Bochum. Castrop-Rauxel. Dortmund. Duisburg. Essen. Gelsenkirchen. Oberhausen. Deutschland. Werbung. Die Route der Industriekultur ist 400 km lang, hat 25 „Ankerpunkte“, 17 Panoramen der Industrielandschaft und 13 Siedlungen verschiedener Epochen. Teil 1 zeigte Zeche Zollverein, Teil 3 wird die Panoramen präsentieren. Wir setzen unseren architektonischen Bildertrip mit Landmarken und Zechen-Landschaften fort.
1. Dortmunder U. 2. Zeche Zollern. 3. Schiffshebewerk Henrichenburg
Die ehemalige Brauerei der Dortmunder Union Brauerei ist das Zentrum für Kunst und Kreativität, beherbergt das Museum Ostwall und andere Einrichtungen. Das erste Hochhaus der Stadt wurde 1927 nach den Plänen des Dortmunder Architekten Emil Moog fertiggestellt. 1994 wurde die Brauerei geschlossen und benachbarte Bauten großflächig abgerissen. Gerber Architekten waren für die Sanierung des denkmalgeschützten U-Turms ab 2008 verantwortlich. Passend zur "Kulturhauptstadt Europas – RUHR.2010" wurde das Zentrum eröffnet. Der Architekt Ernst Neufert, der auch als Assistent von Walter Gropius gearbeitet hat, entwarf das neun Meter hohe U, das 1968 installiert wurde.
2. Zeche Zollern, Dortmund
Diese von Paul Knobbe und Bruno Möhring gestaltete Musterzeche ist genau das: mustergültig in ihrer ausladenden Adelssitz-Architektur. Zugleich galt die Anlage in Dortmund bei ihrer Fertigstellung 1902 als eine der modernsten Zechen Deutschlands und war ein Prestigeprojekt der damals größten Bergwerksgesellschaft Deutschlands. Um den Aufbau des schlossartigen Arrangements zu verstehen, empfehle ich den Gang hoch zu den oberen Ebenen des Fördergerüstes. Von hier oben erschließt sich der Beiname, den Zeitgenossen diesen Backstein-Bauensemble gaben: „Schloss der Arbeit“.
Schiffshebewerk Henrichenburg, Castrop-Rauxel
Die Hebewerkstraße in Henrichenburg scheint wie die passende Inszenierung des größten Bauwerks am Dortmund-Ems-Kanal. Vorbei an freistehenden Einfamilienhäusern und Ackerland erheben sich am Ende der Straße die beiden mächtigen Oberhaupttürme. Obwohl der Aufzug des Schiffshebewerks seit über 40 Jahren stillsteht, wirkt das Ganze so als ob man die Anlage auf Knopfdruck wieder starten könnte. Zur Anlage gehört ein Museum, der Hafen, eine Werft und historische Schiffe. Das Schiffshebewerk ist Ankerpunkt sowohl der Route der Industriekultur als auch der Europäischen Route der Industriekultur.
„Für jedes Pottkind Pflicht“, so eine Besucherin auf der Facebookseite des Deutschen Bergbau-Museum (DBM). Das scheinen auch viele andere so zu sehen. Über 400.000 Besucher kommen jährlich und machen das DBM zu einem der meistbesuchten Museen des Landes. Zugleich ist es das größte Bergbaumuseum der Welt, Forschungsinstitut und Archiv der Montangeschichte. Das von Fritz Schupp und Heinrich Holzapfel entworfene Museum ist kantige Backstein-Industriearchitektur. Der vom niederländischen Büro Benthem Crouwel geplante Erweiterungsbau heißt „Schwarzer Diamant“ und beherbergt Eingangsbereich, Räume für Sonderausstellungen und ist über Brücken mit dem alten Komplex verbunden. Die Erweiterung mit den großen, verglasten Treppengängen stellt einen Schnitt durch ein Stollensystem dar – mit Sichtbezügen zur Umgebung, insbesondere zum Bestandsgebäude und zur Stadt. „Masterplan DBM 2020“ bezeichnet den dringenden Umbau des Museums, das in Teilen mit dem Muff von Braunfliesen-Innengestaltung bedrängt und beengt. Die wichtigsten Attraktionen sind von den Umbauarbeiten nicht betroffen: Anschauungsbergwerk, Seilfahrtsimulator und Fördergerüst sollten Besucher definitiv ansteuern, um von 20 Meter Tiefe (Bergwerk) bis auf 62 Meter Höhe (Gerüst) alle Ebenen der vergangenen Montanindustrie zu erleben.
