
Erklärtes Ziel der New York Five, einer Architektengruppe um Peter Eisenman, Michael Graves, Charles Gwathmey, Richard Meier und John Hejduk, war es, die Architektur der 1960er-Jahre ordentlich auf den Kopf zu stellen. Dabei orientierten sich die fünf unter anderem an den kubistischen Werken Le Corbusiers, an den europäischen Rationalisten und am niederländischen De Stijl. Da passt es gut, dass Hejduks einziges Wall House in Groningen entstand. Aufgrund seiner theoretisch-didaktischen Arbeit galt er zwar als einer der Köpfe der Gruppe, blieb im Gegensatz zu seinen Mitstreitern in erster Linie Theoretiker. Nur wenige seiner Entwürfe wurden realisiert, darunter das Demlin House in Locus Calley auf Long Island (1960), das Hommel Apartment in New York (1969), die Restaurierung des Foundation Buildings der Cooper Union in New York (1975), drei Projekte in Berlin anlässlich der IBA 1984, sowie Denkmale und Installationen in Buenos Aires (1998), Santiago de Compostela (2003) und Prag (2016).
"Life has to do with walls; we're continuously going in and out, back and forth, and through them."
John Quentin Hejduk
Hejduk entwickelte mehr als vierzig Wall Houses, aber nur die Nummer 2 wurde gebaut, allerdings in einer anderen Umgebung als ursprünglich geplant. Der Entwurf entstand 1973 für den Landschaftsarchitekten Ed Bye. Er war wie Hejduk Mitglied der Fakultät der renommierten Irwin S. Chanin School of Architecture an der Cooper Union in New York City. Das Grundstück für Byes Wochenendhaus lag an einem bewaldeten Hang in Ridgefield (Connecticut, USA). Aufgrund finanzieller Bedenken wurden die Pläne aufgegeben, bis eine Groninger Entwicklungsgesellschaft Interesse an dem Projekt zeigte und beschloss, den Bau anlässlich des Architekturfestivals „blue moon“ zu finanzieren: 28 Jahre nach Fertigstellung der ersten Entwürfe und ein Jahr nach dem Tod Hejduks 2000.
Das Wall House #2 steht am Ufer des Hoornse Meer südlich des Stadtzentrums. Seine surreal skulpturale Erscheinung könnte kaum anders als die konventionellen Wohnhäuser in seiner Umgebung sein. Die schmale Eingangstür steht scheinbar isoliert im Raum. Eine steile Treppe führt hinauf zu einem schmalen, langgestreckten Korridor. Rechter Hand schwebt das Arbeitszimmer, rot und organisch. Der lange Flur symbolisiert die Vergangenheit und durchstößt am anderen Ende eine schmale Sichtbetonwand. Sie ist das zentrale Element des Ensembles mit insgesamt 18,5 Meter Breite und 14 Meter Höhe. Sie steht für die Gegenwart. An ihr hängen drei kurvenreiche Räume in satten Farben: ein Schlafzimmer in grün, Esszimmer und Küche in Lavendel, und als krönenden Abschluss ein Wohnzimmer in gelb. Sie weisen in die Zukunft. Gezielte Einschnitte in den Wänden rahmen und leiten die Blicke nach außen. Eine Wendeltreppe verbindet alle Räume miteinander. Sie liegt ebenso wie die Sanitärzellen jenseits der scheinbar freistehenden, schmalen Mauer und hat keine statische, sondern rein symbolische Bedeutung. Das gesamte Haus ist eine Studie über die Beziehung zwischen innen und außen: eine poetische Verschmelzung der bildenden Künste. Einfach atemberaubend.










Seit 2016 betreibt das Groninger Museum das Wall House #2 als Galerie und Experimentierbühne für Design-Präsentationen. “Viele Jahre blieb das Haus der Öffentlichkeit verschlossen”, erklärt Gea Schenk. Die Dokumentarfotografin verantwortet das Programm und führt regelmäßig durchs Haus. Derzeit ist auch ihr Fotoprojekt “Wall of Fame” zu sehen. Sie portraitiert Menschen aus der Umgebung und ihre Eigenarten. “Mir war es wichtig, gerade auch die Anwohner des Wall House anzusprechen. Mich faszinieren die täglichen Dinge.” Deren Diversität verblüfft in der Zusammenstellung der Aufnahmen. Sie sind im ehemaligen Schlafzimmer des Wall House zu sehen. “Mich freut besonders, das einige der Portraitierten und andere Nachbarn hier an den Wochenenden zusammenkommen, um Zeit miteinander zu verbringen”, erklärt sie. Zu recht, denn auch das ist eine besondere Beziehung von Innen und Außen.





"It is essential that the architect create works that are thought provoking, sense provoking, and ultimately life provoking. Or more precisely, giving life, to what appear to be at first inanimate materials.
John Hejduk
The architect enters into the social contract in the deepest sense. To search for human qualities and human values which give spirit."
Wir danken Marketing Groningen / Visit Groningen sowie den Partnern für die Einladung zu der redaktionell unabhängigen Recherchereise. Weitere Architekturgeschichten über die Baukunst in den Niederlanden: hier.