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Rheinstädte und ihre neuen Häfen, Teil 3 – Vom Schmetterlingsbau zum Sprungbrett
Buchwelten / Reportage: Rheinauhafen
Er ist der architektonisch Kantige unter den drei Neuhäfen, die wir erkundet haben. Die unmittelbare Nähe zum Rhein, die fantastischen Ausblicke auf das rechtsrheinische Deutz und auf die Innenstadt und eine Gradlinigkeit, die sich an der Längsausdehnung des Areals orientiert, sind die auffälligsten Merkmale. Während der Masterplan von Foster + Partners im Innenhafen Duisburg auf Ausgewogenheit und Behutsamkeit und die Baumeister im Medienhafen Düsseldorf auf eine vielfältige Spannung gesetzt haben, erscheint die Kölner Antwort wie eine Antithese zur nahen Altstadt mit ihrer Enge und Dichte: her mit Größe, Weite und Breite! Die Verantwortlichen der Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK) und der Stadt setzten auf eine großmaßstäbliche Lösung mit sichtbaren Landmarken: den Kranhäusern von Bothe Richter Teherani (heute Hadi Teherani Architects GmbH, Hamburg) und dem Aachener Architekten Alfons Linster. Der 1898 als Hafenanlage fertiggestellte und von Josef Stübben geplante Rheinauhafen hat sich seit Ende der 1990er-Jahre zu einem Stadtquartier mit der Arbeit-Wohnen-Kultur-Mischung entwickelt, die so auch in Duisburg umgesetzt wurde. Der Anteil an Wohnungen und der denkmalgeschützten Bauten beträgt jeweils ein Drittel. Nach aufwendiger Sanierung stehen das „Siebengebirge“ und das alte Hafenamt neben Neubauten mit Gastronomie, Gewerbe, Kultur- und Bildungseinrichtungen auf einer Gesamtfläche von über 15 Hektar.
Das Schokoladenmuseum der Unternehmerfamilie Imhoff setzte einen wichtigen Impuls für die städtebauliche Entwicklung des Areals. Nach der Fertigstellung 1993 wurde es schnell von Einwohnern und Gästen der Stadt angenommen. Der deutsch-österreichische Architekt Fritz Eller (entwarf auch das Landtagsgebäude NRW in Düsseldorf) verband bei dem Pionierprojekt alt und neu, indem er mit einer fließenden Aluminium-Glas-Hülle das massive Mauerwerk des alten Zollamtes umrahmte. Die neue Form symbolisiert postmoderne Schiffsmotive. Die Produktionshalle für die gläserne Schokoladenfabrik ähnelt einem großen Schiffsdeck. Das Schokoladenmuseum ist nach wie vor beliebt: jährlich kommen 600.000 Menschen.
Das andere Symbol des Quartiers sind die Kranhäuser, die das architektonisch moderne, wirtschaftlich starke Köln repräsentieren und zugleich an die Ursprünge des Areals erinnern sollen. Diese Besinnung hat auch mit dem Düsseldorfer Büro FSW Landschaftsarchitekten zu tun. Diese gewannen 1999 den Freiraumwettbewerb und konzipierten ein Spiel aus historischen und modernen Elementen. Sie kombinierten Natursteinpflaster, Schienenstränge und restaurierte Hafenkräne mit Betonplatten, Glas, Stahl und Lichtgestaltung. Insgesamt überwiegt der Eindruck eines architektonisch autonomen Areals, das selbstbewusst gen Stadt blickt und das Wasser als Kulisse nutzt. Der Bezug zum Fluss ist mit der Ende 2009 ausgebauten Laura-Oelbermann-Promenade gelungen und beweist: die Umgestaltung alter Industrieanlagen hat Köln auf eine kühn-kantige Art definiert. Ob sich das bei der Umgestaltung des Hafens in Mülheim und des Deutzer Hafens fortsetzt, werden wir in den nächsten Jahren erleben.
