Mies van der Rohe Haus in Berlin-Hohenschönhausen: Mies am See – Architektur in Berlin
Berlin. Deutschland. Der Backsteinpavillon in Berlin-Hohenschönhausen war der letzte Bau in Europa, den Mies van der Rohe vor seiner Emigration in die USA realisierte. Als Museum und Denkmal ist das Landhaus Lemke heute vor allem eine Perle der Moderne und wirkt wie die schlichte und klare Destillation seiner Architektur.
Das Landhaus Lemke war das Ende und der Beginn zugleich für Mies van der Rohe. Es war 1933 sein letztes, realisiertes Projekt in Europa, bevor er Nazideutschland verließ und in Nordamerika eine neue Phase seiner Karriere begann. Zuvor hatte er die Direktorenhäuser Esthers und Lange in Krefeld und Villa Tugendhat in Brno entworfen – prachtvolle, große Bauten mit ebenso großen, parkähnlichen Gärten. Das für den Unternehmer Karl Lemke und dessen Frau Martha geplante, eingeschossige Landhaus Lemke mit Flachdach und der Ziegelfassade wirkt von der Straße aus gesehen zurückhaltend und ungekünstelt. Zwar gibt es wie bei den Villen in Krefeld und Brno ein Wechselspiel der Hausansichten, doch gerade das Imposante dieser Anwesen wollten die Lemkes nicht kopieren. Karl Lemkes finanzielle und formale Vorgaben beeinflussten den Entwurfsprozess. Der Wunsch: ein “kleines und bescheidenes Wohnhaus”, das “an schönen Tagen zum Garten hin erweitert” werden könnte. Das Resultat ist ein schlichtes, L-förmig angelegtes Wohnhaus in Massivbauweise, in dem Mies van der Rohe sein Konzept des “fließenden Raumes” umsetzen konnte. Der Ziegelbau öffnet sich mit wandgroßen Fensterflächen zur Parklandschaft und zum Obersee, der nur wenige Meter vom Haus entfernt ist.
Vor der Übernahme des Landhauses durch das Bezirksamt Hohenschönhausen 1990 hatte es eine wechselvolle Geschichte mit teils fahrlässigen Nutzungen. Nach dem Ende Zweiten Weltkrieg bis 1962 war es Lager und Garage der sowjetischen Militärverwaltung. Von 1963–1976 wohnte hier ein Stasi-Offizier, danach wurde es bis in die Achtzigerjahre als Wäscherei und Gästehaus der Stasi genutzt. Nach der 2002 erfolgten, denkmalgerechten Instandsetzung für etwas über eine Million Euro können Gäste das Landhaus so erleben wie von Mies konzipiert: als gestalterische Einheit von Haus, Garten und See.
Wer von der Tramhaltestelle Oberseestraße kommt, wird nirgends Schilder oder Hinweise finden. In dieser zerteilten Gegend aus Platte, Stadthäusern und Gründerzeitbauten, aus Dorfgefühl und Berliner Kiezurbanität soll ein Werk des berühmten Architekten Mies van der Rohe stehen? Erst kurz vor dem Haus gibt es einen Wegweiser, der ebenso zurückgenommen wirkt wie der Mies-Bau. Diese Bescheidenheit macht es gerade im Bauhaus100-Jahre zu einem besonderen Ziel, ähnlich wie seine anderen Werke im Westen der Republik, die er mit seiner Partnerin Lilly Reich realisierte.
Im Jahr der Fertigstellung des Landhaus Lemke wandte sich der Architekt an die Studierenden der Bauhaus-Schule. Mit der Mitteilung vom 10.8.1933 leitete er als Bauhaus-Direktor die Schließung der weltweit einflussreichen und von den Faschisten verschmähten Schule ein. Das Ende war einige Jahre später der Anfang seines neuen Lebens- und Karriereabschnitts in den USA.