THE LINK to DACH+HOLZ International – Der sinnliche Rohstoff
Interview:1. Bitte beschreiben Sie die Philosophie Ihrer Arbeit. Wie hat Sie die Walz durch Französisch Guyana, Frankreich und andere europäische Länder geprägt?
Meine Arbeitsphilosophie entspricht meiner Lebensphilosophie, welche darin besteht das Leben zu genießen und mit allen Sinnen wahrzunehmen. Arbeit ist ein Bestandteil unseres Lebens und als ganzheitliches Lebewesen kann ich Arbeit und private Lebensweise bzw. -einstellung nicht trennen. So zielt meine Arbeit darauf ab, das Leben meiner Kunden lebenswerter zu machen, indem ich Lebens(t)räume schaffe und mir selber Lebensfreude bereite.
Gerade das Zuhause ist ein höchst persönlicher und wichtiger Bestandteil unseres Lebens und sollte das Leben angenehm gestalten und Wohlsein fördern. Neben Ästhetik spielen hierbei für mich auch die gesundheitlichen Aspekte von Wohnraum eine entscheidende Rolle. Die richtige Gestaltung von Wohnraum und die Verwendung natürlicher schadstofffreier Baustoffe stehen hierbei im Mittelpunkt.
Nicht zuletzt darf man seine Existenz und Verantwortlichkeit nicht nur auf den eigenen Mikrokosmos beschränken. Gerade in einer globalisierten Welt tragen wir alle Verantwortung für den Fortbestand unserer Erde und damit verbunden die Zukunft unserer Kinder. Deshalb habe ich mich von Anfang an auf ökologischen Holzbau mit nachhaltigen Baustoffen spezialisiert. Nachhaltige ästhetische Lebensräume zu schaffen, bringt mir persönlich Lebensfreude und Lebensqualität.
Meine Walz durch Französisch Guyana, Frankreich sowie viele andere europäische Länder hat mich in dieser Haltung bestärkt, zeigte sie mir nicht nur die Schönheit unseres Planeten, sondern brachte mich auch in Kontakt mit vielen unterschiedlichen Kulturen. Während dieser Zeit konnte ich vor allem die weltweit vorhandene und Jahrhunderte alte Tradition in der Nutzung des nachhaltigen Rohstoffes Holz in unterschiedlichen Kulturen erfahren – Wissen, welches in modernen Industriegesellschaften lange verloren gegangen war.
2. Warum arbeiten Sie mit Holz?
Bereits im Kindesalter habe ich mich für den Werkstoff Holz begeistert. Seine Wärme und schier unfassbare Fülle von positiven Eigenschaften begeistern mich bis heute. Jedes Holz hat seinen eigenen „Charakter“ seinen eigenen Duft, seine eigene Farbe und Maserung sowie seine speziellen Eigenschaften. In diesem Sinne ist Holz nicht nur ein fantastischer nachhaltiger Rohstoff, sondern auch ein „sinnlicher“ Rohstoff. Ökologischer Holzbau macht Leben vielfältiger und schafft durch die gezielte Nutzung von Hölzern ein eigenes Raumklima. Dazu kommen die vielen anderen Eigenschaften, welche Holz unfassbar vielseitig machen. In Zeiten von Kunststoffen, Metall und Beton, haben viele Kulturen schlichtweg vergessen, welch fantastischer Werkstoff Holz eigentlich ist. Zum Glück hat mittlerweile ein Umdenken eingesetzt.
3. Sie beschreiben sich als eine Mischung aus französischem Lebensstil und deutscher Gründlichkeit: bitte beschreiben Sie an einem Beispielprojekt wie das funktioniert und was Ihre Kunden daran begeistert.
Aufgrund meiner Walz und als „Wanderer“ zwischen den Kulturen spiele ich gerne auf die üblichen Vorurteile an. Natürlich sind französische Handwerker schon immer gründlich gewesen. Wer sich ein Bild hiervon machen will, sollte einmal das Museum in Tours besuchen. Dies ist also keine alleinige Tugend meiner deutschen Kollegen. Und wir Franzosen frönen ebenfalls nicht nur gutem Essen und Wein. Allerdings sehen Franzosen nicht immer alles gleich verbissen. Gerade in stressigen Situationen reagieren wir oftmals gelassener und bewahren unsere Freundlichkeit. Denn französischer Lebensstil bedeutet nicht nur die Kunst das Leben und die Schönheit zu genießen, sondern vor allem Begeisterungsfähigkeit, Toleranz und Freundlichkeit im Umgang miteinander. Hierzu gehört auch die Loyalität im Team und zum Kunden, was die Durchführung von Projekten für alle Seiten angenehm gestaltet.
