Zukunft für zwei Stadien – Sportliche Aufgaben
Reportage:Ljubljana hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Die Altstadt ist mittlerweile fast vollständig durchsaniert und der autofreie Umbau der Slovenska Cesta hat das Gesicht der erweiterten Innenstadt entscheidend verändert. Daneben gibt es allerdings etwas außerhalb bis heute zwei prominente ungelöste bauliche Probleme, für die schon länger spannende Konzepte vorliegen, deren Umsetzung immer wahrscheinlicher wird.
Interessanterweise handelt es sich bei beiden um Sportstätten. Da ist zum einen der Sportpark Stožice von Sadar+Vuga, dessen oberirdisches Fußballstadion und die auffällig muschelförmige Mehrzweckhalle zwar in Gebrauch sind, dessen unterirdisch geplantes Shoppingcenter aber nur als Rohbau existiert. Im anderen Fall handelt es sich um das Bežigrad Stadion von Joze Plečnik, das seit 2008 einer Sanierung und Neunutzung harrt. Auch das Plečnikjahr 2017 brachte hier keine Fortschritte. Der Besuch des Stadions lohnt sich heute deshalb aber um so mehr, da es jetzt noch in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten ist. Das gilt genauso für den Sportpark Stožice, wenn auch dort die geplanten Eingriffe nicht so weitreichend wie bei Plečniks Bau sind.
Stadion Bežigrad
Gerade darin, dass es als Sportstätte eigentlich nie richtig taugte, offenbart das Stadion deutlich die Denkweise Jože Plečniks (1872–1957). In seinen Entwürfen zielte der slowenische Architekt immer zu allererst auf die Schaffung nationaler Identität, die Funktionalität tritt dahinter oftmals zurück. Ein Umstand, der Plečniks Bauten auf den ersten Blick geradezu antimodern erscheinen lässt. Dass seine Ideen, insbesondere in der Stadtplanung, auch heute noch zeitgemäß sind, offenbart sich meist erst bei genauere Betrachtung. Plečnik war überzeugt davon, dass die Slowenen direkte Nachfahren der Etrusker seien und gibt dieser Überzeugung in seiner Formensprache immer wieder deutlichen Ausdruck. In sofern spielt das Stadion als klassische Bauaufgabe der antiken Stadt eine entscheidende Rolle in seinem Werk. Die Kolonade an der Dunajska Cesta und die Ehrenloge imitieren antike Vorbilder. Die zu flach ansteigenden in den Boden eingegrabenen Sitzränge waren eigentlich schon zur Fertigstellung 1935 unzeitgemäß – zumindest für die Wettkampfnutzung, insbesondere im Fußball, für den das Stadion vorrangig gebaut wurde. Plečnik dachte sein Stadion viel mehr für repräsentative Anlässe und plante eine Kultstätte des Nationalbewusstseins. Gebaut wurde das Stadion von 1925-41 für Orel (Adler), den katholischen der beiden slowenischen Sportbünde, die Ehrenloge wurde eigens für den eucharistischen Kongress 1935 errichtet.
Nach der Schließung des Stadions 2008 erwarb der in Las Vegas durch den Verkauf von Spielautomaten zum Multimilliardär gewordene Slowene Joc Pečečnik das Gelände mit dem Plan einer Modernisierung und Reaktivierung. Aus einem internationalen Wettbewerb ging das deutsche Büro von Gerkan, Marg und Partner (gmp) als Sieger hervor. Steilere Tribünen und eine Überdachung sowie der Wegfall der Laufbahn sollen eine moderne Fußballarena entstehen lassen. Ein Hotelturm sowie Büroblöcke das Stadion ergänzen.
