James-Simon-Galerie – Feiner Monolith
Reportage:Das zentrale Empfangsgebäude der Museumsinsel in Berlin ist fertig gebaut. Was sich nach einem einfachen Satz mit einem ebenso schlichten Inhalt liest, ist in der aufgeregten Dauerbaustelle Hauptstadt natürlich ein Politikum. Auch die James-Simon-Galerie bringt alle Zutaten für Wutschaum der Immer-Empörten und selbsternannten Co-Finanzkontrolleure. Denn bereits 1999 verabschiedete die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) den Masterplan Museumsinsel, bei der der Neubau eines Eingangsgebäudes festgelegt wurde. Es folgte viele Jahre: nichts. Dann musste der Entwurf von David Chipperfield Architects (DCA) von 2001 überarbeitet werden. Großkritiker und Volksbegehrende mochten ihn nicht. 2009 wurde der neue Entwurf genehmigt. Ursprünglich sollte die Galerie 2014 eröffnet werden. Der schwierig-schmierige Schlammboden, Baupfusch und Rechtsstreitigkeiten verhinderten das. Beim Richtfest im Frühjahr 2016 ermahnte Barbara Hendricks, die damalige Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit „bei Bauten des Bundes besser und verlässlicher“ zu werden.
Charakter im Welterbeensemble
Wie kann gute Architektur angesichts einer solchen Gemengelage entstehen? Und dann noch an einem kulturgesellschaftlich so aufgeladenen Platz wie der Museumsinsel? Indem man Beton und Noblesse verbindet. Außen ist der Beton mit Marmor versetzt, innen ist es strukturierter Ortbeton. Hinzu kommen Muschelkalkböden und hochwertiger Nussbaumholz aus Frankreich wie im Auditorium mit der beeindruckenden, gewellten Decke. Das Empfangsgebäude der Welterbestätte Museumsinsel empfängt auf eine grazile und gleichzeitig kraftvolle Art.
Ob der Bund bei Bauten jetzt besser und verlässlicher werden wird? Die Verzögerungen und Kostensteigerung – Eröffnung war für 2014 geplant, bei Ausgaben von erst 73, später 134 Millionen Euro – bei der Umsetzung müssen natürlich kritisiert werden und Architekturbüros brauchen bei Projekten dieser Art Ausdauer, Geduld und Beharrlichkeit. Das Resultat ist ein Filigranbau, der ästhetisch und baulich angemessen auf die ehrwürdige Welterbe-Nachbarschaft reagiert und sich nicht mit einer Pseudo-Alt-Architektur gemein macht. Oder gar eine Mischplatte serviert, siehe Franco Stellas Hybridschloss auf der anderen Seite des Lustgartens. Sich in ein Ensemble zu fügen und selbstbewusst zeitgenössisch zu sein: eine Gratwanderung, die architektonisch gemeistert wurde. Beim Richtfest im Sommer 2016 erklärte Architekt David Chipperfield: „Wir haben versucht, hier nicht einfach ein neues Gebäude hinzusetzen, sondern eines, das sich aus dem Ort selbst ergibt. Wir wollten es finden, nicht dem Ort aufzwingen. Wir wollten einen Platz schaffen, nicht ein Gebäude. Einen Platz, der die gesamte Museumsinsel in Szene setzt.“
Filigranbau als Verteiler
James-Simon-Galerie
Der Galerie kommt eine zentrale Bedeutung für die Infrastruktur des Museumskomplexes auf der Museumsinsel in Berlin zu. Als neues Eingangs- und Empfangsgebäude wird sie den Besucherinnen und Besuchern Orientierung, Information und Gastlichkeit bieten. Sie wird zentrale Servicefunktionen für die Museumsinsel übernehmen und damit die historischen Ausstellungshäuser entlasten. Dieses wird auf derselben Ebene liegen wie der Rundgang Antike Architekturen auf der Hauptebene des Pergamonmuseums und auch direkten Zugang dorthin ermöglichen. Auf einer unteren Ebene liegt der Zugang zur Archäologischen Promenade, die eine Verbindung zu vier der fünf historischen Häusern schafft. Vom Neuen Hof zwischen James-Simon-Galerie und Neuem Museum aus wird es einen weiteren ebenerdigen Eingang in das Gebäude geben (aus: Masterplan Museumsinsel Projektion Zukunft).
Bodestr. 1–3, Museumsinsel Berlin. Eröffnung Sommer 2019
James Simon
Benannt nach dem Berliner Unternehmer James Simon (1851–1932), einem der bedeutendsten Mäzene der wilhelminischen Ära, dem die Staatlichen Museen zu Berlin zahlreiche hochkarätige Werke verdanken, darunter die weltberühmte Büste der Nofretete und das Ischtar-Tor.
David Chipperfield Architects
Gründung: 1985. Büros in Berlin (seit 1998), Shanghai (seit 2005) und Mailand (seit 2006). Zu den Bauaufgaben zählen Kultur-, Wohn-, Gewerbe- und öffentliche Projekte sowie Masterpläne. Mit David Chipperfield Design werden zudem Produkte und Möbel, u. a. für Alessi, Cassina IXC und Zumtobel realisiert. David Chipperfield Architects hat über 100 internationale Preise und Auszeichnungen für herausragende Entwurfsleistungen erhalten, darunter 2007 den RIBA Stirling Prize für das Literaturmuseum der Moderne in Marbach und 2011 den Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur – Mies van der Rohe-Preis sowie den Deutschen Architekturpreis für den Wiederaufbau des Neuen Museums. Architekt und Prof. Dipl.-Ing. Alexander Schwarz arbeitet seit 1996 für für das Büro. 2006 wurde er Geschäftsführer und 2011 Partner des Berliner Büros von David Chipperfield Architects. Seit 2015 lehrt er an der Universität Stuttgart am "Institut für Öffentliche Bauten und Entwerfen".