Walhalla:
Teil 1 unserer Regensburg-Reihe – Multikulti-Monument
Die Walhalla wird in Fotografien gerne aus der Ferne gezeigt. So wirkt der Tempel klein und mit der Umgebung verwachsen. Viele Besucher nähern sich der Ehrenhalle vom Parkplatz kommend von der Nordseite aus. Hier scheint sie wie ein gigantisches Säulenmonument, das sich über das Plateau gen Luft und Landschaft schiebt. Hier ist nichts klein oder unauffällig, aber auf diese Annäherungsweise wird das griechische Vorbild offensichtlich: eine Ringhalle mit einer umlaufenden Säulenstellung (Peripteros) nach dem Vorbild des Parthenon in Athen. Die Länge des klassizistischen Tempelbaus beträgt 66,7 Meter, er ist knapp 32 Meter breit und erreicht eine Höhe von 20 Metern.
Als die klassisch-antike Architektur ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wiederauflebte, änderte sich das Erscheinungsbild vieler Städte in Europa fundamental. So waren Sankt Petersburg und Helsinki Schöpfungen des Klassizismus und als Zeichen des Neubeginns gedacht. Die wahre Größe des Klassizismus liegt jedoch nicht in seinen Kuppeln, Kolonnaden und der strengen Symmetrie, sondern vor allem in seiner vornehmen Zurückhaltung. Im 19. Jahrhundert zeigen einige der klassizistischen Bauten regionale Einflüsse. Das Vornehme wich der Repräsentation, Größe, Entschlossenheit.
Unbeirrbar zeigten sich auch Bauherr und Architekt der Walhalla, was seinen Grund in Nicht-Deutschland hatte. Denn Napoleon hatte 1806 nicht nur für das Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation gesorgt, sondern auch für eine handfeste Identitätskrise, was wiederum den bayerischen König Ludwig I. stark beschäftigte. Was ist deutsch? Wer gehört dazu, wer nicht? Was ist Deutschland überhaupt?
Die Konsequenz dieser Fragen: er beauftragte den wichtigen klassizistischen Baumeister Leo von Klenze mit dem Entwurf einer Ruhmesstätte. Verdiente deutschsprachige Männer und Frauen sollten hier gewürdigt werden, damit …
Die Grundsteinlegung war 1830, am 18. Oktober 1842 wurde die Walhalla feierlich eröffnet. Sie ist das älteste Beispiel einer Gruppe monumentaler Gedenkbauwerke Deutschlands. Zu ihnen gehören die Berliner Siegessäule (1873), das Hermannsdenkmal bei Detmold (1875), das Niederwalddenkmal bei Rüdesheim am Rhein (Fertigstellung 1883), das Kyffhäuserdenkmal (1896), das Deutsche Eck in Koblenz (1897 Errichtung des Reiterstandbilds von Kaiser Wilhelm I.) und das Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig (1913).
Eine klassizistisch-vornehme Zurückhaltung strahlt die Walhalla nicht aus, dazu ist sie auf Monumentalität, Macht, Massigkeit ausgelegt. Der Gesamteindruck ist gewaltig, vor allem wenn man den wuchtig-gestuften Unterbau mit einbezieht. Gleichzeitig wirkt der Tempel wie mit seiner Umgebung verbunden, so als ob die Walhalla auf eine natürliche Art hierhergehört, vor allem mit den weiten Ausblicken auf das Regensburger Donautal bis nach Straubing.
