Countryside, A Report von Rem Koolhaas: Das Hinterland entscheidet – Architektur in Köln
Köln. Deutschland. Was passiert eigentlich außerhalb der Mega-Metropolen? Dieser Frage ging der Stadttheoretiker und Architekt Rem Koolhaas zusammen mit dem von ihm gegründeten Think Tank AMO in den vergangenen zehn Jahren nach. Die Ergebnisse ihres jüngsten Forschungsprojektes sind noch bis zum 14. August 2020 in der mit Niklas Maak kuratierten Ausstellung Countryside, The Future im New Yorker Guggenheim-Museum zu sehen und in der handlichen Begleitpublikation "Countryside, A Report" zu lesen.
Gülle war gestern. Heute versorgen Kühlmittel Klimaanlagen auf hektargroßen Landstrichen, um Serverfarmen auf Betriebstemperatur herunterzukühlen. Der Tagebau hat sich weltweit tief ins Erdreich gefurcht. Ganze Dorfgemeinschaften, Flora und Fauna sind verschwunden. In der Wüste Katars, wo es Sonne im Überfluss gibt, wird die solare Energie nicht etwa für Sinnvolles genutzt. Stattdessen produziert die größte Melkanlage der Welt Käse für den globalen Genuss. Derweil droht der rapide abtauende Permafrost in Zentralsibirien zur baldigen Umsiedlung ganzer Bevölkerungsgruppen. Zugleich werden Strategien entwickelt, wie man die ökologische Katastrophe noch abwenden kann. Eine ganze Reihe aberwitziger, utopisch anmutender Phänomene haben die Autoren da zusammengetragen. Vieles ist seit Jahren bekannt. Mal wieder steht der Vorwurf im Raum, Koolhaas eignet sich Themen an, mit denen sich Experten schon seit Jahren beschäftigen. Doch gerade durch die umfangreiche, eher subjektive Sammlung besteht die Möglichkeit, die Brutalität der gewaltigen Transformationen, aber auch die Chancen neuer Freiheits- und Experimentierräume nun auch einem größeren Publikum bewusst zu machen.
Gerade im ländlichen Raum kommt es zu folgenreichen Auswirkungen. Zwar sind etwa 98% der Erdoberfläche urban unbebaut, aber auch andere Regionen wurden vielerorts umgeformt, gerastert und automatisiert. Das Team um Koolhaas und AMO mit Studierenden der Harvard Graduate School of Design, der Beijing Central Academy of Fine Arts, der Universität Wageningen (Niederlande) und der Universität Nairobi untersuchte die Folgen des Klimawandels, ökologische Zerstörung, Technologie, demographische Verwerfungen und Migrationen in Asien, Amerika, Afrika und Europa. So wurden in Italien verwaiste Regionen durch den Zuzug Geflüchteter wiederbelebt. Geschäfte wurden wieder eröffnet, neue Produkte kamen in den Handel. Es gibt eben auch solche positiven Beispiele entgegen der weit verbreiteten Vorurteile. Im Hinterland entscheidet sich unsere Zukunft. Wer eine Zusammenfassung, gar eine Lösung dieser Herausforderungen erwartet, wird enttäuscht. Der Band schließt auf 28 Seiten mit einer Reihe von Fragen. Antworten gibt es nicht. Denn die müssen wir gemeinsam finden.