5. Jahrhunderthalle, Bochum
Modern, offen und sich der eigenen Wurzeln bewusst: die Jahrhunderthalle stand und steht für den Geist der Erneuerung und besticht durch eine kathedralenartige Architektur, die zugleich den Brückenschlag zur zeitgenössischen Baukunst schafft. Petzinka Pink Architektur verantworteten die Erweiterung und Revitalisierung des Industriedenkmals zu einer Spielstätte für Theater und experimentellen Tanz. Die Planer entschieden sich für einen Weniger-ist-mehr-Ansatz: sie ließen die Spielstätte der Ruhrtriennale nahezu unberührt und sorgten für Anpassungen, die wichtig sind für die Anforderungen des Kulturbetriebs. Der Vorbau des neuen, gläsernen Foyers schafft eine Verbindung mit dem historischen Gemäuer. Ein nur 20 mm starker Edelstahldraht trägt den Entwurf. Der mehrfach ausgezeichnete Bau vereint Stahl und Glas, Industriedenkmal des 20. Jahrhunderts mit der Kulturstätte des 21. Jahrhunderts. Die Jahrhunderthalle ist das Zentrum des neuen Westparks, das Ausgangspunkt der städtebaulichen Entwicklung der Innenstadt West in der Bochumer Innenstadt ist. Der Park selbst mit seinen Stufen, Ebenen, Brückenkonstruktionen und dem üppigen Grün scheint wie die Umsetzung der Definition von „Industrienatur“. Tipp: unbedingt auf die Blickachsen und Aussichten nach außen, in die benachbarten Quartiere und zur Jahrhunderthalle achten.
6. Zeche Bonifacius, Essen. 7. Alte Lohnhalle, Essen.
Die Inhaberin und Betreiberin der Alten Lohnhalle Anna Kruljac hat mit ihren Mitstreitern ein Stück Geschichtserlebnis geschaffen. Denn schöne, denkmalgeschützte Zechen gibt es mehrere im Ruhrgebiet. Hotels auch. Die alte Lohnhalle verbindet beides: Industriekultur und Individualität, Geschichte und Gastlichkeit. Verwaltung und Lohnhalle mit Waschkaue wurden in Anlehnung an die Architektur von ostelbischen Ordensritterburgen des späten Mittelalters gestaltet mit dunkelroten Ziegelsteinrahmungen, hellen Flächen, Gesims, Zinnen und Konsoltürmchen. Wir waren auf Einladung des Hotels Alte Lohnhalle vor Ort. Die 17 Zimmer des Hotels Alte Lohnhalle sind alle sehr individuell eingerichtet. Unser Zimmer auf zwei Ebenen hatte ein ziemlich farbenfrohes Bad (Fliesen!) und war mit Einrichtungsklassikern des 20. Jahrhunderts (Original!) ausgestattet. Dass das Geschichtserlebnis nicht zu einem plumpen Zechenevent verkommt, liegt zum Teil an den Details des Innendesigns, ein wenig an der Kreativität der Wiederherstellung des Hauses und ganz sicher an der echten Gastfreundlichkeit des Teams.
