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Hagener Impuls.

Von Jugendstil zum Bauhaus

Bauhaus / Neues Bauen — Deutschland | 

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»Ich bin nicht zum Vegetieren, ich bin zum Verbrauchen da!«

Karl Ernst Osthaus, Kunstmäzen

Um 1900 zählte die westfälische Provinz zu den kulturhistorisch bedeutendsten Orten des Landes. Der Kunstmäzen und Kulturreformer Karl Ernst Osthaus holte Kunst- und Kulturschaffende nach Westfalen, um das Land von seiner historisierenden Schwere zu befreien. Diese intensive Schaffensphase wird als „Hagener Impuls“ bezeichnet. Osthaus gründete mit seinem privaten Museum Folkwang (heute Osthaus Museum) das weltweit erste Museum für Moderne Kunst. Den floralen Innenraum entwarf der Belgier Henry van de Velde. Osthaus holte den aufstrebenden Architekten nach Hagen noch bevor er 1901 als künstlerischer Berater für Industrie und Kunsthandwerk an die Kunstgewerbeschule in Weimar berufen wurde, aus der 1919 das Bauhaus hervorging. Osthaus soll von Walter Gropius’ attraktiver Ausstrahlung angetan gewesen sein und vermittelte den Gründungsdirektor des Bauhaus an Peter Behrens Berliner Büro, wo gerade die legendären AEG-Turbinenwerke entstanden.

Künstlerkolonie Hohenhagen

Behrens und Osthaus hatten sich an der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule kennengelernt, an der er von 1903–1910 Direktor war. Für das damalige Museum Folkwang entwarf Behrens 1905 den Vortragssaal, der nach Kriegszerstörungen nicht wiederaufgebaut wurde. Dagegen sind sein wundervolles Eduard-Müller-Krematorium und die 1910 gebaute Villa Cuno in der Straße „Stirnband“ erhalten geblieben. Ursprünglich waren hier 25 Häuser geplant, von denen drei realisiert wurden. Die Villa und das Haus Goedecke blieben als einzige erhalten. Angelehnt an die Darmstädter Mathildenhöhe hatte Osthaus 1906 die Künstlerkolonie Hohenhagen gegründet. Neben Behrens lud er weitere Baukünstler ein, um auf einem riesigen Experimentierfeld entwerfen und bauen zu lassen. Osthaus privates Anwesen entstand nur einige hundert Meter weiter. Für die Planung von Hohenhof war erneut van de Velde verantwortlich. Er zählt zu den Meisterwerken des Belgiers und ist architekturgeschichtlich eines der bedeutendsten noch erhaltenen Jugendstil-Ensembles Europas.

Bedeutendes Jugendstil-Ensembles in Europa

Ursprünglich sollte auf dem Hügel am Rande der Stadt eine ganze Siedlung entstehen. Neben Hohenhof und dem Behrens-Bau wurden aber nur die visionären Systemhäuser des Holländers Jan Ludovicus Mathieu Lauweriks realisiert. Seine neun standardisierten Bauwerke entstanden zwischen 1910 und 1914 als Vorläufer der Normierung des modernen Bauens. Lauweriks auf theosophischem Gedankengut basierendes Maßsystem ist sehr gut am expressiven Giebel der Hausnummer 54 abzulesen. Hier wohnte der Glaskünstler Johan Thorn Prikkers. Auch ihn hatte Osthaus nach Hagen geholt. Sein farbenfrohes Werk „Der Künstler als Lehrer für Handwerk und Gewerbe“ im Hagener Bahnhof entstand 1911. Prikkers schuf mehrere Glaskunstwerke, von denen viele den Krieg nicht überdauerten. Ein sehr schönes Beispiel ist sein Zyklus in der Evangelischen Auferstehungskirche im Essener Südost-Viertel. Otto Bartnings kreisrunde Kirche gilt als Leitbau der europäischen Sakralmoderne.

In der Hausnummer 48 wohnte die Bildhauerin Milly Steger. Sie wurde schlagartig bekannt, als sie für das Hagener Theater die berühmten nackten Frauen formte, damals ein Eklat.

Bruno Tauts Ideen einer kristallin anmutenden „Stadtkrone“ mit Folkwang-Schule, Werkstätten und Lehrinstituten wurden nie ausgeführt, da Osthaus 1921 überraschend früh starb. Mit ihm verschwanden auch die Bewegung und Planungen von Josef Hoffmann, August Endell und Adolf Loos. Selbst das Museum war nicht in Hagen zu halten. Die Sammlung zog schließlich ins heute legendäre Essener Museum Folkwang.