Gerade in hektischen Situationen auf der Baustelle oder bei unerwarteten Schwierigkeiten und bei überraschenden Änderungswünschen, bringt diese freundliche Gelassenheit Vorzüge gegenüber einer verbissenen Sachlichkeit. Jeder Handwerker kennt diese Situationen und sie treten eigentlich immer wieder auf, so dass man kein konkretes Beispiel nennen braucht. Für den Kunden bringt diese Kombination den Vorteil, dass er wirklich im Mittelpunkt steht und ich immer einen Weg suche, ihn glücklich zu machen und zufrieden zu stellen. Gegenseitige Fairness vorausgesetzt, wird dem Kunden hierdurch die notwendige Wertschätzung entgegengebracht und viele Freiheitsgrade eingeräumt. Als Experte sehe ich mich in der Rolle eines Beraters, welche die Bedürfnisse und Wünsche des Kunden zum Ausdruck bringt. Bedingt durch den kulturellen Mix versuche ich hierbei meine Lebensfreude und Verbundenheit mit der Natur auch in meinen Werken als Mischung von Eleganz und Funktionalität ebenfalls zum Ausdruck zu bringen, was meine Kunden sehr an mir schätzen.
4. Mit Ihrer Arbeit am Feldhof in Bachem nach einer Planung des Kölner Büros Lüderwaldt Architekten wurden Sie 2015 für den Deutschen Holzbaupreis nominiert. Was war die besondere Herausforderung bei diesem Projekt und welche Rolle spielte des Bauen im Bestand?
Feldhof war in vielerlei Hinsicht ein besonderes Projekt, galt es doch im Bestand neuen attraktiven Lebensraum zu schaffen. Die Erhaltung der historischen Substanz und die Umgestaltung unter ästhetischen Aspekten, unter Wahrung modernster Wohnraumanforderungen, wurden vom Team erfolgreich gemeistert. Vor allem ist Bauen im Bestand nicht nur unter historischen, sondern auch ökologischen Gesichtspunkten äußerst wertvoll, da es gelebte Nachhaltigkeit darstellt.
Hierbei mussten viele Herausforderungen gemeistert werden, galt es doch das Fachwerk zu erhalten, wofür dieses umfangreich umwelttechnisch saniert werden musste, da man in der Vergangenheit bei dessen früherer Konservierung noch keine Kenntnisse über die darin enthaltenen Stoffe hatte. Eine weitere Herausforderung stellten die räumlichen Beschränkungen dar, welche eine extrem präzise Planung notwendig machten. Mit Hilfe modernster Technik musste z.B. der Aufbau des Holzhauses als „Haus in der Scheune“ simuliert werden, um die Baugruppen so zu gestalten, dass sie letztendlich innerhalb der Scheune effizient und zeitsparend aufgebaut werden konnten. Gleiches galt für die Treppenkonstruktionen in den jeweiligen Häusern des Feldhofes. Die Verbindung moderner sachlicher Architektur mit den historischen Komponenten der ursprünglichen Dachstuhlkonstruktionen, sowie Fachwerke bereitete mir besondere Freude. Ebenso die Verwendung nachhaltiger und ökologisch wertvoller Bau- und Dämmstoffe. Feldhof ist für mich ein exzellentes Beispiel dafür, dass modernster Wohnraum mit ökologischen Baustoffen geschaffen werden kann.
5. Wo ist Ihr Lieblingsort in Ihrer Heimat und außerhalb? Warum?
Ich persönlich sehe mich als Kosmopolit. Die Liebe zu meiner Frau, hat mich nach Köln geführt und ich habe Köln ebenfalls in mein Herz geschlossen. Köln ist für mich eine wunderbare Mischung aus Weltstadt und provinziellem Charme. Anders als in anderen Metropolen herrscht hier keine Anonymität. Man wird an und aufgenommen und hat Kontakt zu seinem Umfeld. Hierbei kommt Köln seine traurige historische Rolle als eine in ihrer Geschichte immer wieder besetzte Stadt zu gute. Hier haben nicht nur Römer, Franken, Karolinger, Franzosen und Engländer kulturelle Spuren hinterlassen. Köln ist im positiven Sinne multikulturell und besticht dadurch, dass die Kölner das Beste aus jeder Besatzungszeit übernommen haben. In diesem Sinne ist Köln eine weltweit einzigartige Stadt, in der ich gerne lebe und arbeite.
Ansonsten folge ich gerne den bretonischen Wurzeln meiner Familie. Die Bretagne, welche lange für die meisten feingeistigen Franzosen als grobschlächtig galt, bietet unberührte Natur pur. Dort kann man die Elemente und die Einzigartigkeit der Natur am eigenen Leib erfahren. Wind, Wellen, Felsen und mystische Landschaften – der Duft des Meeres, welcher Geschichten erzählt. Auch dies ist meine Heimat und vielleicht Grund dafür, dass ich Zimmerermeister geworden bin. Denn oft blickte ich auf das Meer hinaus und träumte Schiffszimmermann zu sein.
