Die Bauten von BIG in und um Kopenhagen – Ein Hoch im Norden
Auf Reisen:Kopenhagen hat Glück gehabt. Fünfhundert Jahre lang hat Dänemark Kriege und Territorien verloren, aber die Hauptstadt blieb weitgehend verschont. Nur die britische Flotte richtete 1807 größeren Schaden an. So blieben Baudenkmäler und Stadtquartiere aus vielen Epochen erhalten, zumal die Behörden beim Umbau und Ausbau überlegt vorgingen, wenn auch oft erst nach massiven Protesten der Einwohner.
Die Handelsmetropole an der Ostsee ist auf Inseln erbaut, viele Wasserläufe durchziehen die Stadt. Das System der Parklandschaften, das als Maßnahme der Arbeitsbeschaffung in den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts einen mächtigen Schub erhielt, wird intensiv weiter entwickelt. Ein dichtes Radwegenetz mit Highways und Brücken wird von der Hälfte der Kopenhagener täglich genutzt. Fast alle Wohnungen werden mit Fernwärme beheizt, rasch zunehmend aus erneuerbarer Energie. Das ehrgeizige Ziel, bis 2025 als erste Großstadt der Welt CO2-neutral zu sein, scheint erreichbar.
Eine Ausstellung im dänischen Architekturzentrum unterstreicht die enge Verbindung der hiesigen Architektur mit der Entwicklung der Demokratie und des Wohlfahrtsstaates. Trotz aller Konflikte ist die Bereitschaft aller Beteiligten gewachsen, die Lebensumstände zu verbessern, für den Einzelnen, die Gesellschaft und die Umwelt.
Seit gut zwanzig Jahren wandelt sich das rund zehn Kilometer lange Hafenareal, einst von Schiffen und schmutziger Industrie geprägt, rasant zur feinen Adresse für Büros und Apartments. Mit den Hafenbädern und den Uferparks, mit dem dänischen Architekturzentrum DAC von Rem Koolhaas, der Black Diamond genannten Bibliothek von Schmidt, Hammer & Lassen, dem Schauspielhaus von Lundgaard & Tranberg und der Oper von Henning Larsen hat sich zugleich entlang dieses Wasserbandes das neue soziale und kulturelle Zentrum der Stadt heraus gebildet.
Ganze Stadtteile werden neu geplant. Das jüngste Beispiel ist Ørestad, das sich unterhalb von Christianshavn auf einem sechshundert Meter breiten Streifen entlang einer Metrolinie fünf Kilometer nach Süden erstreckt. Am Masterplan hat Daniel Libeskind mitgearbeitet. Den Einstieg bestimmen der neue Campus der Universität und das Konzerthaus von Jean Nouvel. Weiter südlich hat Bjarke Ingels drei Projekte verwirklicht, die ihn zu einem der gefragtesten Architekten weltweit werden ließen. Seine Bauten hier und anderswo in Kopenhagen zeigen, wie seine Heimatstadt seine Architektur beeinflusst hat, aber auch, wie er dem Bauen neue Horizonte erschließt.
Dortheavej Residence, Park der Nationen, Havnebadet, Maritime Youth House, Urban Rigger
Bjerget (The Mountain), VM-House, 8-House, Noma, Amager Bakke
Bjarke Ingels
Der junge Bjarke, 1974 in Kopenhagen geboren, wollte Comiczeichner werden. Eher zufällig geriet er an der Königlichen Kunstakademie seiner Heimatstadt in die Architektursparte. Nach dem Abschluss seiner Studien an der Escola Tècnica Superior d'Arquitectura in Barcelona arbeitete er von 1998–2001 bei Rem Koolhaas, unter anderem an der spektakulären Central Library in Seattle. Mit seinem Partner Julien De Smedt gründete er das Büro PLOT und verwirklichte erste Vorhaben in Kopenhagen. Seit 2006 leitet er die Bjarke Ingels Group, mit einiger Chuzpe zu BIG abgekürzt. Als erster Preisträger erhielt er 2010 Europas höchste Auszeichnung, den European Prize for Architecture, fünf Jahre vor Santiago Calatrava. Spätestens seit dem 2016 eröffneten Apartmenthaus VIA 57 West am Hudson in New York, einem pyramidalen Hochhaus mit eingeschnittenem Innenhof, das Ingels "Courtscraper" nennt, gilt BIG als eine der ersten Adressen für ungewöhnliche Lösungen. Mit rund fünfhundert Mitarbeitern in Kopenhagen und New York entwirft die Firma ihre Projekte, über sechzig sind weltweit abgeschlossen oder im Bau. Der bekennende Optimist Ingels ist ein glänzender Kommunikator, der sich aller Medien bedient. Schon 2009 hat er mit "Yes is More" seine Konzepte und Ideen in Form eines Comicbuches vorgestellt.