Innen misst die Walhalla 48,5 Meter Länge bei einer Breite von 14 Metern und einer Höhe von 15,5 Metern. Karyatidenpaare, Stützpfeiler in Form weiblicher Gewandfiguren, tragen das Gebälk, auf dem die tragenden Dachbinder der Kassettendecke liegen. Durch drei Öffnungen strahlt Licht hinein. Ein Fries umzieht den gesamten Innenraum. An den Marmorwänden stehen auf Sockeln oder Konsolen die weißen Marmorbüsten der deutschen Persönlichkeiten. Bei der Eröffnung 1842 wurden 96 Büsten aufgestellt. Seit 1962 werden diese in Abständen von fünf bis sieben Jahren ergänzt. Die Auswahl erfolgt durch den bayerischen Ministerrat auf Empfehlung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Insgesamt sind es jetzt 130 Persönlichkeiten. Kandidaten müssen mindestens 20 Jahr tot sein und sollten ihre Verdienste eher in der Politik, der Wissenschaft oder Kultur haben. Ob YouTube- und Instagram-Celebrities jemals hier reinkommen? Zumal der Platz eh begrenzt ist und ein Um- und Ausbau mehrfach ausgeschlossen wurde. Aber wer weiß schon was in 100 Jahren ist. 2010 kam die Büste des Dichters Heinrich Heine in die Halle. Über den Klenze-Ludwig-Bau schrieb dieser mal:
Vielleicht ein Trost für den Dichter: die "Schädelstätte" ist ziemlich multikulti. Unter den Geehrten gibt es unter anderem Polen, Schweden, Russen und Balten, die Büsten sind aus italienischem Marmor, die Architektur ist griechisch-dorisch und der Name ziemlich nordisch. Wer trotzdem nichts mit dieser Art von Heldenverehrung anfangen kann, konzentriert sich auf die konsequent umgesetzte Architektur und den sie umgebenden Raum. Das wiederum ist majestätisch, prachtvoll und strahlt Würde aus. Nicht das Schlechteste für eine 175-jährige Ehrenhalle mit Köpfen aus aller Herren (und Damen) Länder.
Walhalla
Adresse: Walhallastraße 48, 93093 Donaustauf. Öffnungszeiten April – Oktober 9 – 18 Uhr, November – März 10 – 12 Uhr und 13 – 16 Uhr. Eintritt: 4 Euro, ermäßigt 3 Euro.
Leo von Klenze
Geboren 1784 in Buchladen bei Schladen (Niedersachsen), gestorben 1864 in München. Deutscher Architekt, Maler und Schriftsteller. Gilt neben Karl Friedrich Schinkel als bedeutendster Architekt des Klassizismus und war der Hofarchitekt von Ludwig I. von Bayern. Er schuf unter anderem die Walhalla, die Befreiungshalle in Kelheim und in München den Marstall, den Königsplatz, die Ludwigstraße, die Glyptothek, die Alte Pinakothek und die Ruhmeshalle. In Sankt Petersburg plante er im Auftrag von Zar Nikolaus I. die Neue Eremitage, die 1852 fertiggestellt wurde. Für die klassizistische Umgestaltung der Stadt Athen lieferte von Klenze das städtebauliche Konzept.
Ludwig I.
Geboren 1786 in Straßburg, gestorben 1868 in Nizza. König des Königreiches Bayern und Wittelsbacher. Sein zweiter Sohn Otto wurde 1832 als Otto I. griechischer König. Ludwig war Auftraggeber zahlreicher Bauprojekte in München und war als Anhänger des antiken Griechenlands Verfechter des Klassizismus. Er ließ die Ludwigstraße mit der Universität und der Ludwigskirche, die Feldherrnhalle, das Siegestor, die Staatsbibliothek, den Königsplatz mit Glyptothek, Propyläen und Antikensammlung, die Alte Pinakothek, die Ruhmeshalle und die Bavaria-Statue auf der Theresienwiese errichten. Seine wichtigsten Baumeister waren dabei Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner. Nach seiner Abdankung 1848 als König von Bayern förderte er als Privatmann weiterhin Kunst und Kultur.
THE LINK Tipp
Anfahrt und Angebote
Das östlich von der UNESCO-Welterbestadt Regensburg gelegene Donaustauf ist mit dem Auto in 20-30 Min. zu erreichen. Mit dem Bus von Regensburg bis Walhallastraße fahren, dann ca. 20 Minuten Fußweg über 358 Stufen. Das 175-jährige Jubiläum der Walhalla wird am 21. Oktober 2017 mit Musik und Feuerwerk gefeiert. Schon jetzt werden Schiffsfahrten von Regensburg aus angeboten. Mehr über die Website von Regensburg Tourismus.