Passiert ist allerdings bis heute nichts. Vor allem, weil die Anwohner, die auf einem Randstreifen des Grundstückes außerhalb des Stadions Kleingärten unterhalten und auf ihr Gewohnheitsrecht pochen. Ein weiteres Argument gegen den Umbau ist die Belästigung durch Baulärm, was etwas absurd anmutet, angesichts der Lage an einer der meistbefahrenen Straßen Sloweniens. 2017 machte zudem ein Gegenentwurf von Studierenden der Architekturfakultät der Universität Ljubljana die Runde, der nicht einen zeitgemäßen Umbau des Stadions, sondern eine Sanierung des Bestandes und Nutzung als vielfältige Park- und Freizeitanlage vorschlug. Angesichts des nicht weit entfernten modernen Stadions in Stožice möglicherweise die zukunftsfähigere Alternative.
Sportpark Stožice
Als eines der ersten Projekte des Büros planten Sadar+Vuga ab 1997 den Sportpark Stožice. Zugleich ist er das größte Bauprojekt Sloweniens der vergangenen vierzig Jahre. Die Idee, zwei Arenen über einem unterirdischen Shoppingcenter zu errichten, sollte das Gelände auch außerhalb von Veranstaltungen zu einem belebten urbanen Raum machen. 2010 führte die Finanzkrise allerdings zum Bankrott des Investors. Das Shoppingcenter befand sich gerade im Rohbau. Architekt und Planer Boštjan Vuga erzählt, dass es ihm über Jahre nicht möglich gewesen sei, das Areal zu besuchen, weil er den unfertigen Anblick nicht ertragen konnte. Als er dann 2015 doch den Rohbau wiedersah, habe ihn die räumlichen Qualitäten der Anlage auch in diesem Zustand sofort wieder fasziniert. Vielleicht, so merkt er selbstkritisch an, sei die Raumqualität des Rohbaus sogar höher als wenn hier tatsächlich das nächste Shoppingcenter, wie sie es geplant hatten, entstanden sei.
In der Folge fand ein Workshop mit Architekturstudenten aus Ljubljana und Münster, wo Vuga in der Zeit lehrte, statt, in dem alternative Nutzungsmöglichkeiten und eine zukünftige Entwicklung für das Gelände ausgelotet werden sollten, ohne einen Weiterbau zu planen. Entstanden ist ein detaillierter Plan, der zunächst Maßnahmen für die Bestandssicherung des Areals vorsieht. In einem ersten Schritt sollen zusätzliche Treppenanlagen und Geländer den öffentlichen ober- wie unterirdischen Zugang ermöglichen. Die Studierenden kartographierten das gesamte Gelände und definierten einzelne Nutzungsareale nach den bestehenden Gegebenheiten. Im oberirdischen Bereich als Park mit Flächen für Urban Gardening und Freizeitaktivitäten wie einem Skatepark, Klettergarten und einem Fancamp. Im wettergeschützten unterirdischen Bereich wurden Ideen für einen Bazar mit temporären Ständen und einem Hostel in flexiblen Zeltkonstruktionen entwickelt. Die Planungen sind alle so angelegt, dass sie ohne größere bauliche Eingriffe in die bestehenden Betonkonstruktionen realisiert werden können, oftmals unter Einbeziehung der Bevölkerung des Stadtteils, das Gelände aber in seiner Gesamtheit wieder nutz- und erlebbar gemacht wird. Zudem würde die ursprüngliche Idee eines urbanen und auch abseits der Veranstaltungen belebten Raumes Wirklichkeit werden, ohne die reduzierte Ästhetik der Betonkonstruktion zu verlieren.
Honke Rambow
geboren 1968 in Wiesbaden, ist Schriftsteller, Musiker und freier Kulturjournalist unter anderem für das Kulturmagazin für NRW „k.west“. Er lebt und arbeitet in Essen.
Marie Luisa Jünger
geboren 1986 in Meiningen, studierte Architektur in Erfurt. Die Diplom-Ingenieurin arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am KIT in Karlsruhe und begleitet dort als Fotografin Veranstaltungen und Exkursionen.