Georg Heinrichs (Menschen, Büros & Architekt:innen)

Architekt

Der humanistische Berlin-Baumeister


Länder: Deutschland
Ort: Berlin

Geboren 1926 in Berlin-Charlottenburg, gehört Georg Heinrichs zu den prägenden Architekten West-Berlins der Nachkriegszeit. Er wächst im Umfeld der Waldsiedlung „Onkel Toms Hütte“ auf, erlebt als junger Mann die Verfolgung durch das NS-Regime und wird 1944 in ein Zwangsarbeitslager deportiert. Nach dem Krieg studiert er Architektur an der Hochschule der Künste Berlin, sammelt erste berufliche Erfahrungen in London und Finnland – u. a. bei Alvar Aalto – und entwickelt früh ein eigenes gestalterisches Selbstverständnis, das sich gegen die vertikale Monumentalität der Moderne wendet. Für Heinrichs war Architektur kein Selbstzweck, sondern Teil eines gesellschaftlichen Gefüges: „Die Vertikale ist aggressiv“, wird er einmal sagen, „die Horizontale hingegen beruhigend.“
Berühmt wird Heinrichs vor allem durch ein Projekt: die Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße in Berlin-Wilmersdorf. Zwischen 1971 und 1980 entsteht dort – auf einem überdeckelten Abschnitt der Stadtautobahn – ein 600 Meter langes, terrassenartig gestuftes Wohngebirge. Es beherbergt über 1100 Wohnungen, Läden, Dienstleistungsräume, Grünflächen und verbindet Lärmschutz, Nachverdichtung und sozial orientierte Stadtplanung in einem riesigen Baukörper und bis ins Detail geplant. Gemeinsam mit den Architekten Gerhard und Klaus Detlev Krebs entwickelte Heinrichs eine bauliche Struktur, die urbane Utopien der 1970er-Jahre verdichtete: ein „liegendes Hochhaus“, das Infrastruktur überbaut, anstatt ihr auszuweichen – und das dabei stets auf Tageslicht, Privatheit und großzügige, grüne Freibereiche setzt. Gerhard und Klaus Detlev Krebs – langjährige Partner im Büro – prägen die „Schlange“ maßgeblich mit. Ihre planerischen Beiträge reichen von der Grundrissentwicklung bis zur Gestaltung der Freiräume, die als Gartendenkmal bis heute unter Schutz stehen. Gemeinsam mit Heinrichs realisieren sie ein Ensemble, das sowohl technisch innovativ als auch sozial gedacht ist: eine städtebauliche Antwort auf die Flächenknappheit West-Berlins, aber auch auf die Sehnsucht nach Wohnqualität mitten in der Stadt.
Auch jenseits der „Schlange“ hinterlässt Heinrichs bleibende Spuren im Stadtbild: So entwarf er in den 1960er- und 1970er-Jahren das Evangelische Konsistorium am Hohenzollerndamm und Wohnbauten im Märkischen Viertel, in der Uhlandstraße und im Opernviertel. Seine Arbeiten verbinden Pragmatismus mit architektonischer Geste – sie denken Großmaßstäblichkeit nicht als Dominanz, sondern als Verantwortung im Stadtraum. Georg Heinrichs stirbt 2020 im Alter von 94 Jahren in seiner Geburtsstadt. Sein Werk ist mehr als das Resultat einer architektonischen Handschrift. Es ist Ausdruck einer Haltung: dass Stadt nicht dem Verkehr untergeordnet werden darf – sondern dass man sie, im besten Sinn des Wortes, überbauen kann.

Karte mit Touren & Bauwerken Georg Heinrichs

Interaktive Karte der Bauwerke

Mensch, Architekt*in oder BüroTeilen