Entworfen von Carl Gérard (1898). Die Innenausstattung stammt von Henry van de Velde (1902).

Osthaus Museum

Entworfen von Carl Gérard (1898). Die Innenausstattung stammt von Henry van de Velde (1902).

Bild vergrößern (Osthaus Museum)(Abbildung © Jan Dimog)
Das Privathaus von Karl Ernst Osthaus entstand am Rande des Zentrums zwischen 1906 und 1908.

Der Hohenhof

Das Privathaus von Karl Ernst Osthaus entstand am Rande des Zentrums zwischen 1906 und 1908.

Bild vergrößern (Der Hohenhof)(Abbildung © Jan Dimog)
Das Anwesen wurde nach einem Entwurf des belgisch-flämischen Architekten und Designers Henry van de Velde gebaut.

Der Hohenhof

Das Anwesen wurde nach einem Entwurf des belgisch-flämischen Architekten und Designers Henry van de Velde gebaut.

Bild vergrößern (Der Hohenhof)(Abbildung © Hendrik Bohle)
An dieser Straße waren ursprünglich 25 Häuser geplant, von denen drei realisiert wurden.

Straße Stirnband

An dieser Straße waren ursprünglich 25 Häuser geplant, von denen drei realisiert wurden.

Bild vergrößern (Straße Stirnband)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Entwurf: Jan Ludovicus Mathieu Lauwerik

Villa Prikkers

Entwurf: Jan Ludovicus Mathieu Lauwerik

Bild vergrößern (Villa Prikkers)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Entwurf: Peter Behrens, 1910

Villa Cuno

Entwurf: Peter Behrens, 1910

Bild vergrößern (Villa Cuno)(Abbildung © Hendrik Bohle)
Entwurf: Ernst Friedrich Vetterlein (1911), 1949 wiederaufgebaut.

Hagen Theater

Entwurf: Ernst Friedrich Vetterlein (1911), 1949 wiederaufgebaut.

Bild vergrößern (Hagen Theater)(Abbildung © Jan Dimog)
Entwurf: Peter Behrens, 1907

Eduard-Müller-Krematorium

Entwurf: Peter Behrens, 1907

Bild vergrößern (Eduard-Müller-Krematorium)(Abbildung © Jan Dimog)
Das denkmalgeschützte Profangebäude befindet sich in Hagen-Delstern und ...

Eduard-Müller-Krematorium

Das denkmalgeschützte Profangebäude befindet sich in Hagen-Delstern und ...

Bild vergrößern (Eduard-Müller-Krematorium)(Abbildung © Jan Dimog)
... wurde bei seiner Fertigstellung vielbeachtet und gilt mit seiner geometrisch-schlichten Form mit dem Kaminturm als gelungenes Beispiel der frühen Moderne.

Eduard-Müller-Krematorium

... wurde bei seiner Fertigstellung vielbeachtet und gilt mit seiner geometrisch-schlichten Form mit dem Kaminturm als gelungenes Beispiel der frühen Moderne.

Bild vergrößern (Eduard-Müller-Krematorium)(Abbildung © Hendrik Bohle)

From art nouveau to the Bauhaus

Over 100 years ago, arts patron Karl Ernst Osthaus made Hagen a testing ground for new architecture and design, attracting famous architects and artists. This phase between art nouveau and the Bauhaus (founded in 1919) was known as the “Hagen Impulse” and was a forerunner of modernism.

Around 1900, the province of Westphalia was one of the most important cultural centres in the nation. The arts patron and cultural reformer Karl Ernst Osthaus brought artists and other creators of culture to Westphalia to free the land from its historicising severity. This intensive phase of creation was described as the “Hagen Impulse.” With his private Museum Folkwang – today the Osthaus Museum –, Osthaus founded the world’s first museum of modern art. The Belgian artist Henry van de Velde designed the floral interior. Osthaus had brought the up-and-coming architect to Hagen before he was called upon as an artistic advisor for industry and handicrafts at the school of applied arts in Weimar, out of which the Bauhaus arose in 1919. Osthaus is said to have been quite taken with Walter Gropius’s attractive charisma and sent the founding director of the Bauhaus to the Berlin office of Peter Behrens, where the legendary AEG turbines had just been built. 

