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Sakralbauten an Rhein und Ruhr, Teil 2/2 – Beton-Diven und heilige Holzhäuser
Reportage: Teil 1 unserer Sakralbau-Geschichte „Göttliche Torten, himmlische Zitronenpressen“: hier.
Der Baum
Die Kirche der Katholischen Hochschulgemeinde in Köln ist nicht gefällig, harmonisch oder heiter. Sie ist brutal, zeichenhaft und direkt. Ein Geäst aus Stahlbeton umklammert das zerbrechliche Glas, strebt nicht in den Himmel sondern duckt sich und gräbt sich ins Erdreich. Der Architekt Heinz Buchmann und der Bildhauer Josef Rikus modellierten eine Raumskulptur als Metapher des Irdischen. Ein konstruktivistisches Geäst aus Beton durchbricht die massive Bodenplatte, verzweigt sich an der Oberfläche und schwebt gefällig über dem stufenlosen, höhlenartigen Betraum. Ein wahrhaft atemraubender Bau.
Der Berg
Sie ist die Diva des modernen Sakralbaus in Deutschland. Die Wallfahrtskirche Maria, Königin des Friedens in Neviges ist eine exzentrische Erscheinung. Manche sind sprachlos verzückt, andere finden sie „einfach hässlich“ (wie bei unserem Besuch erlebt). Für mich unbegreiflich. Schon von weitem imponiert das betongraue Gebirge. Ein Wallfahrtspfad führt über eine Treppenanlage an aufgeständerten Funktionsräumen zum Haupteingang der Kirche. Der Eingang erscheint niedrig angesichts des darüber aufgetürmten Massivs. Erst einmal durchgeschlüpft, braucht das Auge ein wenig, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Doch dann treffen einen die 30 Meter hohe Betonfaltendecke und die Böhmschen Reflektionen der starkfarbigen Fenster mit voller Wucht.
Die Skulptur
In Köln baute Böhm die katholische Kirche Christi Auferstehung. Der skulpturale Bau steht erhöht in der Flucht des Clarenbachkanals, der zum Aachener Weiher führt. Der Bau ist vielfach in sich verschachtelt. Eine Treppe windet sich außen um den Glockenturm. Kunstvoll verbinden sich grauer Beton und roter Ziegel an der Fassade und im Innenraum. Die verschiedenen Nischen und Räume dienen unterschiedlichen Aufgaben der katholischen Liturgie. Im ursprünglich als Taufkapelle gedachten Raum wurde eine Gedenkkapelle für die selig gesprochene Edith Stein eingerichtet. Die deutsche Philosophin und Frauenrechtlerin jüdischer Herkunft gilt als Brückenbauerin zwischen Christen und Juden. Sie starb am 9. August 1942 im KZ Ausschwitz-Birkenau.
Das Buch
Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA Emscher Park (1989-1999) schuf der israelische Land Art-Künstler Dani Karavan im Duisburger Innenhafen den Garten der Erinnerung. Grün- und Wasserflächen und künstliche Ruinen einer abgerissenen Lagerhalle korrespondieren mit den Betonarmen des Jüdischen Gemeindezentrums des Berliner Dekonstruktivisten Zvi Hecker. Fünf Achsen verweisen auf Duisburger Orte jüdischer Geschichte und darüber hinaus auf die fünf Bücher Mose. Wie ein aufgeschlagenes Buch greift die Betonkonstruktion in den Altstadtpark und schafft so einen Bezug zu Karavans Garten, den öffentlichen Raum und dem Hafenbecken. Sie soll zudem als Geste der ausgestreckten Hand die Offenheit des Judentums symbolisieren.
Das Holzhaus
Ein freistehender Glockenturm und eine breite Freitreppe markieren den Zugang zur evangelischen Brückenschlag-Gemeinde in Köln-Stammheim. Sauerbruch Hutton platzierten Kirche und Kapelle behutsam in einen bestehenden Baumhain, der heute für Veranstaltungen dient. Die schlichten Bauten wurden aus vorgefertigten Holztafel-Elementen errichtet und von außen mit einer diagonalen Holzschalung aus sibirischer Lärche verkleidet und grau lasiert. Der Innenraum ist minimalistisch. Ein raumhoher Screen aus 3.800 farbigen Holzlamellen in 27 verschiedenen Farben erhebt sich hinter dem Altar. Ihm gegenüber eine mattierte Scheibe, auf der sich das Schattenspiel der davorstehenden Bäume abzeichnet. Ein magischer Raum.
Die Moschee
Moscheen fristen in Deutschland oft ein Hinterhofdasein. Bloß nicht auffallen, ist die langläufige Meinung, bloß nicht zu viel Raum einräumen. Wieso eigentlich? Gehört der Islam doch lange schon zu Deutschland und Europa. Da helfen Dummheit, Ignoranz und Arroganz nicht weiter. In Köln wird gerade an prominenter Stelle ein zeitgenössischer Moscheekomplex fertiggestellt. Gewohnt hell und exzentrisch ist die Architektursprache aus dem Hause Böhm. Zum Glück kein neo-osmanischer Zuckerbau. Ob die DITIB-Gemeinde genauso transparent und offen ist wie die Architektur ihrer Zentralmoschee wird sich zeigen. Torheiten gibt es leider auf allen Seiten.
Sakralbauten
von lateinisch sacer „heilig“. Bauwerke (umgangssprachlich auch „Gotteshäuser“), die für sakrale, rituelle oder kultische Handlungen wie Gottesdienste durch religiöse Gemeinschaften genutzt werden. Der Begriff Sakralbau dient als Abgrenzung zum Profanbau, einem Bauwerk für weltliche Aufgaben. Wichtigster Bautypus der Sakralarchitektur ist der „Tempel“, zu dem im allgemeinen Sinne des Begriffs auch Kirchen, Moscheen und Ähnliches zählen. Daneben gibt es freistehende Bauwerke (Schreine, Altäre) und Denkmäler, die aus religiösen Gründen errichtet wurden. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Sakralbauten. Im Buddhismus ist die Pagode, der Stupa oder Chörten ein Symbol für Buddha. Im Christentum sind vor allem Kirchen und Kapellen zu nennen. Freikirchen verwenden gelegentlich auch den Begriff Bethaus, häufig auch Gemeindehaus oder Gemeindezentrum. Für den Islam sind die Kaaba in Mekka, die Moschee und die Tekke zu nennen. Die Bahai bauen Häuser der Andacht und Schreine (Heilige Grabstätten).