2.000 festen Anwohnern und 3.500 Betten für Touristen.

Ausbauphasen
Alles wird weiß. Jedes halbe Jahr will Inselbogen Immobilienmanagement aus Wuppertal, der Entwickler von Block 3, die Apartments in einem weiteren der zehn Aufgänge an die Eigentümer übergeben.

Ironische Geste
Die Plastik karikiert ein Standbild des Sozialistischen Realismus, das in das Militärmuseum Dresden abmarschiert ist. Wie andere Institutionen des Erinnerns musste das NVA-Museum Block 3 verlassen. In vierzig originalen Räumen bewahrte es Überbleibsel der Nationalen Volksarmee. Einen neuen Platz hat das Museum noch nicht gefunden. Für zwei Dokumentationszentren zur Geschichte der KdF-Anlage und zum Schicksal der DDR-Bausoldaten gibt es zumindest Zwischenlösungen.

Altes Zentrum
Als alle acht Blocks noch standen, war hier die Mitte. Den Querriegel hatten die KdF-Planer für Verwaltung, Empfang, Gaststätten und Kleinkunst entworfen. Inzwischen sieht er als Teil von Block 3 einer neuen Nutzung als Center für Sport und Entertainment entgegen.

Seebrücke
Kein "Kraft durch Freude"-Dampfer machte je hier fest, die Anlegestelle kam über den Rohbau nie hinaus. Die Gemeinde Binz denkt über den Bau eines Yachthafens mit Schiffsanleger nach.

Spurensuche
Drei der acht Bettenhäuser haben die sowjetischen Besatzer weg gesprengt oder zur malerischen Ruine zerschossen. Zukunft ungewiss.

Zwischennutzer
Wo früher Künstler Unterschlupf fanden, entsteht gehobener Wohnraum für Familien, Singles und Senioren. Knapp zwei Drittel von Block 5 hatte der Landkreis Rügen-Vorpommern noch zu vergeben, sie gingen Ende 2018 an die Bauart GmbH aus Amberg. Sie hatte zuvor schon Block 4 erworben, den sie zum „Quartier am Meer“ in der üblichen Mischung von dauergenutzten Wohnungen und Ferienapartments mit Hotelservice umbaut.

Gemeinnutz vor Eigennutz
Ihre ersten Gäste hieß die Jugendherberge Prora im Juli 2011 willkommen. Da konnte der Pionier unter den privaten Investoren Ulrich Busch gerade erst mit dem Bauen beginnen. Bund und Land steckten sechzehn Millionen Euro in den Ausbau von drei Höfen im Block 5. Ein weiterer Abschnitt von vierzig Metern bleibt in öffentlicher Hand. Mit staatlichen Mitteln von rund sieben Millionen soll hier ein Ort des Erinnerns an die touristische und militärische Geschichte zweier Diktaturen entstehen.

Farbenspiel
Knapp hundert Zimmer mit zwei bis sechs Betten verteilen sich auf die Etagen, die sich durch ein Farbsystem unterscheiden.

Ein weiterer Superlativ
Mit Sichtachsen von 140 Metern auf den Fluren unterstreicht die JH Prora ihren Anspruch auf den Titel der längsten Jugendherberge der Welt. Im Speisesaal sind Stützen und Träger des alten Baus so sauber heraus gearbeitet wie in Prora Solitaire.
Unsere redaktionell unabhängige Hotel-Recherche verdanken wir der Einladung des Prora Solitaire Hotel GmbH. Zur Kategorie „Übernachten“ mit weiteren Berichten: hier.
Prora
liegt rund vier Kilometer nördlich des noblen Seebades Binz und sollte in der Nazi-Zeit zum Urlaubsort für 20.000 Volksgenossen werden. Nach Plänen des Kölner Architekten Clemens Klotz, der auch für die NS-Ordensburgen Vogelsang und Krössinsee verantwortlich zeichnete, errichteten an die 9.000 Arbeiter von 1936–1939 die Rohbauten der acht Bettenhäuser. Von den sowjetischen Besatzern übernahm die Nationale Volksarmee der DDR 1956 die fünf erhaltenen Blöcke und baute sie zur Kaserne aus. Nach der Wende stellte der Bund die mächtige Anlage 1994 unter Denkmalschutz. Mit der Jugendherberge im nördlichen Block 5 begann 2010 die Sanierung. Im gesamten Areal hält die öffentliche Hand noch einen Anteil von 10 Prozent, ansonsten haben sich vier Gruppen von Investoren eingekauft, die den Umbau bis 2022 abschließen wollen.
Prora Solitaire
hat der Investor Ulrich Busch seinen Block 2 getauft, den er als Pionier des neuen Prora in Wohnungen, Läden, Lokale und ein Aparthotel umgewandelt hat. Um die gut 25.000 Quadratmeter Geschossfläche in Form zu bringen, hat er auf einen Architekten verzichtet, denn er versteht sich selbst als Entwickler und Gestalter. Das Innendesign des Hotels stammt von Jeanine Stölting.
Aparthotel Prora Solitaire
Südstrand 200-202, D-18609 Prora/Rügen. Tel: +49 38393 450