Tropical Islands – Multiversum
Reportage:Dem einen kommen utopistisch-großdimensionierte Architekturkonzepte in den Sinn, den anderen Vorurteile über Simulationsschöpfungen und die dazu passenden Gäste mit Tumb-Tattoos. Es gibt nur wenige Bauten über die es in meinem Freundes- und Bekanntenkreis so konträre Meinungen gibt, die Gigantenhalle von Tropical Islands zählt dazu. Für Colin Au war hier nichts gegenteilig. Er sah bei der Eröffnungs des Freizeit- und Erlebnisparks 2004 die saftige Lebendigkeit der Tropen in der Mark, wo die allermeisten herbe Jottweedee-Steppe vermuten. Der Geschäftsmann mit der Tanjong-Gruppe aus Malaysia erwarb die Werfthalle der CargoLifter AG, die zuvor mit der Weiterentwicklung der Zeppelin-Idee Bankrott gegangen war. Die Vision ein Lastenluftschiff für bis zu 160 Tonnen schwere Fracht zu entwickeln, konstruieren und betreiben, war gescheitert. Nun kamen also malaysische Investoren mit dem Ziel in Brand ein tropisches Urlaubsparadies zu schaffen, eine Umnutzung mit Wagnis. Ein neues Ziel, wo das alte verfehlt wurde? Anderthalb Jahrzehnte nach den Hirngespinsten und dem Umbau der Halle lautet das Resümee brandenburgisch pointiert: ja. Nach den schwierigen Anfangsjahren und Rückschlägen ist das Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich. Über 600 Menschen sind hier beschäftigt, gut 3.000 Gäste kommen im Schnitt täglich, macht eine Million Gäste pro Jahr, die aus allen Teilen Deutschlands kommen. Aber auch aus Polen, Tschechien, den Niederlanden und anderen europäischen Ländern machen sich Menschen auf den Weg gen Zeppelinwerft, gerne in Kombination mit einem Aufenthalt im nur 60 km entfernten Berlin. Mitten in Brandenburg geht es also ziemlich international und europäisch zu.
„Atlantistisch-arabisich und märchenhaft-maurisch“: so beschreiben wir die Fabelarchitektur des Atlantis The Palm in unserem Architekturführer Vereinigte Arabische Emirate (2016, bei DOM publishers). Der Fünfsternehotelkomplex in Dubai mit dem Motto “Check into another world” hat sich dem Ozean-Thema verschrieben und zieht es bis in die letzte Detailkonsequenz durch. Warum der Schwenk gen Glitzer-Golfstaat? Weil die Parallelwelt in Perfektionia gar nicht so weit weg ist. Auch Tropical Islands ist ein Themenkosmos mit konsequent umgesetzten Parallelwelten. Ob “Südsee”, der “Regenwald” oder das Tropendorf: hier sollen die Gäste in eine andere Welt einchecken. Ähnlich wie Atlantis The Palm verschreibt sich Tropical Islands seiner Illusionswelt mit der gebotenen Ernsthaftigkeit.
Was die Landschaftsarchitekten aus Südamerika, Sri Lanka, Großbritannien und Deutschland unter der Kuppel erschaffen haben, gedeiht, blüht und grünt, dass der Gedankenkatapult gen Südostasien tatsächlich funktioniert. Haruyoshi Ono (1944–2017) war für die gesamte Landschaftsplanung verantwortlich. Ono hat als Partner von Roberto Burle Marx (1909–1994) nach dessen Tod das gemeinsam geführte Büro Burle Marx in Rio de Janeiro übernommen. Marx zählt zu den wichtigsten Landschaftsarchitekten des 20. Jahrhunderts und gestaltete u. a. die Copacabana in Rio de Janeiro neu und den weitläufigen Museumspark von Rotterdam. Ono schuf Wege und Wasserflächen für die Werfthalle, wo heute um die 50.000 Pflanzen und eine 40- bis 60-prozentige Luftfeuchtigkeit bei 26 Grad Lufttemperatur für den Kurzurlaub im Paradiessurrogat sorgen.