Stéphane Erulin
geb. 9. Juli 1965 in Paris. Nach seinem Abschluss 1983 am Lycée technique de Saint-Germain-en-Laye begann Erulin eine Ausbildung zum Zimmerer bei „Les compagnons du devoir“ in Gap (Frankreich). Von 1981 bis 1991 war er aktives Mitglied bei „les compagnons du devoir“ und bildete sich dort weiter. Seine Walz führte ihn in 14 unterschiedlichen Städte in Frankreich; Europa und nach Französisch Guyana. 1992 machte er den Abschluss der französischen Meisterprüfung an der Handwerkskammer von Reims. 1994 schloss er die deutsche Meisterprüfung an der Handwerkskammer Kassel ab. Es folgten Anstellungen und selbständige Arbeiten als Meister in Köln und Neukaledonien. Seit 2004 ist er selbständiger Zimmermeister der Zimmerei-Holzbau Stéphane Erulin. Erulin ist Vorstandsmitglied der Dachdecker und Zimmerer Innung Köln und zeitweise Dozent bei der Handwerkskammer zu Köln für die Vorbereitung von Meisterprüfungen.
Feldhof in Bachem: 4 Häuser, 1 Hof
Der Feldhof war schon immer eine für den Ort Bachem, seine Einwohner und die Landschaft besonders prägende Anlage und wurde bis 2008 als landwirtschaftlicher Betrieb genutzt. Seit Beginn des Jahres 2011 stand der Vierseithof leer. Der bauliche Zustand war in weiten Teilen desolat. Das Kölner Büro Lüderwaldt Architekten stellte sich der besonderen Bauaufgabe zum Erhalt der Anlage. Sie lag einerseits in der einzigartigen Lage am Ortsrand in einem Landschaftsschutzgebiet und andererseits in der technisch-gestalterischen Komplexität. Für die Bauleistungen Zimmerei und Ingenieurholzbau wurde die Zimmerei Stéphane Erulin beauftragt. Das Team legte bei der Revitalisierung des ehemalige "Bauernhofs" zu einer naturnahen, familienfreundlichen Wohnanlage großen Wert auf die Landschaftsverträglichkeit, die Einbindung der Gesamtanlage in die Umgebung und den respektvollen Umgang mit dem Boden- und Baudenkmal. Aufgrund der sehr unterschiedlichen und unterschiedlich geschädigten Bestandskonstruktionen und den energetischen sowie konservatorischen Anforderungen wurde es erforderlich, für jedes Haus ein technisch-konstruktiv und damit auch ein räumlich-gestalterisch eigenständiges Umbaukonzept zu entwickeln. Die Architekten fügten in die in Dimension, Konstruktion und Erscheinung sehr unterschiedlichen Gebäude insgesamt sechs Wohneinheiten unterschiedlicher Größe ein. Jede Wohnung besitzt einen ganz besonderen eigenen räumlichen Charakter. Die Beschränkung auf wenige Materialien, deren aufeinander abgestimmte Farbigkeit und einige übergreifend wirksame Details tragen zu einer gelungenen Gesamtkomposition bei. Die Bauten sind so angeordnet und gegliedert, dass sich auf der Außenseite jeweils den Wohnungen zugeordnete private Freibereiche ergeben. Diese geschützten Außenräume bilden Übergänge in die direkt an die Gebäude heranreichende Landschaft.
Wettbewerbe und Auszeichnungen Lüderwaldt Architekten in Zusammenarbeit mit dem Zimmermeister Stéphane Erulin
Feldhof in Bachem: German Design Award 2017 (lobende Erwähnung), ICONIC AWARD 2016 (Winner), Deutscher Holzbaupreis 2015 (engere Wahl); neo_leo / wohnen vertikal: Holzbaupreis 2007 (engere Wahl), Auswahl zur Teilnahme an der Ausstellung „CONVERTIBLE CITY“ der Bundesrepublik Deutschland auf der 10. Architekturbiennale in Venedig 2006, Kölner Architekturpreis 2006, Holzbaupreis Nordrhein Westfalen 2006
DACH+HOLZ International
ist die etablierte Leitmesse für Holzbau und Ausbau, Dach und Wand. Die GHM Gesellschaft für Handwerksmessen mbH ist Veranstalter. Sie ist der Spitzentreff für die nationale und internationale Dach- und Holzbaubranche und präsentiert die ganze Vielfalt der Gewerke. Zimmerer, Spengler/Klempner, Dachdecker sowie die Architekten- und Immobilienbranche treffen sich alle zwei Jahre abwechselnd in Köln und Stuttgart. Sie findet dieses Jahr vom 20. bis 23. Februar auf der Messe Köln statt.