Behrens and Osthaus had gotten to know each other at the school of applied arts in Düsseldorf, where Behrens was the director from 1903–1910. In 1905, Behrens designed the lecture hall for what was then the Museum Folkwang; it was not rebuilt after being damaged in the war. However, his wonderful Eduard Müller Crematorium and the Villa Cuno on Stirnband Straße, built in 1910, did survive. Originally, 25 houses were planned for the site, but just three were realised; Villa Cuno and Haus Goedecke are the only ones that remain. Inspired by the Darmstadt Artists’ Colony, Osthaus founded the Hohenhagen Artists’ Colony in 1906. He invited Behrens and other architects to design and build on an enormous experimental ground. Osthaus’s private residence was built only a few hundred metres away. Van de Velde was again responsible for the planning of the colony, which ranks among the Belgian architect’s masterworks and is one of the most important European art nouveau architectural ensembles that survives. 

The crown for the city

Originally, a whole settlement on the hill at the edge of the city was supposed to be built. Besides Hohenhagen and the Behrens building, however, only the visionary system houses by the Dutch architect Jan Ludovicus Mathieu Lauweriks were ever realised. His nine standardised buildings arose between 1910 and 1914, pioneers of the standardisation of modern buildings. Lauweriks’s system of measurement, based on theosophical thinking, can be seen very well on the expressive gable of house No. 54. The glass artist Johan Thorn Prikkers lived there, having also been brought to Hagen by Osthaus. His colourful work “Der Künstler als Lehrer für Handwerk und Gewerbe” (“The Artist as Teacher for Crafts and Trade”) was installed in the Hagen train station in 1911. Prikkers created a number of glass artworks, many of which did not survive the war. One very beautiful example is his series in the evangelical Church of the Resurrection in the southeast quarter of Essen. The circular church, by Otto Bartning, is a leading example of European sacred modernism.

In house No. 48 lived the sculptor Milly Steger. She became famous overnight when she created the famous female nudes for the Hagener Theater, a scandal at the time.

Bruno Taut’s ideas for a crystalline-looking “crown for the city,” made up of the Folkwang School, workshops, and teaching institutes, was never carried out—Osthaus died surprisingly early, in 1921. With him, the movement and the plans of Josef Hoffmann, August Endell, and Adolf Loos also disappeared. Even the museum was no longer to remain in Hagen. The collection finally moved into today’s legendary Museum Folkwang, in Essen.

»I am not here to vegetate, I am here to consume!
«

Karl Ernst Osthaus

Hagener Kunstquartier Osthaus Museum + Der Hohenhof

sind Teil der dichten Museumslandschaft der Metropole Ruhr und des Netzwerks der RuhrKunstMuseen. Es besteht aus zwanzig Kunstmuseen und wurde anlässlich des europäischen Kulturhauptstadtjahres RUHR.2010 gegründet. Das Netzwerk steht für eine Museumslandschaft mit nationaler und internationaler Ausstrahlung und der weltweit größten Dichte moderner Kunst. Der Schwerpunkt liegt auf der Kunst vom 19. Jahrhundert über die Moderne bis zur Gegenwart. Über fünfzehn Städte hinweg erstreckt sich ein zusammenhängendes Netz von hochkarätigen Sammlungen, untergebracht in Industriebauten, Schlössern, herausragenden Architekturen der Nachkriegsjahrzehnte und spektakulären Neubauten.

Osthaus Museum

Museumsplatz 1, D-58095 Hagen. Öffnungszeiten: Di.–So. von 12–18 Uhr, Mo. geschlossen

Der Hohenhof

Stirnband 10, D-58093 Hagen-Eppenhausen. Öffnungszeiten: Di.–So. von 12–18 Uhr, Mo. geschlossen

Architekten

Osthaus Museum, Gebäude: Carl Gérard (1898) Osthaus Museum, Innenausstattung: Henry van de Velde (1902) Hohenhof: Henry van de Velde (1906)

Theater Hagen

ist eines von 11 öffentlich getragenen Bühnen in 9 Städten der Metropole Ruhr, die sich als RuhrBühnen zusammengeschlossen haben, um die künstlerische Vielfalt der Darstellenden Künste gemeinsam zu präsentieren. Jedes Haus steht dabei für sein eigenes künstlerisches Profil und ist in der jeweiligen Stadt fest verwurzelt. Zugleich sind sie Teil eines facettenreichen Theaterkosmos in einer lebendigen, abwechslungsreichen Kulturregion.

Adresse

Elberfelder Str. 65, 58095 Hagen, Theaterkasse: +49 (0)2331 - 207-3218

Architekten

Ernst Friedrich Vetterlein (1911), Wiederaufbau: unbekannt (1949)