Enrique Nieto (Menschen, Büros & Architekt:innen)

Architekt, Städteplaner

Modernisme in Nordafrika

Stile und Stoffe: Historismus / Baukunst vor 1900, Jugendstil / Art déco
Länder: Spanien
Ort: Barcelona

Enrique Nieto i Nieto wächst in Barcelona auf und studiert Architektur an der Escola Tècnica Superior. 1906 schließt er sein Studium ab; in diesen Jahren arbeitet er in Büros, die die katalanische Spielart des Jugendstils prägen. 1909 zieht er nach Melilla – ein Schritt, der sein Werk definieren wird. 1931 übernimmt er das Amt des Stadtarchitekten und prägt Melillas Baukultur bis zu seinem Ruhestand 1949. Nieto entwirft für eine Stadt im Aufbruch. Ingenieure planen Achsen und Plätze, er setzt die Zeichen an den Fassaden. Er schafft Wohn- und Geschäftsbauten für Händler, Offiziere, Apotheker, Familien. In seinen frühen Jahren bevorzugt er geschwungene Erker, florale Schmiedeeisenarbeiten, farbige Keramik. Später strafft er Proportionen und setzt vertikale Rhythmen.
Frühe Leitbauten markieren die Handschrift: El Telegrama del Rif (1912) an der Calle Cándido Lobera, die Cámara de Comercio (1913) an der Miguel de Cervantes, La Reconquista (1915) an der Plaza Menéndez Pelayo, die Casa Melul (1915–1916) an der Avenida Juan Carlos I. In den 1930er-Jahren verdichtet er die Strenge: Edificio Rojo (1935) und der große Verwaltungsbau Palacio de la Asamblea (Projekt ab 1933, Ausbau bis 1948/49) als politisches und städtebauliches Zeichen.
Nieto arbeitet nicht im Alleingang. Mit Emilio Alzugaray führt er das Casino Militar (1921–1932) zur Ausführung. Ramón Ginorella realisiert die Casa de los Cristales (1926) und ergänzt die Stadt mit neomaurischen Motiven. Juan de Zavala übernimmt in den 1940er-Jahren den rationaleren Ton – etwa beim Antiguo Banco de España (1943). Diese Zusammenarbeit erweitert das Spektrum: Modernisme, Neomudéjar, Art déco – in Melilla greifen sie ineinander.
Als die Stadt ihre religiösen Orte modernisiert, entwirft Nieto die Mezquita Central. Der 1938 datierte Entwurf wird 1947 fertiggestellt; im September 1947 eröffnet Melilla das Hauptgotteshaus der muslimischen Gemeinde. Nieto nutzt orientalistische Zitate, ohne die städtebauliche Ordnung zu verlieren.
Nietos Werk liest sich wie eine Chronik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Melilla. Er übernimmt die Kurve des Modernisme, erfindet Details für das lokale Handwerk, verschlankt die Formen im Art déco und reagiert auf neue politische und soziale Rahmen. Die Stadt übernimmt viele seiner Bauten in das geschützte historische Ensemble; Stadt, Eigentümer und Vereine pflegen das Erbe Schritt für Schritt. Heute führen Routen durch das Ensanche an seinen Häusern entlang – ein Freiluftarchiv der Stile zwischen Barcelona und Maghreb.

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