Deutzer Hafen
Dass Kölns Hafenzukunft mit der Neugestaltung des Rheinauhafens noch lange nicht abgeschlossen ist, zeigt sich am Deutzer Hafen. Wie der Rheinauhafen und der Hafen in Mülheim hat die Stadt hier ein flächenmäßig großes, innerstädtisches Areal, das direkt am Wasser und in Sichtweite des Doms liegt. Er soll zu einem neuen Stadtquartier mit Wohn- und Arbeitsplätzen für mehrere tausend Menschen entwickelt werden. Über Chancen, Risiken und Herausforderungen der Umnutzung des über 240.000 Quadratmeter großen Areals wird seit Jahren diskutiert. Im Sommer 2017 präsentierte das Kopenhagener Büro COBE in Kooperation mit Ramboll Studio Dreiseitl (Überlingen), Transsolar (Stuttgart) und knp.bauphysik (Köln) und mit Beteiligung der Bürgerschaft den Entwurf. Er ist mit Gutachten und Studien die Grundlage für die Diskussion mit der Bevölkerung. Das neue Hafenviertel soll aus dem Ort heraus und in Anlehnung an seine Geschichte entwickelt werden. Wichtiger Teil dieser Historie sind die denkmalgeschützte Ellmühle, die Kran-Bahn und die Lastenkräne am Hafenbecken. So möchten die Verantwortlichen ein neues, lebendiges Kölner Veedel, das ein Sprungbett in die Zukunft darstellt und wo die Vergangenheit spürbar bleiben soll.
Rheinboulevard und eine andere Baubesonderheit
„Wenn Sie mit der Bahn nach Köln einfahren und dabei die Hohenzollernbrücke über den Rhein passieren, erblicken Sie am rechten Rheinufer eine neue Bühne städtischen Lebens in Gestalt einer spektakulären Ufertreppe“, so das verantwortliche Berliner Büro Planorama Landschaftsarchitektur. Der Ende 2016 fertiggestellte Rheinboulevard besteht aus der Freitreppe und dem darüber liegenden Boulevard. Für die Wege wurden 5.500 Quadratmeter Betonplatten verbaut. Hinzu kamen 2.300 Quadratmeter Naturstein, Bänke und 60 japanische Schnurbäume, Kastanien und Robinien. Planorama erhielt im Frühjahr 2017 den Deutschen Landschaftsarchitekturpreis und den polis award 2017. Mit dem seit 1993 vergebenen Preis zeichnet der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten beispielhafte Projekte und deren Gestalter aus. Im Fall des Rheinboulevards zu recht, denn hier schmiegen sich Freitreppe und Weg in die Deutzer Uferkante und formulieren Kölns Grußbotschaft schlechthin: lässiger Lebensgenuss mit Großstadtgemütlichkeit. Gänzlich ungemütlich sind die Großbuchstabenmedien mit Meldungen über abendliche Messerstechereien, Tumulte und Shisha-Verbote. Tagsüber gibt es nichts von all dem, nur Touristengruppen, Mittagspausen-Erholer und Flaneure, die über die Stadtsilhouette auf der anderen Flussseite sinnieren. Wer genug von der urbanen Meditation hat, sollte gen Deutzer Hafen gleiten und sich auf die dortigen Stadtlandschaften einlassen. An den Pollerwiesen wird an regenfreien Tagen gegrillt, dass einem die BBQ-Luft einen Hungermagen hervorgrummelt. Zeit für den Seitenwechsel über die Eisenbahnbrücke „Südbrücke“ (vom Berliner Kulturbrauerei-Architekten Franz Schwechten und mit den Planern der Hohenzollernbrücke, Fritz Beermann und Friedrich Dircksen). In diesem Teil des Rheinauhafens begann ab 2011 eine neue Ära für die Kölner Skatergemeinschaft. Mit dem Kap686 gibt es einen Platz ausschließlich für das Streetskating. Hier hat die Stadt mit dem Verein Dom Skateboarding e. V. und dem Kölner Architekturbüro Metrobox eine 2.000 Quadratmeter große Fläche geschaffen, auf der die Elemente des Stadtraums wie Treppen, Kanten, Geländer und Grünflächen neu interpretiert und platziert wurden. Wenn diese Stadtlandschaft für das junge Köln steht und der Rheinauhafen für die architektonische Großgeste am Fluss, dann repräsentiert die 4 km nördlich gelegene Bastei eine Flussstadt, die schon vor über 90 Jahren Wert auf die Nähe zum Strom legte. Hier setzte Wilhelm Riphahn 1924 sein Bauwerk im expressionistischen Stil um. Dass über Architektur am Ufer schon immer engagiert diskutiert wurde, zeigte sich bereits 1925 in einem Magazin für Baukunst und Städtebau: „Über diesen Bau … mit beglückend weiten Aussichten über den schönsten Strom, ist viel gestritten und dabei von einer Gefährdung der Umrisslinien des heiligen Köln gesprochen worden. Dagegen lässt sich einwenden, dass ein so riesengroßes Bild wie die Kölner Rheinufer es wohl vertragen kann, wenn ein fremdartig heiterer Schmetterling sich in achtungsvoller Ferne von den historischen Gebäuden niederlässt. Köln ist durch Riphahns lustiges Speisehaus reicher geworden.“
Architekturführer Köln
Dieses Buch empfehlen wir:
Weil es handlich ist, sich mit seinen 252 Seiten nach 25,2 Seiten anfühlt und seine grafisch-visuelle Linie konsequent umsetzt ohne verkünstelt zu wirken. Schwarzweiß-Architekturfotografie und das Grün passen gut zusammen.
