Partners in Design:
Alfred H. Barr. Jr. und Philip Johnson – Die Propheten
Buchwelten: Noch bevor die aus Nazi-Deutschland geflohenen Exilanten den Einfluss des Bauhaus in Amerika festigen konnten, hatten bereits zwei Männer den Geist der Bewegung, die Kohärenz von Architektur, Kunst und Design, entschlossen verbreitet. Alfred H. Barr Jr. war Gründungsdirektor des 1929 eröffneten Museum of Modern Art in New York City (MoMA). An seiner Seite stand seit 1932 der noch junge Leiter seiner Architekturabteilung, der spätere erste Pritzker-Preisträger Philip Johnson. Gemeinsam entwickelten sie die wegweisenden Ausstellungen „Modern Architecture (1932)“ und „Machine Art (1934)“. Ab 1938 fand darüber hinaus die Reihe „Useful Objects under 10$“ statt, in der alle zwei Jahre insbesondere rationale und funktionale Designobjekte gezeigt wurden. Barr und Johnson ging es darum, der nordamerikanischen Öffentlichkeit die Komplexität ihrer Zivilisation und der sich daraus entfaltenden bildenden Künste verständlich zu machen, sie an qualitätsvolles Industriedesign heranzuführen. In ihren Schauen stellten sie konsequent Produktdesign, Filme, Zeitschriften und Architektur gleichberechtigt aus, ein Novum in den USA zu jener Zeit. Neben ihrer professionellen Zusammenarbeit verband die beiden genialen Vermittler eine ebenso enge persönliche Freundschaft. Ihre New Yorker Apartments befanden sich Tür an Tür im selben Gebäude im Southgate Complex, 424 East 52nd Street in Manhattan. Auch hier zeigte sich, so Ausstellung und Publikation, wie eng Arbeit und Alltag der beiden miteinander verwoben waren. Barr und Johnson begriffen ihre Privatwohnungen gewissermaßen als „Laboratorien der Moderne“, als einen Ort, an dem sie sich über ihre ästhetischen Ansichten und ihr professionelles Knowhow experimentell austauschen konnten.
Die Bielefelder Kunsthalle zeigt in ihrer aktuellen Schau außerordentliche Alltagsgegenstände, Textilien und Möbel. Mit Filmen, Fotografien und Texten versucht sie die wirkungsvolle Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen Barr und Johnson in der Zeit von 1929 bis1949 aufzuspüren. Sie will veranschaulichen, inwieweit das Dessauer Bauhaus über das MoMA und die beiden Botschafter des Modernismus in den amerikanischen Mainstream hineinwirken konnte. Auf der Suche nach herausragenden Architekten und Designern reisten Barr und Johnson 1927 gemeinsam nach Europa. Dort trafen sie unter anderem die Bauhaus-Direktoren Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe. Ein folgenreicher Trip, sollten die Aufgaben eines Museums fortan grundlegend neu bestimmt werden.
Ausstellung und Katalog wurden ursprünglich in Kooperation des Liliane and David M. Steward Program for Modern Design und dem Montreal Museum of Fine Arts entwickelt. Beim Verlag Arnoldsche Art Publishers erschien nun die deutsche Fassung der Studie mit einem Vorwort des Direktors der Bielefelder Kunsthalle Friedrich Meschede, in dem er einen direkten Bezug zu seinem Haus, dessen Architekten Johnson und die Schule des Bauhaus herzustellen sucht. Die Publikation hinterlegt die Ausstellung mit aufschlussreichen Texten, umfangreichen Archivdokumenten und -fotos zur Bauhaus-Avantgarde, zur 1930er-Boheme Manhattans, den Apartments von Johnson und den Barrs, Modernisten und der Moderne. Sie zeichnet ein bislang nur wenig bekanntes Bild der Entwicklung des amerikanischen Designs und seiner Verbindung zum Bauhaus. Eine wirklich lesenswerte Lektüre! Die Ausstellung wurde gerade aufgrund der großen Publikumsresonanz bis zum 30. Juli 2017 verlängert.
