Perlen der Provinz: Kunsthalle Bielefeld: Anti-Gedöns – Architektur in Bielefeld
Bielefeld. Deutschland. "Perlen der Provinz": Unsere Reihe über Baukunst und Stadtkultur abseits urbaner Zentren führt uns nach Bielefeld. Gibts doch gar nicht? Falsch! Am Rande des Teutoburger Waldes entwarf einer der bedeutendsten amerikanischen Architekten des 20. Jahrhunderts Deutschlands erstes Nachkriegsmuseum. Es sollte sein einziger Museumsbau in Europa bleiben. Ein schwärmerischer Besuch in Philip Johnsons Bielefelder Kunsthalle.
Was für eine Ausgewogenheit. Ein rosaroter Monolith. Eingefasst von saftigem Grün. Ein programmatisches Konzentrat auf einer Grundfläche von nur dreißig auf dreißig Metern. Die Fassade aus fränkischem Sandstein fein scharriert. Keine Spur von manieristisch-verspielten Formen. 1966 stand Johnsons Architektur noch unter dem Einfluss des Internationalen Stils. Der war selbstverständlich ohne Gedöns, wie man in Ostwestfalen zu sagen pflegt, also minimalistisch und funktional.
"The future of architecture is culture."
Philip Johnson
Gründungsdirektor Joachim Wolfgang von Moltke und der Stifter Rudolf August Oetker hatten Johnson damals persönlich beauftragt. Zuvor war eine intensive Suche nach einem angemessenen Architekten vorangegangen, darunter waren Ikonen wie Alvar Aalto, Eero Saarinen und Ludwig Mies van der Rohe. Auch Johnson war damals bereits weltbekannt, hatte Erfahrungen im Museumsbau und war viele Jahre kuratorischer Leiter der Architekturabteilung des Museum of Modern Art (MoMA) in New York. Oetker schwebte ein Museum vor, wie es Johnson 1960 in Utica, New York realisiert hatte. Das Munson-Williams-Proctor Arts Institute, ein granitverkleideter Solitär mit umlaufendem Lichtgraben, ruht ähnlich monumental wie die Bielefelder Kunsthalle in sich. Auch das Bielefelder Bauwerk sollte ursprünglich in Granit gehüllt werden. Aufgrund steigender Kosten wurde die Idee verworfen. Ein Glücksfall, denn gerade das sandige Rot gibt dem Gebäude seine heitere Erscheinung. Verstärkt wird dies durch ein besonderes Detail. Johnson ließ in Handarbeit feine Rillen in den Stein schlagen. Durch das sogenannte Scharrieren wirkt das matte Material noch lebendiger. Überhaupt blieben bis heute beinahe alle Details des denkmalgeschützten Johnson-Baus erhalten. Auffallend schön sind auch die feinen Edelstahl-Geländer des Treppenraums, der das Foyer mit den Ausstellungsräumen in den beiden oberen Geschossen verbindet. Auf der Eingangsebene sind der Empfang, ein Museumsladen, ein Malsaal und das Café Johnson's, das sich zum Skulpturenpark hin öffnet, angeordnet. Klare Einschnitte in den Außenwänden stellen immer wieder Bezüge zur Stadt her, ermöglichen Ein- und Ausblicke. In den beiden unteren Geschossen befinden sich Verwaltungsräume, die Bibliothek, ein weiterer Malraum und das Auditorium.
"To me, the drive for monumentality is as inbred as the desire for food and sex, regardless of how we denigrate it. Monuments differ in different periods. Each age has its own."
Die fließenden Räume der Kunsthalle Bielefeld zählen noch immer zu den gelungensten Gemäldegalerien des Landes. Die Belichtung mit natürlichen und künstlichen Lichtquellen, mit Lichthimmel und Seitenlicht in Verbindung mit den Blickbeziehungen zur Stadt setzte Johnson überzeugend um. Besonders klassische Kunstgattungen lassen sich in dieser kontemplativen Umgebung überaus gut betrachten. Malerei und Plastik bildeten bisher auch den Kern der Sammlung. Darunter Werke der Brücke, des Blauen Reiters und der konstruktivistischen Strömung der 1920er Jahre.
Längst ist das Gebäude zu klein. Heutige Ausstellungsformate und die zukünftige Ausrichtung der Kunsthalle erfordern flexiblere Räume, die auch Junge Kunst-Schauen, wie Performances, Installationen und Projektionen, ohne aufwendige Eingriffe ermöglichen. Über eine Erweiterung wird schon seit über 20 Jahren diskutiert. Ich erinnere mich noch gut, als zu meinen Schulzeiten eine hitzige Diskussion über Frank O. Gehrys Anbau entbrannte. Gewohnt metallisch und geschwungen sollte es zugehen. Ein dekonstruktivistischer Übergangsbau, der die Kunsthalle mit dem benachbarten Naturkundemuseum verbinden sollte. Nicht zuletzt durch den Einwand der Familie Oetker wurde das Projekt schließlich begraben. Gehry baute trotzdem in OWL. Allerdings in benachbarten Gemeinden. In Herford entstand das Marta, in Bad Oeynhausen baute er das Energie-Forum-Innovation (EFI) und das “Ronald McDonald Haus”. Burger statt Fertigpizza also.
2012 war der geniale Sou Fujimoto in Bielefeld mit seiner ersten monografischen Schau außerhalb Japans zu sehen. Modelle, Zeichnungen und sein “Final Wooden House” im Maßstab 1:1 verblüfften die Besucher. Als Geschenk hinterließ er der Stadt drei Entwürfe für die Erweiterung ihrer Kunsthalle, in denen Stadt, Natur und Landschaft miteinander verschmelzen. Eine konzeptionell und Architektur-ästhetisch angemessene Ergänzung. Leider ist bis heute ungewiss, ob sie kommt. Es wäre auch sein bisher einziges permanentes Gebäude in Europa.