8. Nordsternturm, Gelsenkirchen
Der einarmige Herkules hat einen Riesenschädel, einen untersetzen Körper und wenig Muskeln. Da die Figur von Markus Lüpertz, einem der bekanntesten zeitgenössischen Künstler aus Deutschland, erschaffen wurde, muss es sich also um Symbolik handeln. Tut es nicht, das sei alles Zufall so Lüpertz. Um im gleichen Moment der "New York Times" zu erklären: „Herkules ist ein Problemlöser, der Unmögliches schaffen muss. Er ist ein gutes Symbol für eine Region mit hoher Arbeitslosigkeit, das sich als Kulturregion neuerfinden möchte.“ Klingt nach Symbolik. So oder so: dass sich die Metropole Ruhr im Wandlungsprozess befindet, ist klar. Dafür steht auch die 18 Meter hohe und 23 Tonnen schwere Monumentalplastik, die Ende 2010 im Rahmen von Ruhr.2010 auf dem 1950er-Nordsternturm von Fritz Schupp aufgebaut wurde. Wie gebauter Strukturwandel aussieht, zeigt das Architektenteam THS/PASD Feldmeier & Wrede mit dem 2003 fertiggestellten Umbau der Schachtanlage Nordstern 1/2. Ab 2009 wurde der denkmalgeschützte Nordsternturm ausgebaut, 2012 eröffnete die Besucherterrasse auf 83 Meter Höhe. Seit April 2017 wird im Turm die Ausstellung „Wandel is immer“ gezeigt. Ein Titel, der gut zum „Herkules von Gelsenkirchen“ passt. Ganz unsymbolisch.
9. Gasometer, Oberhausen.
Der „Riese am Kanal“ ist ein Bauwerk, das es fast nicht mehr gegeben hätte. Nach der Stilllegung der nahen Zeche und Kokerei wurde auch der Gasbehälter nutzlos. Statt des Abrisses kam 1994 der behutsame Umbau zum Museum. Ähnlich wie die Planer bei der Jahrhunderthalle Bochum ließ Architekt Steiner das Industriebauwerk beinah unberührt. Nur die einst bewegliche Gasdruckscheibe wurde auf vier Meter festgesetzt, Treppen und ein Aufzug kamen hinzu. Das zweite Leben des 117 Meter hohen Ex-Gasgiganten mit dem fantastischen Raumerlebnis im Inneren hat mit dem ersten nichts mehr zu tun, doch beide sind miteinander untrennbar verwoben. Typischer Fall von Ruhrgebiet reloaded.
„Mehr Park braucht kein Mensch!“, so bewirbt sich der Landschaftspark Duisburg-Nord mit seiner 180 Hektar großen Parklandschaft. In der Tat verbindet dieses riesenhafte Areal Industriekultur und Natur, Freizeit und Kultur auf eine Art, die es zurecht zu einem Ankerpunkt der Route der Industriekultur macht. Das stillgelegte Hüttenwerk ist das Zentrum, dessen Industrieanlagen umgenutzt wurde: Die alten Werkshallen dienen Kulturveranstaltungen, im Gasometer entstand Europas größtes künstliches Tauchsportzentrum, ehemalige Erzlagerbunker sind zu einem Klettergarten verwandelt worden, in der Gießhalle ist ein Hochseilparcours und der erloschene Hochofen wurde zum Aussichtsturm ausgebaut. Die Metamorphose des „Hochofenwerks Thyssen Meiderich“ wurde vom Landschaftsarchitekten Peter Latz in einem langen, weitsichtigen Prozess vorangetrieben. Der mit dem Sir Geoffrey Jellicoe Award ausgezeichnete Planer (höchste Auszeichnung des Verbandes der Landschaftsarchitekten) fügte Fragmente zusammen, ließ Schichten und Teile unabhängig voneinander wirken, so dass sie visuell, funktional oder auch nur ideell miteinander verbunden waren. Beispiele sind der tief eingeschnittene Wasserpark, die einzelnen Felder der Vegetation, die stadtteilverbindenden Promenaden auf Straßenniveau oder der Bahnpark mit seinen Hochpromenaden und der Gleisharfe. Wegen der großen Ausdehnung des Areals empfehlen wir wie bei der Zeche Zollverein die Konzentration auf einige, wenige Ziele. Oder planen Sie gleich eine Übernachtung in Duisburg ein. Dann können Sie das Ganze mit dem Innenhafen Duisburg verbinden, ebenfalls ein Ankerpunkt. Etwa eine Million Menschen besuchen den seit Mai 2000 denkmalgeschützten Park jährlich, auf dem ca. 250 Veranstaltungen im Jahr stattfinden. Stimmt, mehr (Multifunktions)Park geht nicht.