Funktionalismus pur – Dreiklang der Moderne
Auf Reisen:Torben heißt der knallrote Ochse, der das Wappen von Rødovre ziert. Eine Bronze des Zugtieres steht auf dem zentralen Rathausplatz. Namensgeber war der dänische Aristokrat Torben Oxe. Die Gründung der noch jungen Stadt fällt mit der Trennung der Gemeinden Rødovre und Brønshøj ins Jahr 1901. Letztere wurde zur gleichen Zeit nach Kopenhagen eingegliedert. Rødovre wuchs rasch. Den historischen Dorfkern bildet ein Ensemble aus Kirche, Schule und dem Rødovregård, einem ehemaligen Landgut in dem heute das Heerup-Museum mit Werken des gleichnamigen dänischen Künstlers untergebracht ist. Erst in den 1950er-Jahren wurde Arne Jacobsen mit der Planung eines neuen Stadtzentrums etwa 500 Meter westlich beauftragt. Er hatte bereits zwei Siedlungs-Projekte in der Gemeinde realisiert – darunter eine Reihenhaus-Gruppe in Islevvænge (1951) und zusammen mit anderen Architekten die zentrale Siedlung Carlsro. Der Direktor der ausführenden Wohnungsbaugesellschaft empfahl den berühmten Architekten dem damaligen Bürgermeister Gustav Jensen. Es wurde dringend ein neues und größeres Rathaus benötigt und Jacobsen hatte mit dem Bau der Rathäuser in Aarhus und Søllerød bereits Erfahrung.
Sein „Band der Demokratie“ erstreckt sich vom Rathaus, dem offiziellen Verwaltungssitz, über die Stadtbibliothek bis hin zu einer langen Wohnzeile. Die Komposition der Baukörper sollte den demokratischen Gedanken und die enge Verbindung von Politik, Bildung und Bürgern auch im Stadtbild sichtbar machen. Das neue Zentrum von Rødovre war bei seiner Errichtung auch ein Symbol für den modernen, dänischen Wohlfahrtsstaat und die Wirtschaftswunderjahre der Nachkriegszeit. Bereits 1966 entstand in direkter Nachbarschaft Dänemarks erste Shopping-Mall mit dem bezeichnenden Namen „Rødovre Centrum“.
Band der Demokratie
Den Auftakt bildet das Rathaus im Westen. Der Dreigeschosser besticht durch seine Schlichtheit und Strenge. Er wurde 1956 eröffnet und war ursprünglich höher geplant. Die straffe Geometrie und die leichten Vorhangfassaden aus Stahl und Glas zeugen von Arne Jacobsens Hinwendung zum internationalen Stil, sowie seinem Wissen um Eero Saarinens ikonisches General Motors Technical Center in Warren (USA). Die beiden Gebäude sind äußerlich nahezu identisch. Ähnlich wie bei der späteren in Hamburg errichteten HEW-Zentrale (1969) verkleidete Jacobsen die schmalen fensterlosen Stirnseiten vollständig mit norwegischen Naturstein. Den Ratssaal rückte er aus dem Hauptkörper aus und verband den Pavillon mit einem beidseitig verglasten Zwischenbau. So scheint der Saal beinahe frei auf der Wiese zu stehen. Eine große Fensterfläche öffnet sich zur Stadt hin. Sie lässt viel Licht in den Plenarsaal und erlaubt zugleich einen Blick auf die Arbeit der gewählten Amtsträger – ein zutiefst demokratischer Gedanke in architektonischer Übersetzung.
Dem Rathaus gegenüber platzierte Jacobsen die Stadtbibliothek. Fertiggestellt wurde sie allerdings erst 1969. Zwischen beiden Gebäuden eröffnet sich ein weitläufiger Stadtplatz, den er mit strengen Baumpflanzungen und geradlinigen Wasserbecken gestaltete. Ein von Jacobsen geplantes farbiges Kunstwerk wurde leider nicht realisiert. Durch die Verwendung des gleichen Solvåg-Natursteins wie bei den Rathausfassaden erscheinen beide Bauten als Einheit. Anders als das Rathaus wirkt die Bibliothek nach außen nahezu hermetisch. Betritt man sie über das dunkel gehaltene Foyer fällt der Blick unmittelbar in den daran anschließenden lichtdurchfluteten Veranstaltungsaal. Die Sonne wandert den ganzen Tag um den zentralen, leicht abgesenkten Raum und flutet ihn durch die seitlichen Glasflächen mit natürlichen Licht. Das angehobene Dach markiert den Saal auch nach außen und repräsentiert so als Gegenüber des Ratssaales die Kultur- und Bildungsangebote der Stadt. Jacobsen führte die städtebauliche Raumfolge konsequent bis in die Innenräume fort: vom Ratsaal und dem Rathausfoyer, über den Stadtplatz und das Bibliotheksentrée bis in den zentralen Veranstaltungssaal.
Den Abschluss des Bandes bildet die dreigeschossige Wohnzeile Ved Rådhuset im Osten. Sie steht parallel zum Rathaus. Eine langgestreckte Grünfläche ist ihr vorgelagert. Die Apartments im Erdgeschoss haben jeweils ihren Eingang von einer Privatstraße auf der Ostseite und einen direkten Zugang zum Garten. Die darüber liegenden Maisonetten werden über einen vorgelagerten Balkon erschlossen, der über mehrere diagonal gestellte Treppenläufe zu erreichen ist.
Carlsro und andere Stadtquartiere
Gemessen an der Größe mit knapp 42.000 Einwohnern ist das Baukulturerbe der Moderne von Rødovre außergewöhnlich. Nur Gentofte nördlich von Kopenhagen hat mehr Gebäude von Arne Jacobsen als Rødovre und andere Gemeinden in Dänemark. In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg prägte er das schnell wachsende Vorstadtgebiet mit seiner Siedlungsarchitektur wie beispielsweise von Carlsro und Islevvænge, sowie der berühmten Nyager Schule. Neben dem bemerkenswerten Triple schuf Jacobsen noch eine ganze Reihe weiterer Bauwerke, die sich ideal bei einem Stadtrundgang erkunden lassen.