Partners in Design
Alfred H. Barr. Jr. und Philip Johnson, Bauhaus-Pioniere in Amerika, herausgeben von David A. Hanks und Friedrich Meschede. Erschienen bei Arnoldsche Art Publishers, Stuttgart. Hardcover, 20,3 x 27,9 cm, 240 Seiten, 200 Abbildungen, überwiegend in schwarz-weiß, deutsch, ISBN 978-3-89790-496-5, 38,00€ , Übersetzung von Nikolaus G. Schneider
David A. Hanks
ist Kurator des Liliane and David M. Stewart Program for Modern Design. Zu seinen bisherigen Publikationen für das Steward Program zählen "The century of modern design" (2010) und "American Streamlined Design: The World of Tomorrow" (2005).
Dr. Friedrich Meschede
geboren 1955 in Lippstadt. Der Kunsthistoriker hat Theologie, Geschichte und Kunstgeschichte in Würzburg und Münster studiert. Dort promovierte er über die skulpturale Arbeit von Ulrich Rückriem. Meschede war 16 Jahre Leiter des internationalen Künstlerprogramms des DAAD in Berlin. In dieser Zeit fanden u. a. Ausstellungen mit Damián Ortega, Ana Torfs, Helen Mirra, David Claerbout, Stephen Wilks oder Fiona Tan statt. 2008 wechselte er zunächst als Leiter zeitgenössischer Ausstellungen am Museu d´Art Contemporani nach Barcelona. Seit Juli 2011 ist Friedrich Meschede künstlerischer Direktor und Geschäftsführer der Kunsthalle Bielefeld, wo er bereits 1989 für ein Jahr Chefkurator war.
Philip Cortelyou Johnson
geboren am 8.7.1906 in Cleveland; gestorben 25.1.2005 in New Canaan. Amerikanischer Architekt, Architekturkritiker und erster Träger des Pritzker-Preises (1979). Zusammen mit Henry-Russell Hitchcock prägte er in den 1930er-Jahren zunächst den Begriff des Internationalen Stils und wurde später zum Mitbegründer der Postmoderne. Von 1930–1936 leitete er die Architekturabteilung am Museum of Modern Art (MoMA) in New York City. Von 1940–1943 studierte er in Harvard bei Walter Gropius und Marcel Breuer Architektur. Zusammen mit seinem langjährigen Lebenspartner Mark Wigley organisierte er 1988 erneut am MoMA die Ausstellung "Deconstructivist Architecture", die der gleichnamigen Architekturströmung zum internationalen Durchbruch verhalf. Zu seinen bedeutendsten Bauten zählen das "Glass House" in New Canaan (1947–1949), das "Seagram Building" in New York City (1954–1958), das er gemeinsam mit Ludwig Mies van der Rohe entworfen hatte, die "Crystal Cathedral" in Kalifornien (1980) und die "AT&T Headquarters" in New York City (1980–1984).
Alfred H. Barr Jr.
geboren 28.1.1902 in Detroit; gestorben 15.8.1981 in Salisbury, Connecticut. Amerikanischer Kunsthistoriker und Gründungsdirektor des Museum of Modern Art (MoMA) in New York. Barr studierte von 1918–1923 an der Princeton University mittelalterliche und moderne Kunstgeschichte und Archäologie. Ab 1927 unterrichtete er am Welleslay College, einer renommierten Privat-Hochschule für Frauen in Massachusetts. Dort brachte als erster Architektur, Grafikdesign, Fotografie, Musik und Film in Zusammenhang mit Malerei und Bildhauerei. Barr unternahm mehrere Reisen nach Europa, wo er unter anderem mit Walter Gropius, Paul Klee, Oskar Schlemmer und László Moholy-Nagy zusammentraf. 1929 beauftragte ihn Paul J. Sachs das Museum of Modern Art einzurichten, dessen erster Direktor er wurde. Vorbild seines Museums war die Neue Abteilung der Nationalgalerie Berlin im Kronprinzenpalais, die weltweit erste öffentliche Sammlung zeitgenössischer moderner Kunst des 20. Jahrhunderts.