Aarhus. Dänemark. Dass Aarhusarchitektur eine Marke ist, zeigen die aus der Ostseestadt stammenden Büros Arkitema, Schmidt Hammer Lassen, AART, CEBRA und 3XN. Zusammen mit aufstrebenden jungen Büros prägen sie das international geschätzte "Danish Design". Woran das liegt und warum Aarhus zu Recht die europäische Kulturhauptstadt 2017 ist, zeigt der zweite Teil unserer Fotoreportage mit 500 Jahre alter Stadtkultur, der Lernstadt von Arkitema und mit dem spektakulären Kantenbau Moesgaard von Henning Larsen Architects.
"It's essential to spend the extra money it takes to make a place lovely, because it inspires students to work harder."
Pernille Svendsen, Architektin bei Arkitema, über den Gestaltungsanspruch für den VIA Campus Aarhus C
Den Gamle By heißt "die alte Stadt". Wer Vorbehalte gegenüber Freilichtmuseen hat, sollte sich von der Anschaulichkeit und der Lebendigkeit dieses Ortes überzeugen lassen. Das Konzept von Museumsgründer Peter Holm: Epochen zeigen, die Geschichten in den Gebäuden erzählen, menschliche Schicksale wiederaufleben lassen. Als er das Museum 1909 gründete, nutzte er auch Imitationen. Das erste Gebäude, das er hierher holte, war ein Kaufmannshof aus dem 16. Jahrhundert. Seitdem ist eine kleine Stadt entstanden mit Wohnhäusern, Werkstätten, Bäckereien, Ställen, Tankstellen, Radiogeschäften, Jazzbars und den Museen. Nur wenige Gehminuten von der alten Stadt entfernt, ist der Campus der VIA Universität Aarhus. Wir besuchen den Ort, weil er exemplarisch für die Studentenstadt Aarhus und für das von Architecture Project-Leiterin Serritzlew beschriebene Konzept der Vernetzung und Verbindung aller Beteiligten steht. Das aus Aarhus stammende Architekturbüro Arkitema hat einen Campus mit fünf Häusern und Bereichen für insgesamt 5.500 Studierende und 430 Angestellte entworfen. Für das Stadt-in-der-Stadt-Konzept schuf das 1969 gegründete und mittlerweile global arbeitende Büro einen Wissensplatz, die Lernstraße, das Kulturhaus und die Lern Cluster. Arkitemas Ansatz ist funktional und vernetzt und bringt die verschiedenen Bereiche in vertikaler und horizontaler Weise zusammen. Kompetenz und Wissen sollen sich, so die Planer, durch Nähe, Identität, Flexibilität und Professionalität entwickeln, gespiegelt durch die Achsen, Überlappungen und Transparenz der einzelnen Gebäudeteile. Dass der Campus ein Erfolg wurde, liegt auch daran, dass sich VIA-Universität, Bauunternehmer, Grundeigentümer und Beratungsteam auf die Kernpunkte einigen konnten, lange vor der Ausschreibung des Projekts.
"Architecture provides an important setting for everyone’s life. It must inspire and take responsibility."