Weil die Herausgeber*innen Barbara Schlei, Uta Winterhager und Tobias Groß Architekturkenner und Kölnenthusiasten sind, ohne Fachwortnerds und Colonia-Eiferer zu sein. Sie erklären und beschreiben ihre Stadt und die Objekte knackig und kenntnisreich.
Weil Köln einem nach den 104 präsentierten Projekten verständlicher wird, da der Fokus zwar auf der zeitgenössischen Architektur liegt, aber auch die Nachkriegsbauten ihren Platz bekommen.
Weil der Weg von der Onlineplattform koelnarchitektur zur gedruckten Analogpublikation, gemeinhin auch als Buch bekannt, auf eine souveräne und ästhetische Weise geglückt ist.
Weil die Stiftung Buchkunst das alles und mehr gesehen und den Architekturführer zum schönsten Buch 2016 erkoren hat. Zu recht.
Köln
ist mit mehr als einer Million Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt in NRW und nach Berlin, Hamburg und München die viertgrößte Stadt Deutschlands und eine der geschichtsträchtigsten Städte des Landes. Als Oppidum Ubiorum geht sie auf eine römische Gründung 38. v. Chr. zurück, die später Colonia Agrippinensis hieß. Köln ist heute eine bedeutende Industrie- und Technologiemetropole mit Sitz zahlreicher Banken- und Versicherungsunternehmen. Als Medienstandort vor allem für Fernseh- und Rundfunksendungen hat die Stadt zusätzlich Bedeutung. Den städtebaulichen Akzent setzen mehrere Hochhäuser, von denen viele in den 1980er-Jahren entstanden. Der Dom ist das (gotische) Wahrzeichen der Stadt und wurde 1996 zum Weltkulturerbe erklärt. Die Museum(neu)bauten wie das Kolumba von Peter Zumthor sind ein wichtiger Teil der zeitgenössischen Architektur der Stadt. Eine der größten städtebaulichen Projekte war ab den 1990er-Jahren der Umbau des Güterbahnhofs Gereon zum MediaPark. Die Umwandlung des Hafens von Mülheim, des Deutzer Hafens und Rheinauhafens sind wegen ihrer zentralen Lagen, Flächen und Bestandsbauten wichtige innerstädtische Projekte für Gewerbe, Kultur und Wohnungsbau.
Schokoladenmuseum
Am Schokoladenmuseum 1 A, 50678 Köln. Öffnungszeiten: Mo–Fr 10–18 Uhr, Sa., So. und feiertags 11–19 Uhr. Eintritt ab 7,50 Euro (Kinder, Schüler). Für Kinder unter 6 Jahren: frei. Erwachsene 11,50 Euro.
THE LINK Tipp:
Architekturführer Köln. Verlag der Buchhandlung Walther König. 103 zeitgenössische und moderne Bauten und Quartiere. Herausgegeben von Barbara Schlei, Uta Winterhager und Tobias Groß. 11 x 18 cm. 252 Seiten mit s/w-Abbildungen und Karten, broschiert. ISBN: 978-3-86335-720-7