Industriearchitektur Farsons Brewery – B(r)aukunst
Bekömmlich
"Tsissgg". Es klingt zu Beginn wie ein Kommando, hört im zweiten Teil aber beinah samtweich auf. So wird es geschrieben: "Cisk", das Nr. 1-Bier Maltas. Der Geschmack ist wie der Samtteil des Wortes: dezent und sehr bekömmlich. Insofern war die Bekanntschaft mit dem Bier am Abend vor unserem Treffen mit dem Architekten Karl Borg der Farsons Gruppe gut koordiniert, denn dieser zeigte sich ähnlich zugänglich wie das Hauptprodukt der Firma. Wobei Firma untertrieben ist. Farsons Group ist ein Lebensmittelkonzern, gegründet 1928 und mittlerweile in allen Bereichen des Getränke- und Nahrungsmittelsektors tätig ist: Brauerei, Produktion, Verkauf, Vertrieb, Vermarktung. Der jährliche Umsatz beträgt über 80 Millionen Euro. Das Ziel der Gruppe ist das Wachstum auf lokaler und internationaler Ebene, sie wollen ein "regional player within the food and beverage business" werden, so ihre Vision. Zu den Marken der Gruppen gehören: mehrere Biersorten wie Cisk Lager, Blue Label Ale (Altbier), Hopleaf Pale Ale (cremig), die Limonade Kinnie sowie das Tafelwasser San Michel und andere Produkte.
Geometrisch
Wir treffen den Hausarchitekten der Farsons Gruppe, Karl Borg, am Fuße der alten Brauerei. Der weiße, streng geometrisch angelegte Turm mit dem halbkreisförmigen Vorbau und Art déco-Elementen strahlt hier, direkt am Eingang des Werksgeländes, Sachlichkeit und Eleganz zugleich aus. Der Entwurf für die Brauerei, inklusive des langgestreckten, zweigeschossigen Körpers mit Büros, Produktionsstätten und Vertriebsräumen und der sich an den Turm anschließt, stammt von Lewis V. Farrugia, dem damaligen Geschäftsführer. Der ausgebildete Architekt hatte zwei Jahre an den Plänen gearbeitet. Die neue Brauerei wurde im Juni 1950 eingeweiht.
Ästhetisch
Seit 1950 hat sich die Simonds Farsons Cisk-Gruppe, so die offizielle Bezeichnung, zum führenden Getränke- und Lebensmittelhersteller des Inselarchipels entwickelt. Bei unserem Rundgang mit Karl Borg wird das Wachstum auch anhand der Größe des Werksgeländes deutlich. Das Logistikzentrum, die technischen Anlagen wie z. B. das Tanklager, die Verpackungshallen für die Biere und Softdrinks sowie die neue Brauerei haben die ursprüngliche Größe der alten Anlage vervielfacht. Zwischen den Zweckkonstrukten hebt sich die neue Brauerei besonders hervor. Die alte Brauerei war nicht mehr zeitgemäß, erst recht nach der rasanten Expansion des Unternehmens. Zudem haben sich die Anforderungen an Produktion, Technik und Zertifizierungsverfahren verändert. Das beauftragte und in Valletta ansässige Architekturbüro Architecture Project AP beschreibt ihren 7400 qm-großen und 4,5 Millionen Euro teuren Bau nüchtern als "Container für den Brauprozess, der Ausrüstung, Technik, Kessel, Silos und Behälter beherbergt." Insgesamt ist AP eine Verbindung aus Ästhetik und Zweckmäßigkeit gelungen. Das zeigt sich auch an der Fassadengestaltung, einer Kupferhaut, die zusammen mit der natürlichen Ventilation für Schutz und Temperaturkontrolle des Innenraums sorgt.
Großzügig
Karl Borg läuft. Und läuft. Und läuft. Bei dem Rundgang scheint uns der Farsons-Architekt alles zeigen zu wollen. Tut der Enthusiast nicht, dafür offenbart er einige Schätze der alten Brauerei wie z. B. den Raum mit den imposanten Braukesseln. Erkennbar verstaubt und lange unbenutzt, wird dieser Ort zu einem Besucherzentrum umgebaut. Im langgestreckten Riegel an der Seite des künftigen Zentrums sollen Büros und Gewerbeeinheiten entstehen. Nach der intensiven Begehung sitzen wir mit Karl Borg noch einige Zeit im Farsons Direct, dem Verkaufsladen für die hauseigenen Produkte wie auch für die verschiedenen Weine, Biere, Spirituosen und nichtalkoholischen Getränke, die Farsons importiert, z. B. Perrier, Campari, Jägermeister, Red Bull. Am liebsten hätte ich jetzt ein kühles, blondes Cisk. Allerdings ist es Mittagszeit und wir haben noch weitere Termine am Nachmittag. Wir trinken Wasser. Natürlich lässt uns Karl Borg in seiner großzügigen Art auch andere Wassersorten bringen. Mit Geschmack. Mit viel Sprudel. Mit wenig. Dazu erzählt er wie sich Maltas Architektur in den vergangenen Jahren verändert hat. Auch mit Bauten wie der neuen Brauerei von AP oder Projekten von anderen lokalen Designern, was auch mit dem Immobilienboom der letzten Jahre und dem Aufschwung Maltas zu tun hat. Das jedoch ist eine andere Geschichte. Wir eilen zum nächsten Treffen, randvoll mit maltesischer Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Ich weiß, welches kühle Hefegetränk ich nach den Terminen bestellen werde.
Unsere architektonische Recherechreise wurde von Visit Malta, Air Malta und dem Palazzo Prince D’Orange unterstützt.
Unsere (architektonische) Bilderserie über Malta finden Sie: hier.
Simonds Farsons Cisk
Ist eine Bierbrauerei. Farson ist Mutterunternehmen für zehn weitere Unternehmungen in Malta und entstand aus der Cisk-Brauerei. Cisk ist in vielen Lebensmittelsektoren tätig mit Schwerpunkt Bierbranche. Sie produziert seit dem Jahr 1928 Bier.
Cisk
Giuseppe Scicluna gründete 1840 die erste private Bank in Malta. Irgendwann wandelte sich das Wort "cheques" (Scheck) zu "cisk" und Giuseppe Scicluna wurde bald bekannt als Ic-Cisk (The Cisk. Deutsch: Der Cisk). Im Jahre 1928 übernahm seine Bank die Geschäfte eines Kunden, der die Lizenzen für Pilsner Bier und Bier des Münchner Typs besaß. So wurde 1928 Maltas erstes Lagerbier, das Cisk Pilsner gebraut. Im Jahre 1948 kam es zur Gründung der Simonds Farsons Cisk plc, bei der sich diese Brauerei mit der Farsons Brauerei und dem Importeur H & G Simons zusammenschloss. 1995 erreichte Cisk eine Topplatzierung bei den Australian Beer Awards. Der Alkoholgehalt beträgt 4,2 %. Es ist das bekannteste Bier in Malta.
Australien?
In mehreren Ländern haben sich maltesische Exilgemeinden gebildet. Große Communities gibt es in Italien, Kanada und Australien. In den 1960ern bis weit in die 1970er-Jahre sind zahlreiche Maltesen aufgrund hoher Arbeitslosigkeit auf der Insel ausgewandert.
Birkirkara
Ist mit fast 22.000 Einwohnern (Dezember 2013) die größte Gemeinde Maltas. Die Gemeinde Birkirkara besteht aus den Bezirken St Helen, St Joseph, Our Lady of the Carmel und St Mary. Im Westen befindet sich im Bezirk Mriehel die Simonds Farsons Brauerei.