Miho Museum – Ein Tempel für die Kunst
Auf Reisen / Reportage:Mit einem Glockenturm fing alles an. Pei baute ihn neben dem Hauptquartier der säkularen Sekte Shinji Shumeikai, deren Anhänger an die Heilung durch Licht, den Segen natürlicher Landwirtschaft und die spirituelle Reinigung durch Kunst glauben. Beauftragt hatte ihn Mihoko Koyama, die Chefin der Sekte und Erbin eines der größten Vermögen in Japan. Begeistert von dem Ergebnis lud sie ihn ein, in Sichtweite des Turms ein Museum für ihre Sammlung von Utensilien der klassischen Teezeremonie zu errichten. Pei willigte ein, machte aber zur Bedingung, den Kunstschatz zu einem Angebot von internationalem Zuschnitt auszuweiten.
Unterstützt von ihrer Tochter begab sich Frau Koyama auf Einkaufstour und trug derart viele antike Preziosen zusammen, dass I. M. Pei seinen Bauplan laufend erweitern musste. Um dennoch den Auflagen der Naturschutzbehörde nachzukommen, verlegte er achtzig Prozent des Gebäudes unter die Erde und setzte eine gläserne Dachlandschaft aus Tetraedern darüber, die das Auf und ab der umliegenden Berge nachzeichnet. Zu dem Gelände des Museums auf einer steilen Anhöhe schuf er einen beschwingenden Zugang durch einen Tunnel und über eine Brücke. So stiegen die Baukosten bis 1997 fast auf das Doppelte des im gleichen Jahr eröffneten Guggenheim Museums in Bilbao.
Viele der jährlich 100.000 Besucher nehmen die mühsame Anreise, die in den Wintermonaten nicht möglich ist, vor allem der Architektur wegen auf sich. Doch auch die gezeigten Objekte aus fünf Jahrtausenden Kultur, von China und Japan über Indien, Persien, Mesopotamien, Ägypten bis Griechenland und Rom, müssen keinen Vergleich scheuen. Und ihren Auftritt hat I. M. Pei perfekt inszeniert.
Ieoh Ming Pei
"Light is the Key" heißt der Band mit Interviews, die Gero von Böhm über fünf Jahre mit I. M. Pei führte. Ausführlich wie sonst kaum äußert sich der zurückhaltende Baumeister darin über sein Leben und seine Arbeit. Geboren 1917 im südchinesischen Guangzhou kam er mit achtzehn Jahren in die USA und studierte in Harvard bei Walter Gropius und Marcel Breuer. Nach dem Weltkrieg arbeitete der naturalisierte US-Bürger zwölf Jahre lang für den Immobilien-Tycoon Zeckendorf, eine Erfahrung, die es ihm nach eigenem Bekunden erst möglich machte, die politischen Intrigen beim Umbau des Louvre zu überleben. Zuvor schon hatte er mit dem East Wing der National Gallery of Art in Washington seine Meisterschaft im Museumsbau bewiesen, nun machte er aus einer verkrusteten Institution eine funktionale Attraktion, öffnete den Gebäuderiegel zur Stadt und schuf mit der Glaspyramide über dem Eingang eine Ikone. Die Jury des Pritzker-Preises, den er 1983 erhielt, sah in seiner Vielseitigkeit und Kunstfertigkeit im Gebrauch von Materialien eine nahezu poetische Qualität. In Hongkong setzte er mit dem Bank of China Tower ein markantes Zeichen in der Stadtsilhouette: eine Hochhausfassade aus Dreiecken, deren innovative Struktur dem Druck der Taifune standhält und mit ihren spiegelnden Scheiben dennoch sehr leicht wirkt. Auch kleineren Projekten wie dem Schauhaus für das Deutsche Historische Museum in Berlin widmete Pei sich gerne, da sie ihm erlaubten, in eine fremde Kultur einzutauchen und sein Design zu verfeinern. Für sein letztes großes Werk, das 2008 in Doha eröffnete Museum für Islamische Kunst, ging er lange auf Suche nach der Essenz islamischer Baukunst. Auf einer künstlichen Insel, in gebührendem Abstand zur banalen Skyline der katarischen Hauptstadt, hat er in einer eher strengen Architektur gegeneinander versetzte Blöcke aufgetürmt, denen die Wüstensonne mit ihren Schattenwürfen und Farbschattierungen Leben verleiht.