Henning Larsen Architects
Alles Wichtige miteinander verbinden. Sich durch die Komplexität ringen. Am Ende ein Resultat herbeiführen, dass die Essenz birgt, die pure Konzentration, das Neue aus den Verzweigungen holen. Genaugenommen wird das Motto des Kulturhauptstadtjahres "Let’s rethink" schon seit längerem in Aarhus praktiziert. Wie sonst könnte ich mir das Moesgaard Museum erklären. Denn in dem Bau für Archäologie, Ethnologie und Prähistorisches sind Architektur, Natur, Kultur und Geschichte zu etwas neuem geformt worden, das spektakulär und zurückgenommen, stark und sensibel zugleich ist. Auf 16.000 Quadratmeter haben Henning Larsen Architects mit mit der Landschaftsarchitektin Kristine Jensens Tegnestue im hügeligen Buchenwald von Skåde südlich von Aarhus eine Gebäudelandschaft komponiert. Das auffälligste Merkmal ist das langgezogene, geneigte Dach, auf dem Gras, Moos und weitere Pflanzen wachsen. Eine der Vorgaben für das Projekt: der Bezug zur Umgebung. Die Lösung: das Eingraben des Museums, ähnlich einem Spatenstich eines Archäologen in ein Moorgebiet. Dass das nicht nur eine architektonische Extravaganz ist, sondern auch dem Museumsauftrag dient, zeigt sich in der Dauerausstellung über die Ur- und Frühgeschichte. Aus konservatorischen Gründen sollte auf Tageslicht verzichtet werden. Die Ausstellung über die Prähistorie mit Fokus auf dem skandinavisch-dänischen Raum lässt ihre Themen mit moderner Medientechnik und Projektionstechnik aufleben. Für die beeindruckende Schau wurden keine externen Dienstleister beauftragt. Technikmanager Johan Ahrenfeldt hat mit seinem Museumsteam alles selbst geplant, gestaltet und programmiert. Sie wählten die Ausrüstung aus, verantworteten die Installation und sorgen für die Instandhaltung. Die Verbindung aus Konzept und Technik macht die Urgeschichte zu einem fühlbaren, audiovisuellen Erlebnis, das nie in den Bombast eines Freizeitparks abdriftet, sondern stets den Fokus auf die Geschichte der Menschen der Vergangenheit behält. Der Weg in die Urgeschichte von Homo Sapiens und seinen Verwandten (und Konkurrenten) führt über die Evolutionstreppe, auf der täuschend echte Wachsfiguren-Homini stehen, die die Menschheitsgenerationen symbolisieren. Die Figuren sind von den Paläo-Künstlern Kennis & Kennis erschaffen worden. Vom Foyer können die Figuren dank eines digitalen Dioramas durch mediale Ferngläser betrachtet werden. Schon diese Technik zeigt, dass die Ausrüstung keine Spielerei ist, sondern dem Ziel dient, den Besucher so dicht wie möglich in die Welt der Vorfahren zu führen. Insofern wirkt der Henning Larsen-Bau wie eine Fortsetzung des Ausstellungskonzepts und der multimedial aufbereiteten Informationen und Animationen. Das Foyer ist klar und in seiner Größe erfassbar, am anderen Ende des Eingangs befindet sich das Café und Restaurant, ebenfalls übersichtlich strukturiert. Um die 200 Angestellte arbeiten im Haus und auf dem Gut am unteren Ende des Museums. Die Räume für Büros, Forschungen und Werkstätten sind im Nordwesten des Museums untergebracht, hier sind auch Konferenzsäle und Besprechungsräume. Dass das Gebäude funktional ist und als erstklassige Forschungs- und Bildungsstätte dient, erfüllt einen Teil der Vorgaben. Der andere Teil hingegen ist die kluge, ästhetische und konzeptionelle Verknüpfung aus Landschaft mit Architektur und hoher (Bau)Kunst. Das Moesgaard Areal komplettiert mit seiner tiefgeerdeten Ruhearchitektur die neue Hafeneuphorie. Der an der Schnittstelle von Wald und Hügellandschaft liegende Prähistorienbau blickt stoisch gen Aarhusbucht. Fast wie eine Ermunterung. Baut mutig mit Bedacht. Und achtet das Wasser. Und die Menschen.
"Our ideas are developed in close collaboration with the client, users and partners in order to achieve long-lasting buildings and reduced life-cycle costs. This value-based approach is the key to our designs of numerous building projects around the world - from complex masterplans to successful architectural landmarks."
Henning Larsen Architects
Unsere redaktionell unabhängige Recherchereise wurde von VisitAarhus und VisitDenmark ermöglicht und unterstützt. Teil 1 dieser Reportage: hier.