Die malaysisch-brandenburgische Schwül-Synthese passt gut zu diesem Bundesland. Es war ein Graf, der mit dem Branitzer Park und dem Schloss Branitz im 19. Jahrhundert eine Kulturlandschaft schuf irgendwo zwischen modellierter Idealnatur, ägyptischen Parkpyramiden und Exzentrik. Der Ausbau der Bettenkapazitäten (natürlich auch Themen-orientiert), die neuen Bereiche (natürlich ein wohlportioniertes Nebeneinander) und die kräftigen, selbstbewussten Investionen in die weitere Entwicklung sind zusammengenommen die Fortschreibung der Maschinerie des Märchenhaft-Manipulativen und das Best of-Südsee unter der Titanenkonstruktion. Die Geschichte des Multiversums in Brandenburg wird fortgeschrieben.
Zu dieser redaktionell unabhängigen Recherche hat uns das Tropical Islands eingeladen, dem wir für die Einblicke hinter die Kulissen danken.
Tropical Islands
Tropical-Islands-Allee 1, 15910 Krausnick. Ca. 35 km südlich von Berlin-Schönefeld, an der Autobahnabfahrt Staakow der A13. Der Regional-Express RE 2 fährt von Berlin und Cottbus stündlich nach Brand Tropical Islands, Fahrtzeit z. B. von Berlin Alexanderplatz etwa 50 Min. Die Regionalbahn RB 24 fährt ebenfalls stündlich. Vom Bahnhof Brand Tropical Islands verkehrt ein kostenloser Bus-Shuttle direkt zur Halle und den anderen Bereichen (Camping-Platz, Mobile Homes etc.). „Weitestgehende Barrierefreiheit“ wird übrigens von den Betreibern garantiert. Preise? Sind ordentlich und können für Familien schnell happig werden. Empfehlung: Vergleichsportale im Internet nutzen oder gleich den Newsletter von Tropical Islands abonnieren. Es gibt immer wieder Aktionstage.
Burle Marx
Brasilianisches Büro für Landschaftsarchitektur, 1955 von Roberto Burle Marx (1909–1994) als Burle Marx & Cia. Ltda gegründet und mit den Partnern und Architekten Jose Tabacow und Haruyoshi Ono (1944–2017) ab den 1960ern betrieben. Als Begründer der modernen Gartenarchitektur zählt Burle Marx zu den wichtigsten Landschaftsarchitekten des 20. Jahrhunderts und hat u. a. auch mit Le Corbusier und Oscar Niemeyer zusammengearbeitet. Als passionierter Pflanzensammler entwarf er Gärten oft mit asymmetrischen Formen und in kräftigen, warmen Farben. Er bezeichnete Gartengestaltung als "Malen mit Pflanzen". Der brasilianisch-japanische Architekt Ono begann als Praktikant bei Burle Marx, stieg zum Partner auf und verband das Vermächtnis des Firmengründers mit eigenen Kreationen weiter, u. a. in Brasilia und im Tropical Islands.
CL MAP GmbH
Planungsbüro mit einem Team aus Architekten, Innenarchitekten, Bauingenieuren und Stadtplanern, 2002 von Jürgen Grothe und Martin Hautum in München gegründet. Hervorgegangen ist es aus einem Projektteam, das von 1997 bis 2002 die Planung und Umsetzung der CargoLifter-Werftanlage für Großluftschiffe bearbeitete.
Multiversum
Der Begriff Parallelwelt oder Paralleluniversum bezeichnet eine hypothetische Welt oder ein Universum außerhalb des bekannten Universums. Die Gesamtheit aller Parallelwelten wird als Multiversum bezeichnet. Die Annahme von Parallelwelten (Mehrweltentheorie) wird in der Philosophie seit der Antike erörtert. Zu unterscheiden ist dabei zwischen der Diskussion über theoretisch mögliche Welten unter formalen Gesichtspunkten und den Hypothesen, in denen solchen Welten eine wirkliche Existenz zugeschrieben wird. Auch in der physikalischen Kosmologie wird die Möglichkeit der realen Existenz von Parallelwelten diskutiert. Einer breiteren Öffentlichkeit ist die Vorstellung vor allem aus der Science-Fiction bekannt. (Wiki)